Die Folgen 16 und 17 fasse ich nicht nur aus Zeitgründen zusammen, nein, für mich stellen sie auch die Klammer für eine episodenübergreifende Story dar, so dass es Sinn macht, beide Episoden zusammen zu betrachten. Den Einfall der Autoren, die episodenübergreifende Handlung nicht an einem Fall aufzuhängen sondern an eine Person zu binden, kann ich nur gut heißen. Denn, das sollte nun jedem klar sein, wer eine Serie wie „Blindspot“ verfolgt, tut dies nicht aufgrund der behandelten Fälle sondern weil er den übergeordneten Faden mag und natürlich die Figuren und deren diese verkörpernden Schauspieler. Und die Person, die hier im Mittelpunkt steht, ist Patterson und ihre weiterhin vorhandenen Schuldgefühle ihrem ermordeten Freund David gegenüber.
Damit treffen die Autoren in meinen Augen voll ins Schwarze, dürfte sich die von Ashley Johnson dargestellte Laborexpertin im Laufe der ersten Staffel doch zu einer der sympathischsten und bestimmt auch beliebtesten Figuren der Serie entwickelt haben. Und möglicherweise hatten die Autoren mit dieser Entwicklung nicht gerechnet, denn mir kam die episodenübergreifende Story irgendwie „out of the sonstige Handlungsfaden“ vor. Dafür war sie dann doch irgendwie zu … nennen wir es mal mysteriös. Und „Blindspot“ mag zwar vieles sein aber bestimmt nicht mysteriös.
Any Wounded Thief
Die Episode beginnt mit einer Überraschung. Für Jane. Denn Taylor, also ja eigentlich sie selbst, hat heute Geburtstag und auch wenn sie sich daran natürlich nicht erinnern kann, ist sie ein wenig gerührt. Denn natürlich hat Weller es nicht vergessen und ihr auch ein kleines Kästchen mitgebracht. Wie alt Jane wurde, wurde übrigens nicht erwähnt. Jane freut sich sichtlich über das kleine Geschenk, eine Kette ihrer Mutter, die Kurt aufgebahrt hatte, nachdem Taylors Familie weggezogen war und der ganze Kram versteigert und/oder weggeschmissen werden sollte. Oder so ähnlich.
Aber genug der Gefühlsduselei für den Augenblick, richten wir unseren Blick kurz auf den Fall der Woche. Über ein weiteres entschlüsseltes Tattoo, Spuren bei einem überfallenen Transporter und dem Genie von Patterson kommen unsere vier Freunde auf die Spur eines Netzwerkes, welches mit chemische Kampfstoffe in aller Welt handelt. Hier im speziellen geht es um eine Lieferung nach Nordkorea. Dieser Plot erinnerte mich ganz leicht an „The Night Manager“, Richard Onslow Roper und sein Geschäft. Denn wie bei Hugh Laurie und Co entschied man sich entgegen der gängigen Praxis, dass die Bösen nicht immer in Moskau anzufinden sein müssen sondern auch mal in einem anderen Bereich der Welt. Habe ich unter „positiv“ notiert. Gibt ein Sternchen.
Hinter dem Netzwerk steht ein US-General, der seiner eigenen Idee für den Weltfrieden nachgeht. Soweit ich das verstanden habe, lautet diese wie folgt: wenn alle bewaffnet sind, bleibt es die US Armee auch, wird nicht abgerüstet und dann wird alles gut, weil die US Armee nun mal am besten ist und sich somit nie einer trauen würde, mal was wirklich großes anzufangen. Außerdem haben er und seine Kumpels so eine Art Jobgarantie.
Die Kontaktperson zwischen dem General und dem Netzwerk sowie den Nordkoreanern ist eine südkoreanische Unternehmerin, die „schwach“ wurde bei der Vorstellung eines gefüllten Kontos, offiziell angedacht war die Lieferung nämlich an Südkorea. Blöd gelaufen, da man im Laufe der Folge herausbekommt, dass die Nordkoreaner diese chemische Waffe mitten in New York anzuwenden gedenken. Das Anschlagsziel scheint die Börse zu sein, was wohl neben einem Chaos auch zu einem Kurssturz führen würde. Ich vermute mal, dass Nordkorea entsprechende Rücklagen und Einlagen verwaltet, die davon profitieren würden. Nun haben wir also das Szenario, dass irgendwo in New York Sarin Giftgas in größeren Mengen lagert und darauf wartet, losgelassen zu werden.
Natürlich schaffen es unsere vier Freunde, ausgerüstet mit einem Gegenmittel, den Kampfstoff sicherzustellen. Nicht ohne die unvermeidliche Anwendung des Gegenmittels, bei Weller gerade noch rechtzeitig weil er sein Gegenmittel selbstverständlich Jane gab, deren Gegenmittelspritze zerbrochen war. Unter Umständen bei ihrem waghalsigen Sprung durch ein Fenster aus dem ersten Stock in einem Raum voller Menschen, in denen sich auch die Attentäter aufgehalten hatten. Nette Szene.
