Woran erkennt man eine gute Serie? Ganz einfach, dass man in Panik verfällt, wenn die Serie eine Woche Pause macht und man vergebens die neue Episode sucht. Diese Auszeit ist aber nun vorbei und wir können endlich die drittletzte Episode, also der dritten Staffel, von Better Call Saul begutachten
S03E08 – Slip
Jimmy muss sich voll ins Zeug legen, um sein Leben zu bestreiten und den ehrgeizigen Plan, weiterhin die Hälfte der Miete der gemeinsamen Kanzlei mit Kim aufzubringen, durchzuziehen. Zusammen mit seinem Kumpel aus alten Tagen holt er sogar aus dem verlassenen Laden seiner Eltern Münzen, die sie als Antiquitäten jemand andrehen wollen – aus 3 Dollar 300 machen. Jimmy schwelgt in Erinnerungen und stellt fest, dass sein Vater es einfach nicht draufhatte. Er war zu lieb und deswegen lief das Geschäft nicht [Korrektur: Die Szene ist ein Rückblick und geschieht nicht in der Gegenwart]. Es wird deutlich, dass Jimmy diesen Fehler nicht machen will und wird. Er bewegt sich langsam aber sicher in sein altes Leben – oder in das neue Leben mit dem Namen Saul?
Dieser fortschreitende Weg wird schön illustriert. Er trifft nicht einfach die Entscheidung den falschen Weg zu gehen, zu lügen und Abkürzungen zu nehmen, nein, die Umstände begünstigen seine Neigung und damit Wandlung. Im Musikgeschäft, dessen Inhabern er eine Gratiswerbung gewährte, da sie nicht zahlen wollten und er die Sendezeit sonst nicht mehr losgeworden wäre, wird er über das Ohr gehauen. Der Deal lautete, wenn sich der Gratiswerbespot rentiert, würden die beiden Inhaber weitere Spots gegen massig Geld buchen. Doch sie entscheiden sich dagegen und wollen einfach den bereits gedrehten Spot weiterlaufen lassen. Jimmy inszeniert einen Unfall, verletzt sich dadurch und kann doch noch den Deal eintüten. Sein „Geschick“ setzt er am Ende der Episode ein weiteres Mal unter Beweis. Er verdient 700 Dollar, in dem er einem – wie er selbst auch – zu Community Service verurteilten Mann frei boxt. Er droht dem Aufseher mit einer langen Klage und daraufhin lässt er Jimmys „Kunden“ gehen. Man sieht, Jimmy gefällt es gegen Regeln zu verstoßen und so Geld zu verdienen; er fühlt sich sichtlich überlegen und sieht nicht die Gefahr.
In dieser Folge ist aber der spannende Teil tatsächlich bei Nacho und Hector zu finden. Nacho muss Hector ausschalten, damit dieser nicht seinen Vater ins Drogengeschäft hineinziehen kann. Sein Plan, Hectors Pillen auszutauschen, muss jedoch minutiös geprobt werden – nichts darf er dem Zufall überlassen, sonst ist er ein toter Mann. Immer und immer wieder übt er wie er unbemerkt die Pillen in Hectors Jackentasche fallen lassen kann. Man sieht ihm den Stress ins Gesicht geschrieben. Die gefühlten 10 Minuten im kleinen schäbigen Restaurant, in welchen Nacho auf den richtigen Moment wartet, sind vor Spannung kaum zu überbieten. Am Ende schafft Nacho den Tausch, er ist durch den Stress und die sabotierte Klimaanlage durchgeschwitzt, genau wie der Zuschauer auch. Dabei geht dann fast unter, dass wir in dieser Folge den ersten Schritt des großen Bündnisses von Gus und Mike erleben.
Auf dem Nebenschauplatz Chuck tut sich viel, denn Chuck ist kurz davor seine Krankheit zu überwinden. Ob er doch noch eine (weitere) tragende Rolle in den letzten zwei Folgen dieser Staffel einnehmen wird?
Langsam aber spannend
Es ist die erste Folge, bei der mich der Geschichtsstrang um Nacho und Hector mehr interessiert hat als die Jimmys Geschichte. Auf die übliche ruhige Art und Weise von Better Call Saul, wird ein für andere Serien wenig spektakulärer Vorgang sehr detailliert und im Resultat extrem spannend präsentiert – einfach nur gut. Dazu erfahren wir auch, dass Hector also im Fokus des Staffel Finales stehen wird so lassen sich die Ereignisse zumindest interpretieren. Bleibt nur noch zusagen, dass ich am liebsten jetzt die neue Folge schauen würde….
