In Sachen „Big Little Lies“ war ich kürzlich gleich zwei Mal überrascht: Zum einen, dass ich die Serie so lange auf meiner Watchlist geparkt hatte, und zum anderen, dass wir hier auf dem Blog bislang nur ein Review zur Pilotfolge veröffentlicht haben, sonst nichts weiter. Deswegen: Auch wenn die Premiere der Serie schon drei Jahre zurück liegt und wir gerade sogar die Free-TV-Premiere erleben, schiebe ich hier nochmal ein Review der 1. Staffel nach.
Denn es soll für jeden ein Ansporn sein, sich die Serie vorzunehmen, der wie ich bis vor kurzem die Serie auf der Watchlist vor sich hinschlummern ließ. Schließlich lohnt sich „Big Little Lies“ in vielerlei Hinsicht: Wir bekommen eine spannende Story serviert, mit einem überzeugenden und prominent besetzten Cast, aus der Feder eines etablierten Serienschöpfers, inszeniert von einem eingespielten Regisseur-/Cinematography-Team. Aber der Reihe nach.
In „Big Little Lies“ geht es um fünf Frauen, die mit ihren Familien in Monterey leben. Alles extrem unterschiedliche Charaktere, die ihre jeweils ganz eigenen Ziele verfolgen, mitunter große Probleme und dunkle Geheimnisse haben und deren Wege sich laufend in unterschiedlichen Konstellationen kreuzen. Wir starten allerdings mit polizeilichen Ermittlungen an einem Tatort – eine Szenerie, auf die unsere Staffel die restlichen sechs Folgen lang draufzulaufen wird. Wir springen allerdings erst einmal einige Zeit zurück, bekommen eine stringente Geschichte erzählt, die nur zwischendurch unterbrochen wird von Kommentaren verschiedener Akteure, die sich später als Aussagen in Polizeiverhören entpuppen.
Die restlichen Folgen haben wir also im Hinterkopf, dass irgendjemand sterben wird, und dass mutmaßlich jemand der Täter sein wird, doch das wird natürlich erst ganz am Schluss aufgelöst. Bs dahin dürfen wir ein bisschen spekulieren, wobei sowohl die Täter- als auch die Opferseite schon recht eingeschränkt ist. Aber selbst wenn schon früh die eine oder andere Seite aufgedeckt würde, wäre es für die weiteren Handlungen in den sechs Folgen nicht tragisch: David E. Kelley gelingt es nämlich, auch abseits des Hauptstrangs interessante Geschichten zu entwickeln. Der Serienschöpfer, der uns schon „Ally McBeal“, „Boston Legal“ und „Goliath“ geliefert hat, versteht es hier, sich intensiv auf die Charaktere einzulassen und diese behutsam zu entwickeln. Das macht er mit höchster Sorgfalt, so dass sich die Figurenbilder im Kopf bei uns Zuschauern Folge für Folge entwickeln können.
Hier profitiert Kelley natürlich von seinem exzellenten Cast: Reese Witherspoon, Nicole Kidman, Shailene Woodley, Zoë Kravitz und natürlich Laura Dern – allein diese fünf Namen in einer Serie bedeuten eigentlich eine Einschaltpflicht. Und so liefern auch alle überzeugende Leistungen ab, aus meiner Sicht vor allem Nicole Kidman und Laura Dern. Und als wenn das nicht genug wäre, hat sich Kelley auch noch das Team Jean-Marc Vallée und Yves Bélanger an Bord geholt, die seit Jahren ein eingespieltes Team und für ihre starke visuelle Arbeit bekannt sind. Vallée inszeniert besonders bedrückende, ausweglos wirkende Momente, Bélanger setzt sie brillant in Szene. Er erzeugt eine hier und da schon fast unheimliche Nähe zu den Figuren. Und beide spielen intensiv mit hellen und dunklen Bildern, lassen auch gerne einmal die Bilder in aller Stille wirken. Bedrückend, beklemmend, zum Nachdenken anregend.
Alle gemeinsam schaffen gerade im Staffelfinale dann besondere Momente, wenn aufgelöst wird, wer Opfer und wer Täter ist – wobei gerade das in beide Richtungen gedeutet werden kann. Opfer werden zu Tätern, Täter zu Opfern – das ist natürlich der Clou in Kelleys Geschichte, aber auch in Vallées und Bélangers Inszenierung. Da muss im entscheidenden Moment nichts erklärt werden, nichts besprochen werden. Wir verstehen alles, lesen es von den Mimiken der Darstellerinnen aber, ziehen Schlüsse, verstehen Zusammenhänge. Man befürchtet die ganze Zeit, dass jetzt platte Erklärungen kommen, Absprachen erfolgen, langatmige Verhöre erfolgen – aber das sparen sich Kelley, Vallée und Bélanger gänzlich. Wir werden stattdessen mit Meeresrauschen, weitläufigen Perspektiven, sprachlos interagierenden Darstellerinnen abgeholt. Für mich ein stimmiges Ende der Staffel, ja eigentlich sogar für eine Serie – wenn es nicht noch eine 2. Staffel geben würde, an die ich mich jetzt schnell begeben werden. Denn noch einmal so lange werde ich „Big Little Lies“ nicht liegenlassen – das hat die Serie nicht verdient.
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