Seit 12. Mai ist die neue Serie „Black Knight“ bei Netflix zu sehen. Wir hatten euch im April bereits mit grundlegenden Informationen sowie dem offiziellen Trailer zum koreanischen Original versorgt, jetzt möchte ich an dieser Stelle möglichst Spoiler-arm über die komplette Staffel schreiben (der Netflix-Serie, nicht von dem zugrundeliegenden Webtoon, der leider aktuell nicht mehr in Gänze kostenlos online einsehbar zu sein scheint). Sechs Folgen á jeweils rund 45 Minuten Laufzeit hat das postapokalyptische Abenteuer um Paketboten, Sauerstoffmangel und Klassengesellschaften zu bieten.
Coolness statt Logik
Hauptfigur ist 5-8 (gesprochen „Fünf-Strich-Acht“), ein Kurier oder auch sogenannter „Black Knight“. Also, angeblich, denn in der kompletten Serie taucht dieser Begriff glaube ich nie konkret auf. Kim Woo-bin spielt den übercool-souveränen Lieferanten mit besser Kampfausbildung als die meisten Geheimdienstleistenden ziemlich überzeugend, vor allem, was den lässigen Blick anbelangt. Allerdings beginnt bereits bei seiner Charaktereinführung das schlechte alte Klischee der unterschiedlichen Treffsicherheit zwischen Guten und Bösen. Er trifft so ziemlich alles und jeden während ihm eine ganze Gruppe an Maschinengewehren nichts anhaben kann – die schaltet er alle im Nahkampf aus, klar doch.
„Wer ist da?“ – „Ich bin Kurier und hier, um dich zu holen.“
Natürlich muss eine Serie über eine Luft-verpestete Zukunft, in der Science-Fiction-Technologie das Überleben der Menschheit sichern soll, nicht wissenschaftlich korrekt sein und jegliche Logikprüfungen bestehen können. Da schalte ich auch gerne mal den Kopf aus. Aber solche Inkonsequenzen in der Kampfdarstellung sind lächerlich und eigentlich nicht allzu schwer zu lösen. Die Boten tragen doch überweite Jacken – die könnten doch zum Beispiel schusssicher sein, um mal eine technische Lösung parat zu haben.
Was mich auch etwas genervt hat, ist, dass es eigentlich gar nicht um das Botendasein geht. Exemplarisch sagt 5-8 in einer Szene auf die Frage, wo er denn hin wolle, dass er nun mal ein Bote sei und eine Lieferung ausfahren muss, was in der Situation irgendwie surreal wirkt. Ganz zu Beginn und in der vorletzten Episode gibt es wirklichen Botenalltag zu sehen, ansonsten ist die berufliche Stellung dieser Figuren offenkundiges Mittel zum Zweck einer Erzählung.
Klassengesellschaftskritik & gutes Set-Design
Was mir grundsätzlich gut gefallen hat, ist die visuelle Inszenierung der versandeten Welt. Das Set-Design ist hier und da etwas künstlich wirkend aber insgesamt ganz cool geraten. Sei es nun die post-apokalyptische Außenwelt, das Corporate Design der fiktiven Überfirma mit ihren Kurier-LKW oder auch das imposante Architekturdesign der Gebäude im Zentraldistrikt. Auch fand ich ganz nett, dass am Ende einer jeden Folge der Comic-Vorlage mit Zeichnungsfiltern Tribut gezollt wird (auch wenn Leute, die nichts von der Vorlage wissen, wohl verwirrt sein dürften ob dieses aus dem Nichts erscheinenden Art-Stiles…).
Die Grundgeschichte birgt einige relevante und gut skizzierte Probleme, die sich auch auf unsere heutige Gesellschaft übertragen lassen. Ähnlich wie bei „Snowpiercer“, wo die Menschen in wortwörtliche (Zug-)Klassen eingeteilt werden, leben Menschen auch in dieser fiktiven Zukunftswelt in unterschiedlichen Bereichen, die mit entsprechenden Rechten einhergehen. Hinzu kommen Analogien zu den Entwicklungen, die wir im Zuge der Coronavirus-Pandemie durchmachen mussten. So wäre zum Beispiel ein besseres und faireres Leben für alle Menschen möglich, wenn auch jene der oberen Klassen Atemmasken tragen würden. Aber nein, wo kämen wir denn da hin?! Ganz unten ringen die lediglich leidlich beachteten Flüchtlinge um das Überleben, müssen Sauerstoff teuer bezahlen und haben nicht einmal einen identifizierenden QR-Code auf die Handrückseite tätowiert. Ein aussichtsloses Leben. Denn ein Wechsel heraus aus der Klasse, in die man geboren wurde, ist kaum möglich. Lediglich der Status eines Kurieres bietet einen denkbaren Ausweg.