Den Slippin‘ Jimmy-Fallback fand ich super, passt zum Charakter und dessen Entwicklung. Was mich an der – ansonsten natürlich sehr spannenden – Pillentausch-Szene geärgert hat, war dieser unnötige Taschenwurf. Wieso kann er es nicht wie bei der Entnahme der Dose machen? Das ging doch auch ziemlich unspektakulär…
Warum war der Taschenwurf unnötig? Es war extrem riskant, aber es gab ja ansonsten keine andere Möglichkeit. Nacho hätte sich alternativ erneut über Hector beugen bzw. neben ihm knien müssen, was dann in jedem Fall auffällig geworden wäre. Dafür fehlte einfach ein unauffälliger Grund/Vorwand. Allerdings habe ich mich auch gefragt, ob so ein Taschenwurf überhaupt unbemerkt durchgeführt werden kann, da sich die Pillen ja in der Plastikdose bewegen und das Ganze Geräusche verursachen dürfte (was jedoch auch schon für die Entwendung der Pillen gilt). Gerade da Nacho so nervös war (zittrige Hände) dürfte die Aktion doch fast unmöglich machen, ohne dass es unbemerkt bleibt.
Zum einen meine ich damit auch die von dir genannte Geräuschkulisse, zum anderen, dass es natürlich nicht erneut binnen weniger Minuten ein „Oops, ich knie mich hin“-Ding sein muss, aber ich denke, das wäre anders gegangen. Ablenkung, Schuhe binden, whatever. So war es aber nur aus Gründen einer „witzigen“ Trainingsmontage, deren Ausgang wir alle vorhersehen konnten…
Better Call Saul ist nun mal eine sehr detaillverliebte Serie und keine versteht es besser, so minimalistisch Spannung zu erzeugen, selbst dann, wenn man glaubt, den Ausgang schon zu kennen.
Die Sache mit dem Geldschein war ja bereits ein sehr auffälliges Ablenkungsmanöver und mit jedem Weiterem hätte Nacho die Aufmerksamkeit nur noch mehr auf sich gezogen.
Zu warten, bis Hector den Platz verlässt (Toilettengang), wäre wohl die einzige Alternative, die jedoch ebenso riskant ist. Immerhin hätte Hector in der Zwischenzeit merken können, dass die Pillen weg sind. Der Austausch musste schnell erfolgen und da finde ich den Taschenwurf durchaus legitim.
Aber gerade in dieser Detailverliebtheit beißt sich deine Argumentation, wie die Serienhandlung selbst, weshalb ich es ja anprangere. Das erste Mal wird überplump eingeleitet, das zweite Mal auf übermäßige Spannung und akustisch nicht ganz sinnvolle Art. Klar, man macht es nicht zwei Mal identisch, weil es für uns Zuschauer langweilig und für Nacho gefährlich hätte sein können. Glaube aber noch immer, dass es besser gegangen wäre.
Heya.
Kleine Anmerkung: Das „Münzenholen“ aus dem alten Laden der Eltern war ziemlich sicher VOR der Geschichte von Better Call Saul, zumindest aber VOR Staffel zwei. Da (SPOILER!) stirbt der schnauzbärtige Freund von Jimmy nämlich beim Uhrenvertick-Trick in der Gasse.
Danke blimp, die Tatsache ist mir ganz entfallen und dann habe ich es in die Gegenwart gesetzt – stimmt natürlich was du sagst :)
Wieso geht ihr gar nicht auf den Strang um Kim ein? Ich habe das Gefühl, dass hier ganz eindeutig einige Spuren ausgelegt werden, die erklären, warum man Kim in BB nicht mehr sieht und die auf eine Trennung von Jim und Kim hinauslaufen – ihr Hadern in Bezug auf Jimmys Entwicklung ist das, was seine Entwicklung meiner Meinung nach genauso vorantreibt wie die Geshcichte mit Chuck.
Insgesamt ist die Geschichte um Mike, Hector und Gus der größte Gewinn bei „Better Call Saul“. Extrem spannend und gut gemacht, während die Story um Jimmy dahinplätschert (sicherlich auch gut, aber alleine würde doch ein wichtiger Faktor einer guten Serie dieser Art fehlen). Insofern auch hier ein kleiner Widerspruch gegen deine Meinung: Eigentlich ist die Story die spannende, packendere, während die (Nicht-)Transformation Jimmys seit fast 3 Staffeln eher hintergründig bleibt.
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