Gut. Kommen wir wieder zur Gefühlsduselei. Und zu Patterson. Wobei beim Wort „Gefühlsduselei“ ja schon etwas abwertendes mit sich schwingt, was ich hier aber überhaupt nicht meine. Denn über Patterson kommt mal endlich etwas in die Serie, was vorher noch nicht wirklich vorhanden war, aber einer Bindung zwischen Zuschauer und Figuren unheimlich zuträglich ist: Verletzlichkeit, Trauer, Emotionalität.
Sie erhält einen Anruf eines Restaurants und die Nachfrage, ob die Reservierung für den Abend noch aufrechtzuerhalten sei. Den Reservierenden, David, könne man länger schon nicht mehr erreichen. Selbstredend ist Patterson mehr als geschockt, sagt aber nach einer Rücksprache mit dem FBI Psychologen zu, da sie mit dieser Geschichte rund um David abschließen soll. David hatte den Tisch nämlich anlässlich ihrer vor einem Jahr geschlossenen Beziehung reserviert. Was dann passiert und beginnt, ist das Mysteriöse, was ich anfangs meinte und eigentlich so gar nicht in die Serie passt: David taucht auf. Keine Sorge, er taucht nur in Pattersons Fantasie auf. Beide unterhalten sich, als säßen sie wirklich an diesem Tisch. Und nicht nur das, über ein von David vorbereitetes Kreuzworträtsel kommen beide auf die Spur eines weiteren Tattoo Rätsels. Wobei ich für mich nicht unbedingt mitgenommen bzw. wahrgenommen habe, ob diese Kreuzworträtselsache wirklich geschah oder nicht einfach auch zur Fantasievorstellung Pattersons gehörte.
Dadurch, dass das Kreuzwort Rätsel auch im realen Leben – also unserem Leben – in der New York Times am Ausstrahlungstag veröffentlicht wurde, wird das wohl auch in der Serie „real“ gewesen sein.
Patterson beginnt auch endlich mal wieder die entscheidende Frage zu stellen, „wie hängen all diese Tattoos miteinander zusammen“, und so versucht sie bei Mayfair eine Budgeterhöhung für ihr Labor durchzusetzen, da ihr gesamtes Team eigentlich immer nur an einem Tattoo arbeitet und niemand die Zeit hat, das große Ganze zu betrachten. Es wird ihr aber verwehrt.
Noch ein letzter Blick auf unsere zweite Lieblingsfigur: Zapata. Zum Ende der Folge finden wir sie wieder in einer Spielhölle und ihrem Hobby nachgehen. Wenn auch mit einem unsicherem Blick in den Augen und in der Verhaltensweise. Au weia.
Mans Telepathic Loyal
Allerdings ist die Spielhölle nur der Vorwand, um den bereits bekannten CIA Mann mehr ins Spiel zu holen, der taucht da nämlich auch auf und hatte auf Zapata gewartet. Er setzt Zapata zudem den Floh ins Ohr, dass Mayfair nicht die Gute ist, die sie überall vorgibt zu sein. Im Laufe der Folge wächst bei Zapata auch der kritische Blick auf Mayfair und am Ende scheint sie ebenfalls davon überzeugt, dass es sich lohnt, mal einen genaueren Blick auf Mayfairs Handeln zu werfen. Wie wir bereits von Anfang wissen, ist diese kritische Haltung nicht verkehrt. Mayfair selber hat gerade eine gute Zeit, die Fälle werden gelöst, ihr Team ist selten in echter Gefahr und es zeichnet sich eine Schwärmerei an einer Bar ab, die ich aber als inszeniert erwarte, da dies die Schwachstelle bei Mayfair zu sein scheint: ihre Einsamkeit.
Kehren wir nun zu Pattersons Schnitzeljagd zurück. Wenn Mayfair ihr schon nicht ausreichend Personal zugestehen will, dann muss sie ihrer neuen Spur eben selber nachgehen. In ihrer Freizeit. Man hätte denken können, das sie aus ihrem ersten Alleingang gelernt haben sollte, aber diese Gedanken scheinen weit weg zu sein. David ist ja bei ihr. Und so finden sie über Umwege einen wahnsinnigen Serienmörder, Bruder eines Senators und von diesem gedeckt. Es kommt zum Showdown in einem Waldstück und mit einer barfüßigen Patterson, die sich aus ihrer Gefangenschaft mit der seelischen Unterstützung von David befreien und von der Waldhütte der Brüder fliehen kann. Kurz nachdem sich die beiden Brüder bewaffnet auf die Verfolgung machten, trifft auch unser FBI Quartett ein. Die sind über die nächtlichen Recherchen von Patterson ebenso auf jene Brüder gestoßen und kommen, wie sollte es auch anders sein, gerade noch rechtzeitig an, um die Sache glimpflich ausgehen zu lassen.
Zum Ende der Folge verabschieden sich Patterson und David offensichtlich endgültig voneinander. Patterson scheint nun endlich Abschied nehmen zu können, ihre zwei Folgen umfassende seelische und körperliche „Rosskur“ endet mit einem beiderseitigem Lächeln, der Bekräftigung, Patterson solle von nun an wieder nach vorne schauen und einem verschwindenden David ins dunkle Nichts einer New Yorker Nacht.
