Des einen fallen gelassenes Glück kann des anderen vom Himmel fallendes Wunder sein. Alleine in die kleine, sehr fein im Makro-Stil gedrehte Anfangs-Szene dieser Folge kann man vermutlich Aufsatz-weise Interpretationen liefern. Aber nein, eine Bottle-Episode mit Kult-Faktor analog zu DER Fliegen-Folge in „Breaking Bad“ bekommen wir nicht zu sehen. Aber die fleißige Ameisen-Kolonie macht sich ans Werk, während Saul ohne Türöffner und dafür mit einem Reggeaton-Song im Ohr (war das „Gasolina“?) zum zunächst ungewissen Treffen gefahren wird.
„Tuco told me about you. You‘re the one with the mouth!“ – „Yeah…“ (Lalo & Saul)
Stellt sich heraus, er ist (noch) gar nicht (direkt) im Schlamassel. Viel mehr muss, äh… soll er aushelfen. Die spontan zurechtgelegte Taktik, einen total überhöhten Preis zu nennen, schlägt fehl. Wäre hätte gedacht, dass für einen im Drogen-Millionen-Geschäft tätigen Gangster 7.925 Dollar zu wenig sein würden…?!
Wieder mal spielt „Better Call Saul“ auch gekonnt mit wiederkehrenden Szenerien, die aufgrund zwischenzeitlicher Geschehnisse die Veränderung in der Haltung der Charaktere demonstriert. Dieses Mal bei Kim. Die hatte zuletzt ja klipp und klar gesagt, sie wolle keinen Klienten mehr belügen und vor allem keine Grauzonen-Tricks mehr anwenden. Entsprechend beäugt sie die Tatsache, dass Saul eine leere Bierflasche auf das Balkongeländer stellt, kritisch. Für sie wirkt es achtlos und zu risikoreich, denkt sie doch zunächst nur an die negativen Konsequenzen. Doch dann folgt der Alltag.
Zunächst fand ich es erfrischend authentisch, dass mal eine Person in einer Serie längere Zeit benötigt, um ein Dokument auch wirklich zu lesen (in „Suits“ zum Beispiel scheint alles Wichtige immer im Betreff der ersten Seite zu stehen, so schnell, wie die alles verarbeiten). Jedenfalls lernt Kim, dass trotz angeblicher Pro-Bono-Freiheit ihr zahlender Kunde noch immer König ist. Und wenn der ruft, hat man zu sputen. Doch wirklich an ihre Nerven gerät ihre Auseinandersetzung mit einem stoisch-stolzen Hinterwäldler, der einfach nicht sein Heim verlassen möchte. Spielt sie zunächst noch die Harte, die das Gesetz als Leitlinie verfolgt, merkt sie, dass er obwohl er faktisch im Unrecht ist, nicht ganz Unrecht hatte. Mit ihrem menschlichen letzten Annährungsversuch merkt sich jedoch auch, dass man es manchen Menschen einfach nicht recht machen kann und sie nur das hören, das sie hören wollen.
Dieser gebrauchte Tag führt dazu, dass sie in der (wortlosen) letzten Szene der Folge anders denkt. Saul treibt es zunächst auf die Spitze, indem er mal wieder Grenzen auslotet, sei es mit Kim oder auch einfach nur seinen Reflexen. Sie setzt sich über ihre ordnungsfanatische Angst vor Konsequenzen hinweg und entscheidet sich für das Öffnen des Ventils. Luft rauslassen durch Flaschenwurf. Ich bin gespannt, in wie fern sich ihre Handlungen im Job und bezogen auf Saul zukünftig wieder ändern werden.
Natürlich das absolute Highlight der Folge und wir haben alle drauf gewartet: Hank und Steve!
„S‘all good, man?! Hahahaha!“ (Hank)
Das war schon ziemlich cool, die beiden mal wieder in Aktion zu erleben, die Chemie zwischen ihnen und vor allem Saul in der Szene im Verhörraum war einfach genial. Weniger Eindruck konnte Saul jedoch anschließend mit seinem (wohlgemerkt importierten!) Suzuki Esteem schinden. Sein neuerlicher Versuch, sich für zukünftige Jobs aus der Sache raus zu ziehen, schlägt jedoch erneut fehl. Er steckt jetzt drin, wie er es von jemandem gesagt bekommt, der weiß, wovon er spricht:
„It‘s not about what you want. When you‘re in, you‘re in.“ (Nacho)
Und so schließt sich auch der Kreis zum Eis. Das ist dahin, und somit auch die gutgelaunte Belohnung, die sich Saul kurz zuvor noch geholt hatte, weil alles gut zu laufen schien. Übrig bleibt eine kleine Schmelz-Pfütze und einige Waffelkrümmel, über den Rest haben sich die Ameisen gefreut. Des einen Leid…
Das war eine wichtige Folge, dennoch für mich die knapp schwächste am wenigsten gute dieser zugegeben ja noch sehr jungen Staffel bislang und vor allem klar hinter der vorherigen Episode liegend. Dass es dennoch zu vier Kronen bei mir langt, liegt natürlich vor allem am Wiedersehen mit Hank und Steve. Zumal „Breaking Bad“-Fans das bereits bei der Ankunft des Wagens geahnt haben dürften. Denn eigentlich ist die Handlung der Folge schnell zusammengefasst, aber wie so oft liegt verdammt viel zwischen den Zeilen und Szenen. Die mal wieder tolle POV-Shots und allgemein sehenswerte Bildkompositionen zu bieten hatten.
Wichtig ist aber vor allem, dass Saul jetzt richtig im Gangster-Schlamassel angekommen wird. Der Weg hin zum am Ende in „Breaking Bad“ gelebten Status ist entsprechend geebnet. Auch für Kim könnte das ein (erneuter) Wendepunkt gewesen sein. Hier dürfte spannend werden, wie sie mit ihrem eigentlich wichtigsten Kunden verfährt. Ich glaube, sie wir da noch komplett hinschmeißen und sich der Versuchung ergeben, mit Saul zu arbeiten (bzw., ihm aus der Patsche helfen müssen). Man hat gemerkt, wie angefressen sie war, dass Saul einen finanziell guten Tag hatte („good for Saul…“). Und auch Mike hat so seine Problemchen. Das Nichts-Tun, der Alkohol, die Gewalt. Ich bin mir sicher, dass er nicht mehr lange stille Randfigur sein wird.
Bilder: amc
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