Da ist sie also, die letzte Staffel „Better Call Saul“. Die Erwartungshaltung könnte nicht größer sein. Eigentlich kein gutes Vorzeichen für ein großes Finale, man denke nur an „Game of Thrones“. Andererseits ist „Better Call Saul“ nie eingebrochen und hat die vergangenen fünf Staffeln immer großartig unterhalten. Das Einzige, was man der Serie vorwerfen kann, ist dass sie sich etwas mehr Zeit nimmt als andere Serien. Aber das macht auch den speziellen Charme der „Breaking Bad“ Prequel Serie aus.
Das Intro zu der ersten Folge begeistert mich sofort. Wir sehen, wie die spätere Protzkanzlei von Saul Goodman komplett geräumt wird. Die Bildästhetik geht hier auf ein neues Level. Wie die Krawatten in Zeitlupe in das Bild fallen, zunächst ohne Farben und später werden sie immer bunter – genial. In den vorangegangenen Staffeln sahen wir manchmal Szenen aus Jimmys Zukunft zum Beginn einer Folge, in welcher er untergetaucht mit einer anderen Identität lebt. Diese Szenen waren schwarzweiß, jetzt sehen wir die nahe Zukunft und vielleicht ist das Intro deshalb in Farbe? Oder es gibt keinen Hintergedanken und die Farbe musste sein, da man sonst den ganzen Protz – ich denke dabei an das goldene Klo – nicht genießen könnte. Und wow, was Jimmys Alter Ego ‚Saul Goodman‘ alles angesammelt hat. Wenn man an die letzte Folge der fünften Staffel denkt, dann fühlt sich das schon als deutlicher Kontrast an und ich frage mich, wie es Jimmy schafft, so viel Geld in einer Staffel anzusammeln, so dass wir hier enden? Oder wird die Serie doch nicht komplett zu „Breaking Bad“ aufschließen? In jedem Fall ist mit diesem kurzen, aber imposanten Intro die Bühne für das große Finale vorbereitet.
Nach diesem imposanten Intro knüpft die Handlung direkt am Ende der fünften Staffel an. Nacho ist auf der Flucht. Er bekommt einen Anruf, dass Lalo tot ist. Nun muss er sich in Sicherheit bringen. Derweil ist Lalo auch auf dem Weg. Er bekommt Kaffee von ihm bekannten Leuten auf dem Land. Es wird angedeutet, dass er den Mann dieser einfachen Familie tötet. Warum, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht will er, dass wirklich keiner weiß, dass er noch lebt? (Update: Die Lösung dieser Frage findet sich in den Kommentaren :-)) Oder mir ist eine Handlung aus der fünften Staffel entgangen? An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass „Better Call Saul“ zwar langsam ist, aber man schon sehr gut aufpassen muss, wer mit wem und warum Intrigen schmiedet. Zumindest wenn zwischen den Staffeln mindestens ein Jahr liegt. Und vielleicht ist die langsame Erzählung gemixt mit den intensiven Verstrickungen und Abhängigkeiten der Charaktere, die man aus den Gesichtern lesen muss, auch das Erfolgsrezept der Serie. Aber zurück zur Handlung der Folge. Nacho bekommt die Schuld für das Killerkommando, so dass Gus aus der Schusslinie kommt. Für Nacho scheint es auch einen Rettungsplan zu geben, aber ob Gus ihn wirklich retten will, ist noch nicht klar. Gegenüber Mike sagt unser Fastfoodketten-Inhaber nicht, was er vorhat. Mike wird sogar von Nacho angerufen, aber er geht nicht ran und bleibt vorerst gegenüber Fring loyal. Aber man spürt, dass er dem jungen Nacho helfen will und nicht so kaltherzig ist wie Fring. Und ja, ich merke gerade auch, dass Mike selbst auch nicht gerade ein netter Mensch ist, aber etwas mehr Wärme als Gus Fring trägt er schon im Herzen.