Meinung
Wenn man sich mal ausschließlich auf Patterson konzentriert, waren beide Folgen wirklich toll. Die Figur Patterson ist noch einmal mehr gewachsen, wunderbar und einfühlsam gespielt von Ashley Johnson. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, hätten man diese Mystery mit einer anderen Figur versucht, wäre dies wohl in eine gewisse Lächerlichkeit abgeglitten. Durch die neu gewonnene Emotionalität der Serie, nicht nur bei Patterson, war der Fall mit der Entführung von Patterson durch den Serienkiller schon recht spannend und für den Zuschauer „fühlbar“, „greifbar“. Man war durch Patterson und Johnsons Spiel mehr bei der Sache als sonst. Das hat wirklich Spaß gemacht.
Das die Sinnhaftigkeit beider Fälle eher am Rande einer gerade noch verständlichen Logik wandelt, geschenkt, diese Hoffnung habe ich schon lange aufgegeben, da ich mich mit dem Genre von „Blindspot“ abgefunden habe. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn sie die wirklich gute Geschichte um Jane auch noch mit sinnhaften Fällen und Verwicklungen verbunden hätten. Aber seit einigen Folgen lasse ich mich eigentlich nur noch auf das „Grundgefühl“ der Serie ein, welches zumindest bei mir immer noch ankommt, getragen durch solche Figuren wie Patterson, Jane und Zapata.
Ich bin gespannt, ob die Autoren die Emotionalität der beiden Folgen, nicht nur bei Patterson, hinüber retten können und wollen in den Rest der ersten Staffel. Andeutungen sind klar erkennbar, das sich die Autoren die emotionalen Punkte ihrer Geschichte ins letzte Drittel der Staffel gelegt haben. Was bei mir übrigens so gar nicht funktionieren mag, ist die angedeutete Dreiecks-Geschichte zwischen Weller, Jane und Oscar bzw. Allison (der aktuellen Freundin von Weller). Ist mir absolut egal, wer da gerade mit wem Abends am Küchentisch sitzt und man gemeinsam die Bettdecke teilt.
Aber diesen Plot werden die Autoren nicht ohne weiteres aufgeben, ich lasse mich daher einfach mal überraschen, wie sie wieder eine gewisse Spannung in diesen Plot bekommen wollen.
Es geht m.E. eigentlich nur durch eine gehörige Portion Emotionalität, ausgelöst durch einen Unfall, Entführung etc. Das der Vater von Weller einen Schwächeanfall hatte, kurz nach dem sich die beiden wieder etwas angenähert hatten, könnte ein Fingerzeig sein, was der emotionale Haken bei Weller werden könnte, an dem Jane, die Geschichte und schlussendlich wir Zuschauer bis zum Ende der Staffel hängen werden.
Bilder: NBC
Auch wenn mit Jaimie Alexander eine weitere Darstellerin dabei ist, die ich sehr gerne sehe, mühe ich mich mit Blindspot doch eigentlich nur wegen Ashley Johnson ab. Um das Loch ein wenig zu füllen, dass sie bei Critical Role hinterlässt. Fan von ihr bin ich seit The last of Us. Insofern war ihre Folge dann ein wenig ein Höhepunkt, Aber die Charaktere sind anfangs so oberflächlich gehalten, dass ich echt Mühe hatte, nich Sif oder Pike zu sehen.
.. ja, Ashley Johnson hat eine sehr dankbare Rolle in Blindspot gefunden, die sie darüber hinaus auch noch wunderbar füllt. Ich empfand in den zurückliegenden Folgen ihr Genie allerdings, wenn auch nur teilweise, etwas nervend, so richtig in die Bredouille kam sie ja eigentlich nie. Das war mir zu glatt.
Außer eben in diesen beiden Folgen.
Und schon war man m.E. als Zuschauer viel näher dran, als wenn das Team in einer Abfolge von Geistesblitzen Pattersons ein Tattoorätsel nach dem anderen löst und dennoch der Grundfrage der Serie kaum näher kommen: Was haben die Tattoos alle miteinander zu tun, was hat Jane/Taylor damit zu tun – wohin wird uns der rote Faden eigentlich führen?
Ich glaube aber auch nicht, dass sich das noch großartig bis zum Ende der Staffel ändern wird. Die Frage ist nur, woran liegst. Haben sie keinen roten Faden oder ist es noch zu früh, konkret auf den roten Faden aufzusetzen, da das eine, dem ganzen einen Sinn stiftende Tattoo noch nicht entschlüsselt wurde und man sich die Zeit bis dahin mit netten Bildern verbringen möchte.
Wie siehst du das?
Ja, hoffentlich folgen sie nicht dem Flanderization Pfad von Arrow und übertreiben diesen Aspekt immer mehr.
Ich habe mir eine Menge Gedanken gemacht, warum ich mit Blindspot einfach nicht richtig warm werde, denn die Idee und wie gesagt einige der Darsteller finde ich eigentlich gut. Und ich denke es liegt viel an der Kamera. Der Graugrünschleier allen voran aber auch die Kameraführung.
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