Potenzial leider nicht ausgeschöpft
Einer, der dieses Ziel anstrebt, ist Flüchtling Yoon Sa-Wol. Eine Figur, die seltsam gezeichnet ist, da sie erst als überdurchschnittlich kampftalentiert dargestellt wird, dann als viel zu schwach, um eine magische Trainingsmontage später supertoll zu sein. Naja, in Sachen Charakterentwicklung liegt eh der Hund begraben bei „Black Knight“, bleiben doch viele Figuren so flach wie das Papier, auf dem man die Comicvorlage ausdrucken könnte.
Nicht nur dort konnte angedeutetes Potenzial nicht ausgeschöpft werden. Als zum Beispiel im Zuge eines Wettbewerbes unterschiedliche Ausscheidungsrunden angekündigt wurden, habe ich kurz Hoffnung gehabt, wir könnte ein Level wie bei „Squid Game“ oder „Alice in Borderland“ erreichen. Aber nein, die Situation wird viel zu kurz und unbedacht präsentiert. Zu wenige Runden, die zu zaghaft angefasst worden sind. Die erste zum Beispiel: Wieso zeigt man nicht erst, wie die Kontrahent:innen sich fragend umschauen, unterschiedliche Taktiken ausprobieren und sich DANN entschileßen, aufeinander los zu gehen? Nein, es wird direkt gekloppt, als wüssten alle, was zu tun ist.
Auch haben sich einige kleinere und größere Logik-Lücken ergeben (z.B. der Body-Scanner zu Beginn der Kurier-Auswahl, der alles mögliche misst, aber nicht mitbekommt, das jemand Knochen aus Stahl haben soll?!). Zudem herrscht ziemliche Vorhersehbarkeit, was die Handlung angeht, so dass auch einige versuchte größere Twists nicht wirklich bei mir fruchten konnten. Und erhält man eigentlich keinerlei Einweisung, wenn man einen neuen Job beginnt?!
Das Ende ist dann auch eher stumpf geraten und geht schnell vonstatten. Die letzten wenigen Minuten bieten noch minimale Aufarbeitung, aber so richtig zufrieden sitzt man dann nicht vor dem Bildschirm, wenn der finale Abspann einsetzt.
Das war dann leider doch lediglich durchschnittliche Serien-Kost. Das ist schade, birgt die Geschichte an vielen Ecken und Enden Potenzial, das aber schlichtweg unzureichend umgesetzt wird. Vor zehn Jahren hätte die Serie vermutlich noch mehr imponieren können, aber mit dieser flachen Darbietung kann man heutzutage eben nicht mehr groß auftrumpfen. Schlecht war das nun auch nicht, vor allem, weil man die sechs Folgen verhältnismäßig schnell durch hat und einem ein Ende geboten wird, an dem man guten Gewissens mit der Serie abschließen kann. Eine allgemeine Serienempfehlung ist es aber keinesfalls. Eher etwas für die Kategorie „Wenn man ein bisschen Abwechslung vom Einerlei braucht und sich gerade nichts anderes anbietet“.
Wird es eine 2. Staffel von „Black Knight“ geben?
Noch ist nicht offiziell bekanntgegeben worden, ob es bei der einen Staffel „Black Knight“ bleibt. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass eine zweite Season geplant ist. Dafür ist mir die Geschichte inhaltlich zu abgeschlossen. Außerdem dürfte die Produktion verhältnismäßig teuer gewesen sein für die schwächeren Kritiken, die einlaufen. Ja, „Black Knight“ hat es in vielen Ländern in die Top 10 der Statistiken geschafft, aber das dürfte dem Interesse an einer Neuproduktion zufolge gewesen sein. Neue Folgen dürften diese Werte nur schwer erreichen können, schätze ich.
Bilder: Kim Jin-young/Netflix
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