Parallel arbeitet Lalo an seinem Comeback aka Rache. Ein bisschen übertrieben ist dieser Charakter schon, wenn man ehrlich ist. Er humpelt nach den Ereignissen in seinem Haus, kann aber dennoch einfach so zwei bewaffnete Schleuser-Schergen überrumpeln. Aber auch wenn er fast schon unrealistisch mächtig inszeniert wird, sein Grinsen und seine Verschlagenheit machen einfach viel Spaß. Lalo, gespielt von Tony Dalton, ist ein absoluter Gewinn für die Serie. Was mich auch freut, ist dass er seinen Onkel mit der Glocke nicht vergisst. Und obwohl Onkel Hector nicht mehr sprechen kann, mit dem Vorsagen des Alphabets und der Klingel kommt Lalo dann doch zu seinem Rat. Stephen Hawking lässt grüßen.
Jimmy und Kim merken nichts von dem Ärger, der sich da in Mexico zusammenbraut. Jimmy ist tatsächlich noch sehr am Grübeln. Maik interpretierte im Review zum Finale von Staffel 5 sein Handeln und Zögern so, dass er Angst um Kim hat, da er ja nun ein Freund des Kartells ist. Kim ist dagegen Feuer und Flamme und unterstütz ihn sogar. Sie hat die Ideen, wie Saul Goodman auftreten soll. Sie überlegt, wie sie Howard in die Pfanne hauen können, damit Jimmy an seine Millionen vom Sandpiper Fall herankommt. Man kann vergleichen mit einem Drogensüchtigen, der durch seinen Partner „enabled“ wird, seine Sucht auszuleben. Und genauso ähnlich hat sich diese Beziehung entwickelt. Wer hätte das gedacht? Kim Wexler, die Frau, die sich für ihr Gewissen und gegen das große Geld entschieden hat. Nach außen ist sie der Engel und Jimmy der Teufel, in der Beziehung scheint es inzwischen fast umgekehrt zu sein. Ich finde diese Vielschichtigkeit genial. Und apropos Sandpiper, damit würde sich auch der Protz aus der Intro-Szene erklären – der (kleine) Kreis schließt sich also.
Aber auch neben den Ereignissen, die jeden Hobby-Beziehungs-Psychologen erfreuen und zu Interpretationen anregen, freut uns alle auch der Auftritt des klassischen Jimmys. Wie er in dem Golfclub improvisiert und es am Ende tatsächlich schafft, Howard ein Tütchen mit angeblichen Drogen unterzuschieben, großartig.
Was soll man sagen? Die Serie bleibt auf Kurs. Die Geschwindigkeit, die Vielschichtigkeit und vor allem die Qualität bleiben auf dem Level, das wir gewohnt sind. Ich für meinen Teil hätte mir nicht mehr wünschen können. Was meint ihr?
Bilder: AMC / Netflix
Ich bin auch begeistert, allein die Eröffnungsszene mit den schon erwähnten Krawatten und dem Saul Goodman Aufsteller der hochkant in den Müll befördert wird, großartige Bilder. Auch wie man den ganzen Salamanca Clan inszeniert, ein Lalo ist für mich furchteinflößender als jeder 0815 Bösewicht aus anderen Serien und das obwohl man ja (bisher?) nie übermäßig brutale Szenen zu Gesicht bekommt.
Er tötet den einfachen Mann, weil er eine Leiche für sich selbst benötigt. Deshalb auch das Bestehen auf den Schnurrbart und das spendierte Gebiss. Später wird erwähnt, dass der Zahnabdruck der Leihe zu Lalo passt.
Danke! Anscheinend war da mein Hirn noch oder wieder bei der Intro-Szene, so dass ich es nicht gecheck hab.
Sauls Haus wird erst nach BB geräumt. Er hat noch ein paar Jahre um Geld anzuhäufen :)
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