„Big Sky“ war eines der Highlights, als Disney+ vor einigen Monaten den Streamingdienst um den Erwachsenen-Bereich „STAR“ erweitert hatte und die Serie von David E. Kelley als eines der STAR Originals platzierte. Die Produktion der 1. Staffel hatte stark unter den Corona-Bedingungen zu leiden, so dass es auch hier zu Produktionsverzögerungen kam, und zu einer Zweiteilung der Staffel. Zu den Folgen 1-9 hatte ich bereits ein wohlwollendes Review verfasst, dieses Review hier befasst sich mit den Folgen 10-16.
Sowohl in meinem Serientipp als auch im Review zu Staffel 1A hatte ich die ersten sichtbaren Ansätze gelobt, die direkt den Einfluss von Serienschöpfer David E. Kelley erkennen ließen, unter anderem den verzwickten Kriminalfall, die clevere Anwältin und der sich abzeichnende Gerichtsprozess. Zu dem kam es am Ende von Staffel 1A leider nicht, auf den hatte ich dann aber in Staffel 1B spekuliert, ja mich sogar ziemlich drauf gefreut. Welche Register würde David E. Kelley wohl ziehen, um die Rollen von Opfern und Tätern aus allen Blickwinkeln zu beleuchten? Welche Argumente würden vor Gericht zählen, welche Wahrheiten würden noch ans Licht kommen?
Die kurze Antwort: gar nichts. Denn vor Gericht ziehen wir auch in der zweiten Hälfte der Staffel nicht, leider. Stattdessen kommt zur Jagd auf den flüchtigen Ronald Pergman ein zweiter Fall, der Jenny Hoyt in ihr Heimatstädtchen führt. In der Folge switchen wir immer zwischen diesen Fällen hin und her, und ich muss leider sagen – alles daran ist schlecht.
– Die Autoren bauen keinerlei Verbindungen zwischen diesen beiden Fällen auf, so dass man sich am Ende fragt, warum es überhaupt dieses parallelen Handlungsstränge geben musste.
– Ronald mutiert vom leicht gestörten Entführer zu einem skrupellosen Täter, dem irgendwann alle Mittel recht sind, um davon zu kommen. Dieser Wandel des Charakters wird leider nicht sehr glaubwürdig erzählt, so dass man sich darüber auch nur wundern kann.
– Ich hatte so darauf gehofft, dass Denise Brisbane, die in der Detektiv-Agentur arbeitet, noch eine tragende Rolle bekommt, dass sie irgendetwas verbirgt oder irgendwas mit den Fällen zu tun hat. Aber leider bleibt sie nichts als die Assistentin von Jenny Hoyt und Cassie Dewell.
– Apropos Cassie und Jenny: Beide steigern sich so in die Fälle hinein, dass vom Privatleben nichts mehr übrig bleibt. Sie sind tagelang unterwegs und haben keinen Kontakt zur Familie – wofür sich Jenny zum Beispiel erst ganz am Ende wenigstens entschuldigt. Aber das ist dann doch schon sehr unglaubwürdig, zumal die beiden ja vollkommen im eigenen Interesse unterwegs sind – zumindest kann ich keinen zahlenden Auftraggeber erkennen.
– Die Geschichte auf der Kleinsasser Ranch ist dann wirklich banalstes US-Fernsehniveau: Der alternde Familien-Patriarch, der seine Kinder um das Erbe wetteifern lässt, die total klischeebehafteten und so simpel gezeichneten Charaktere, die einfallslosen Namen von Horst bis John Wayne – das ist alles total unglaubwürdig und grotesk, dass man an einigen Stellen schon fast loslachen möchte, wenn es nicht so traurig wäre, dass man hier Stunde um Stunde bei „Big Sky“ verschenkt.
– In den letzten Folgen wirkt jede Handlung nur noch albern und unsinnig, so dass man schon fast mit den Autoren mitleidet und nochmal darüber nachdenkt, an welcher Stelle sie denn wohl tatsächlich den Faden verloren haben.
– Ganz übel wird’s dann am Ende, wenn Ronald plötzlich Unterstützung erfährt und sich auch aus dieser Situation retten kann – durchsichtiger geht’s nicht. Und mit dem Bild der Rächerin Cassie Dewell, die sich mal eben Maschinengewehr und Streifenwagen schnappt, um Ronald zu verfolgen, endet dann ein Set von Folgen, das noch enttäuschender als alle bisherigen „The Walking Dead“-Fehltritte daher kommt. „To be continued“ wird zum Schluss eingeblendet – sicher nicht für mich. Ich bin durch mit „Big Sky“, habe aber immerhin schon für den Jahresrückblick die Rubrik „Enttäuschung des Jahres“ gefüllt.
Ich habe nochmal überlegt, woran es denn jetzt gelegen hat, dass ich Staffel 1B als so schlecht empfunden habe. Vielleicht waren es die hohen Erwartungen an eine David E. Kelley-Serie, vielleicht die enttäuschte Vorfreude auf einen langen Kampf vor Gericht. Aber wenn man ganz ehrlich ist, muss man wirklich sagen, dass die Geschichte wirklich mit unterirdischen Dialogen und Handlungen und wirklich schlechten Inszenierungen zu Ende erzählt worden ist. Und wenn man mal auf die Autorenriege und die Namen der Regisseur:innen schaut, dann fällt auf, dass man hier in der 2. Hälfte der Staffel auf absolute No Names gesetzt hat: Matthew Tinker, Annakate Chappell oder Morenike Balogun waren bislang maximal als Assistenten von David E. Kelley bei dessen Produktionen wie „Big Little Lies“ oder „Goliath“ dabei und haben hier ihre erste größere Autorenverantwortung. Was sie abgeliefert haben, ist leider so gar nicht überzeugend, leider. Deswegen die klare Empfehlung an alle, die sich „Big Sky“ vornehmen, nach Folge 9 einfach aufzuhören.
… auch hier stimme ich voll und ganz zu.
Speziell der oder die „Bösewichte“ waren mehr als lächerlich und gegen Ende nicht mehr Ernstzunehmen.
Großes Rätsel ist, warum überhaupt zwei Geschichten erzählt wurden, völlig zusammenhanglos?!
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