„Better Call Saul“ ist an einem wichtigen Punkt angelangt. Wichtig, im Bezug auf den weiteren Verlauf der Staffel aber auch das eigentliche Ende der Serie und somit indirekt auch die Anknüpfung an die Mutterserie „Breaking Bad“. Denn die Beziehung zwischen Kim und Jimmy sowie dessen komplette Wandlung hin zu Saul Goodman wird essenziell auf seinen finalen Höhepunkt hingeleitet. Anstatt der vielen kleinen Charakter-entwickelnden Momente der letzten Wochen gibt es dieses Mal – wie der Titel der Folge bereits erahnen lässt – einen größeren Wurf.
Aber zunächst geht es zurück. Weit zurück. Wir bekommen Kim als Mädchen zu sehen. Alleine des Nachts an der Schule nach dem Musikunterricht warten. Ihre Mutter kommt zu spät und hat dazu getrunken. Ein charakterisierender Moment für Kim, die dort nicht nur Sturheit, sondern auch Verletzlichkeit, den Ursprung für Vertrauensprobleme und vor allem das Empfinden von Korrektheit offenbart.
„Perfect, that’s it – press ‚record‘! Aaaand five, four, three, two, … magic!“ (Saul)
In der eigentlichen Erzählung besucht sie Saul im Schönheitssalon. Dort dreht er mit dem guten alten Uni-Filmteam und erhöhtem Aufwand ein paar neue Spots. Die Rolle als aufpeitschender Regisseur ist einfach wie geschaffen für ihn!
Kim will einen Rückzieher vom aufgestellten Plan machen und lieber selbst zuzahlen, damit das leidige Thema endlich ein Ende für alle Beteiligten findet. Ich bin nicht so ganz von dem Hin und Her überzeugt, das sie in den letzten Wochen an den Tag gelegt hat, auch wenn es im Grunde genommen über zum Beisiel den Dissenz mit Rick erklärt worden war.
„Oh god, I’m good.“ (Saul)
Besser gefallen hat mir da schon die Szene mit den auf Howard losgelassenen Protituierten. Natürlich war die eigentlich total unnötig, aber zum einen hat sie Humor in die Folge gebracht (vor allem, als Saul die Synchronisation der Situation übernommen hat). Vor allem hat sie aber gezeigt, dass Saul weiterhin schlecht auf Howard zu sprechen ist, aber eben auch die Damen vor einer direkten Wieder-Verhaftung und somit größeren Strafen bewahren möchte. Effizienz im guten Sinne.
„Saul Goodman during business hours, ’sall the time!“ (Saul)
Es folgt der eigentliche Showdown, der der Episode ihren Namen gibt. Statt auf 45 oder 75 Tausend zu gehen, stellt Saul die Fabelsumme von einer Vier mit sechs Nullen, gefolgt von einem Dollar-Zeichen in den Raum. Er zieht den eigentlich bereits verworfenen Plan eigenständig durch. Ich hatte mir bereits so etwas gedacht, da auch einfach zu viel Zeit in die Inszenierung der Dreharbeiten gesteckt worden war, als dass nicht nur er das Ganze einfach über Bord wirft, sondern wir es nicht auch zu sehen bekommen. Grausig schlechte Fernsehspots, die aber ihren Effekt haben und hätten.
Vor allem wird aber – wie ich vor zwei Wochen vermutet hatte – das Firmenlogo angegangen. Tatsächlich handelt es sich um ein Urheberrechts-Problem, hat Mesa Verde CEO Kevin doch lediglich eine Kopie der zugrundeliegenden Fotografie erworben, statt irgendwelcher Nutzungsrechte für die Reiter-Silhouette. Der Plan geht jedenfalls auf und Saul hat es so geschafft, die kindliche Sturheit Kevins auszunutzen. Hand drauf!
Aber da war ja noch die Sturheit von Kim. Die sieht ihr Verhältnis zu Jimmy gebrochen. Vor allem hat sie auch sehen müssen, dass Jimmy nicht mehr Jimmy ist. Auch vermehrt ihr gegenüber und im echten Leben. Er ist zu Saul geworden, macht seine Winkelzüge 24/7 und auch vor ihr nicht mehr Halt. Auch wenn der Grundgedanke positiv ist und er sich natürlich argumentativ rauswinden kann, ist es doch ein Vertrauensbruch.
