Auf dem kanadischen Sender City läuft wöchentlich eine neue Folge der zweiten Staffel von „Between“, auf Netlix ist die komplette Season aber bereits seit 1. Juli verfügbar. Ich habe mir die sechs Episoden angeschaut und möchte euch ähnlich wie beim Serientipp vergangenes Jahr eine recht spoilerfreie Einschätzung dazu geben. Denn mit den nunmehr insgesamt 12 Folgen ist die Mini-Serie noch immer recht fix aufzuholen, solltet ihr noch nicht begonnen haben. Wer nur eine bildliche Einstimmung zur Staffel möchte, schaut sich den Trailer an.
Die Ausgangslage
Für alle, die noch gar nichts von Between gehört haben. Im kleinen Städtchen Pretty Lake beginnen nach und nach Menschen an einer Krankheit zu sterben. es stellt sich heraus, dass alle über 21 zugrunde gehen. Die Stadt wird in Quarantäne versetzt und die „Kids“ übernehmen die Kontrolle. Es entsteht ein Drama aus sozialem Missstand und vor allem Misstrauen gegenüber den Behörden, die linke Dinger versuchen.
Interessante Figuren
Schnell habe ich gemerkt, wie sehr sich einige Figuren in den ersten sechs Folgen etabliert hatten. Ja, vielleicht sind einige überzeichnete Stereotypen, aber es sind eben Charaktere, die alle irgendwie hängen bleiben. Bis auf natürlich die rund 500 Statisten (also vermutlich nur 20), die immer mal zu sehen sind, aber nicht einen Satz sagen dürfen. Das ist etwas schade, wird doch von einer Stadt / Gemeinschaft / Gruppe gesprochen, am Ende dreht sich aber alles um den Haupt-Cast. So wie auch bei der neuen Figur Renee, die so mysteriös ist, dass sie natürlich mit zwei „e“ am Ende geschrieben werden muss.
Das Negative
Aber sie hat einen coolen Style, muss man ihr lassen. Unglaublich uncool – um nicht zu sagen: so dämlich, dass es nervt – ist das nicht vorhandene Raum- und Zeitgefühl in der Inszenierung. Angeblich ist Pretty Lake so riesig, dass viele Figuren einzelne Abschnitte noch nie gesehen haben (und so sogar Cast-Neuzugänge erklärt werden, die aus dem Nichts erscheinen), aber von Punkt X zu Y sind es stets gefühlte Sekunden und Meter. Vierzehnjährige sind plötzlich an einem Ort, an dem sie mit dem Auto gefahren sein sollen, obwohl jemand anders deutlich vor ihnen losgefahren ist. Alle treffen dann aufeinander und zusammen, wenn sie es gerade müssen und sollen – das wäre mit einem größeren Cast sicherlich eleganter zu lösen gewesen. Und wer passt eigentlich auf die Waisenkleinkinder auf, wenn die Interims-Betreuerin ständig woanders unterwegs ist?!
Hinzu kommen unstringente Erklärweisen. Gab es in Staffel Eins noch massig Fluchtversuche, die eindrucksvoll im Keim erstickt wurden, gibt es jetzt sowohl übermenschliche Sicherheit als auch absolut naiv-dumme und unvollständige Kontrolle zu sehen – je nachdem, wie es gerade sein muss, damit sie Story fortläuft.
Das Positive
Aber das klingt nun alles sehr meckerig. Es gibt eben auch vielversprechende Story-Arcs und kleinere bis mittelgroße Twists, die sich zwar teils zu überbieten versuchen, insgesamt aber ein ganz gutes Pacing hinlegen, so dass es stets spannend und unterhaltsam bleibt. Habe die Staffel an drei Tagen gesehen, was Indiz genug sein dürfte. Aufgefallen ist mir zudem die sehr gelungene Visualisierung von Texten auf Smartphones, Laptops und Co. Eine gute Alternative, um keine eigentlichen Displays und gefaketen Darstellungen zeigen zu müssen (denn die, die gezeigt wurden, waren grausam).
Ein, zwei nette Moves waren dabei und vor allem bei Ronny kann man die fehlende Stringenz in der Führung des Charakters auch als Unberechenbarkeit der Figur auslegen. Ich mag den noch immer sehr (zumal dieses Mal auch etwas tiefer in der Psyche geforscht wird). Eigentlich war auch ganz gutes Schauspiel zu sehen – zumindest vom Großteil und meistens. Nur manchmal war es dann doch noch überzogen und zu wechslerisch in der Darstellung. Aber vielleicht liegt das auch am Teenagerdasein der Figuren (was jedoch bei Darstellern deutlich über 21 Jahren nicht immer glaubwürdig rüber kommt).
„Let’s just hope we save more lifes than we take.“
Und die kleinen Dinge und Fragen: Wie frisieren die sich bitteschön? Das zeigt sich auch schön am Ende, als es einen Zeitsprung gibt, die Figuren aber noch immer genauso aussehen. Wenigstens haben sie das Shirt gewechselt, aber da möchte man einfach nur Schreien, bei solcher Dummheit. Und ja, das Ende, das eigentlich einen Abschluss aber eben auch die Chance auf ein weiteres Kapitel bietet. Und sich dann dreht. Und nochmal dreht. Und dreht – bis es wieder einen Abschluss und ein weiteres Kapitel bieten kann.
Hm, irgendwie hatte ich gedacht, ich hätte der ersten Staffel drei Kronen gegeben – habe ich aber gar nicht. Und weil ich die zweite dann doch in sich kompakter und spannender und kurzweiliger empfand, muss es eben eine halbe mehr sein (nur, damit ihr wisst, weshalb ich bei den vielleicht etwas zu gut erscheinenden vier lande). Damals hatte ich jedenfalls geschrieben:
„Und wer weiß, vielleicht werden die Macher aber auch erwachsen und verblüffen uns mit einer zweiten Staffel.“
Ein wenig ist es geglückt, aber viele Kinderkrankheiten sind noch immer zu sehen. Die Macher sind eben auch nur ein Jahr älter geworden und dürften ein minimal größeres Budget zur Verfügung gehabt haben. Insgesamt ist es eine recht schöne Skalierung gewesen, die auch Lust auf Staffel 3 macht. Noch immer wirkt es nicht wie ein Netflix Original (obwohl es noch immer stolz als solches deklariert wird vom Anbieter), sondern eben wie eine Koproduktion mit einem kanadischen TV-Sender (nichts gegen kanadisches Fernsehen, habe ich nie wirklich gesehen). Aber noch immer ist es eine kleine Hass-Liebe bei mir. Die Story, Figuren und vielschichtigen Elemente sind derart vielversprechend, dass die richtigen Leute darauf eine neue Überserie hätten machen können. Mit den nicht ganz richtigen Leuten (und Budgets) bleibt es dann aber eben eine interessante Geschichte, bei der man häufiger die Logik und kritischen Gedanken ignorieren muss, als man „Wow“ denkt.
Am Ende war ich aber dann doch unterhalten – denn selbst das darüber Aufregen macht ja irgendwie Spaß. Man fühlt sich so viel besser, weil man es ja selbst toller gemacht hätte, all die Fehler und ausgelassenen Möglichkeiten sieht. Und vielleicht wollte die Serie ja genau das – irgendwo „between“ großartig und unkomplett sein. Geschafft!
Bilder: City / Netflix
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