Wow, was für eine Folge. Haben die Autoren etwa realisiert, dass nicht mehr viel Zeit bis zum Staffelfinale übrig ist? Denn ganz untypisch für „Better Call Saul“, geht es in „Something Stupid“ quasi Lichtjahre voran – und das schon in der ersten Szene. Allgemein muss ich dabei festhalten, dass die erste Szenen je Folge in dieser Staffel fast immer meine liebste Szene war. Entweder wir springen in die Vergangenheit, in die nahe oder ferne Zukunft oder wie heute, bekommen eine Splitscreen-Szene untermalt mit dem Lied „Something Stupid“ zu sehen. Ganz ohne Text überspringen wir darin fast Jimmys komplette verbleibende Bewährungszeit als Anwalt von einem Jahr. Die Inszenierung, Jimmy rechts und Kim links im Bild, könnte den immer größer werdenden Kontrast zwischen den beiden kaum besser darstellen. Sie verwirklicht ihre Träume, ist Top-Anwältin die sogar Zeit hat sich sozial zu engagieren, während Jimmy sein Handybusiness auslebt. Am Anfang der Szene sieht man beide noch zusammen auf jeder Hälfte, am Ende ist nur noch allein und in der letzten Einstellung ist Kims Seite sogar schwarz; Jimmy liegt quasi alleine im Bett. Deutlicher kann man die Trennung der Lebenswege beider Charaktere kaum noch inszenieren.
Aber nicht nur die Leben schreiten voran: Auf Jimmys Visitenkarte für sein legales Geschäft für illegal operierende Personen, ist der Name „Saul Goodman“ zu lesen. Also ich würde deshalb sagen, dass die Transformation zu 99% abgeschlossen ist. Selbst seine zukünftigen Räumlichkeiten als fadenscheiniger Anwalt zeigt er Huell und damit uns. Wie weit Jimmy und Kim voneinander entfernt sind, wird nicht nur in der ersten Szene deutlich sondern auch später in der Folge. Bei dem Empfang auf Kims Arbeit verheddert sich Jimmy in peinlichen Vorschläge für eine anstehende Betriebsfahrt der Anwaltsfirma. Aber auch später, als er Kim um ihre Hilfe bei der Verteidigung von Huell bittet, da er noch einen Monat auf seine Lizenz warten muss, wird Gut gegen Böse – wenn man das so stark vereinfachen will – deutlich. Sie versucht durch Präzedenzfälle das Beste für den Mandanten herauszuholen, während Jimmys Strategie lautet, den Polizisten zu diskreditieren und im Gericht so zu provozieren, dass er als aggressiver und unglaubwürdiger Staatsdiener wahrgenommen wird.
Während hier also der Konflikt zwischen den beiden in der Luft liegt, wird bei Gus die Geschichte relativ geräuschlos vorangetrieben. Die Bauarbeiten zu seinem modernen Drogenlabor gehen zwar voran aber langsamer als geplant. Dazu sind die Bauarbeiter am Ende und können die Isolation kaum noch aushalten. Ok, etwas Brisanz steckt auch in diesem Erzählstrang aber irgendwie interessiert es mich nicht wirklich. Schließlich ist Mike da und er wird schon aufpassen, dass niemand aus der Reihen tanz; denn Mike sind diese Bauarbeiter im Fall der Fälle eh nicht gewachsen. Spannender ist da schon Hector, der quasi sein Breaking Bad End-Stadium erreicht hat. Er kann mit einem Fingertipp kommunizieren, es fehlt als nur noch die Klingel. Weitere Behandlungen bezahlt Gus infolgedessen seiner „Genesung“ auch nicht mehr. Für Gus ist Hector jetzt genau da wo er in haben wollte; er ist sich selbst wieder bewusst aber keine Gefahr für seine Geschäfte.
In jedem Fall liegt auf Gus aktuell nicht der Fokus der Serie sondern auf Jimmy. Ob sich das in den verbleibenden 3 Folgen noch einmal ändert? Vielleicht, aber vielleicht werden auch Nägel mit Köpfen gemacht und spätestens in Episode S04E10 sehen wir dann endlich die quietschbunten Anzüge und die erste Fernsehwerbung für die Saul Goodman Kanzlei. Dass dieses Ziel gefühlt nur noch wenige Schritte entfernt ist freut mich und deshalb finde ich auch diese Folge so toll, weil sie uns so weit nach vorne gebracht hat und dabei trotzdem dem Stil der Serie treu geblieben ist.
Bilder: Netflix / AMC
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