„I don’t trust you.“ (Kim)
Den Cliffhanger verstehe ich dagegen weniger. Im Affekt scheint Kims Rationalität eine Fehlfunktion zu haben. Statt der erwartbaren Trennung der beiden, die sie recht offen auf dem Tisch positioniert, folgt eine weitere Option aus dem Nichts: eine Hochzeit?!
„From now on, you report to this man. If he needs you, you do not hesitate. Act!“ (Fring)
Kurz noch zu der anderen Entwicklung dieser Folge. Nacho trifft auf Mike, was gerade in der ersten Szene für massenhaft bad-ass-Shots von ihm und seinem Auto in einer alten Industriehalle führt. Suchen Gangster immer erst mit Location-Scouts die geilsten Treffpunkt raus?
Jedenfalls soll alles zur Einengung Lalos führen. Mike spielt eine Runde Privatdetektiv, was an vielen Orten meiner Meinung nach viel zu einfach funktioniert. Aber gut, er weiß, wie er Leute steuern und mit ihren Unsicherheiten spielen kann. Dass die Polizei die wunderlich am gleichen Tag in den Schoß fallenden Hinweise nur kurz in einem Nebensatz erwähnen, wirkt dagegen weniger erklärbar.
„They can have all the credit. I just want justice.“ (Mike)
Ich finde es schwer, diese Folge richtig zu bewerten. Eigentlich hat sie vieles gehabt. Die Geschichte wurde an beiden aktuellen Hauptpunkten immens vorangetrieben. Auch hinsichtlich der Beziehung von Kim und Jimmy, auch wenn wir hier noch auf die konkreten Auswirkungen bis nächste Woche warten müssen. Zudem gab es einige unterhaltsame Momente (teils sogar etwas viel Saul-Moment) zu sehen, und wie gewohnt grandioses Schauspiel und einige sehr schöne Aufnahmen. Alleine aus dieser Salon-Szene hatte ich etliche mögliche Screenshots gesammelt, nur so als Beispiel:
Und doch hat mir etwas gefehlt. Die Folge fühlte sich nicht gänzlich rund an. Irgendwie waren mir einige Entwicklungen zu schnell erzählt. Das passte nicht ganz zur sonstigen Darstellungsweise der Serie. Vielleicht nimmt gerade einfach nur das Tempo Richtung Staffelfinale an oder man hat gemerkt, dass bis zur sechsten und letzten Staffel noch zu viele Dinge erzählt werden wollen. Aber irgendwie ging ich aus der Folge mit einem „das war gut, aber nicht ganz so gut, wie einige der Folgen zuvor“-Gefühl. Entsprechend gehe ich mal auf 3,5 Kronen, auch wenn sich das eigentlich viel zu schlecht anfühlt, ist „Better Call Saul“ doch – vor allem im Quervergleich zu anderen Serien, die ich aktuell sehe und hier bewerte – noch immer auf sehr hohem, stabilem Niveau. Eigentlich wäre eine Vier wohl treffender, aber ich will nicht allen Folgen einfach eine Vier geben…
Bilder: amc
Kim hat zwar eine Art Ultimatum gestellt, aber in Wirklichkeit bedeuten beide Optionen eine Trennung. Sie könnte nicht von sich aus einfach Jimmy verlassen. Sie wirft einfach den Ball rüber, so dass sich Jimmy entscheiden muss, entweder die Sache zu beenden oder sich vor der Hochzeit drücken, was auch die Trennung bedeute. Also ich denke, dass die Persönlichkeit „Saul Goodman“, die gerade in hochform ist, Kim nicht heiraten möchte. Allein aus Gewissensgründen, Kim nicht würdig zu sein. Er würde ihr mehr Schaden zufügen als ein guter Ehemann zu sein. Das wiederum weißt Kim`s Intellekt zu berechnen.
Weil ich mich in den Charakteren wiederfinde, habe ich vielleicht zu viel hineininterpretiert. Nur Gedankenspiele..;-)
Ach was, sowas von keine schlechte Interpretation! :)
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