Wie ist das eigentlich, wenn ein Streit zwischen Vater und Sohn so eskaliert, dass einer von beiden Zuhause ausziehen muss? Das möchte man sich in der eigenen Vaterrolle gar nicht ausmalen, aber die FX-Serie „Breeders“ macht davor nicht Halt und spielt diese Geschichte nach dem großen Knall zum Ende von Staffel 2 einfach mal durch. Dass so eine Erschütterung in einer Familie viele Auswirkungen auf jede Kleinigkeit in der Familie haben kann, zeigt „Breeders“ in Staffel 3 dann ganz unverblümt. Da muss man dann doch hier und da schlucken, weil auch der natürlich weiterhin vorhandene Humor dann und wann nur noch in Ansätzen hilft.
Zunächst einmal hat es sich Paul Worsley (immer noch großartig gespielt von Martin Freeman) im Haus seiner Schwiegereltern bequem gemacht – diese sind in den Flitterwochen, so dass deren Haus frei ist. Und Paul fühlt sich dort sichtlich wohl, so ganz ohne Verpflichtungen. Er trifft sich mit Nachbarin Gabby, geht mit ihr ins Kino, verbringt eine gute Zeit. Was zu Hause los ist, bekommt er praktisch live mit, weil er sich einfach mal auf die Sicherheitskameras im eigenen Haus aufschaltet. Seine Frau Ally hat’s da schon schwerer – sie muss die Kinder Luke und Ava bei Laune halten, den Haushalt schmeißen, und irgendwie versuchen, die Firma zu retten. Die schliddert nämlich in eine existenzielle Krise, und Geschäftspartner Darren agiert dabei hilflos wie eh und je. Dazu landet Ally verführt in den Wechseljahren, so dass ihr Gefühlschaos komplett ist.
Apropos Gefühlschaos: Auch Pauls Eltern Jim und Jackie geraten in eine Krise. Als Jackie Jim endlich dazu bewegen konnte, eine totkranke gemeinsame Freundin im Hospiz zu besuchen, erkennt sie, dass zwischen den beiden einmal mehr war, als sie gedacht hat. Die Folge: Jackie zieht zu Hause aus – und zieht auch noch zu Ally. Jim ist allein Zuhause auf verlorenem Posten – doch immerhin unterstützt ihn Enkelin Ava, die selbst eigentlich genug Probleme hat. Gerade die Geschichte zwischen Jim und Jackie ist einfach großartig erzählt – Alun Armstrong und Joanna Bacon liefern in ihren Rollen sowieso schon seit Staffel 1 großartige Leistungen ab, hier wird’s aber nochmal besser. Showrunner und Hauptautor Simon Blackwell kreiert hier wirklich berührende Szenen, angefangen von dem etwas hilflosen Jim, der sich alle erdenklichen Küchengeräte gekauft hat, um über die Runden zukommen – bisher hat Jackie ja alles für ihn gemacht. Dann sitzt er abends auf der Couch und fängt an, über das Fernsehprogramm zu sprechen, bis er merkt, dass Jackie nicht mehr neben ihm sitzt. Und am Ende ist er so verwirrt, dass er nicht mehr weiß, welche Tabletten er schon genommen hat, so dass er direkt alles schluckt.
Zumindest denkt man, dass er das aus Verwirrtheit tut, doch Enkelin Ava weiß es besser. Sie kommt ihm auf die Schliche, weil sie ihn so gut kennt. Er hat zwar keinen Abschiedsbrief hinterlassen, aber eine Anleitung zur Einstellung der Heizung; vorher hatte er Ava mal erzählt, dass er das unbedingt nochmal aufschreiben müsse, weil Jackie nicht wüsste, wie das geht – für den Fall, dass er mal stirbt.
Ganz toll finde ich auch die Leistung von Eve Prenelle als Ava, die unter der Situation Zuhause extrem leidet, aber weiterhin die Musterschülerin bleibt. Das ist wieder so eine Auswirkung des Streits zwischen Paul und Luke – Pauls Entscheidung für einen Auszug trifft auch seine Tochter, die sich aber dabei gar nicht wahrgenommen fühlt. In der Schule performt sie bei einem Test extra schlecht, um bei ihrer Freundin bleiben zu können – auch das geht natürlich schief. Sehr schmerzhaft auch für uns aus Zuschauer:innen ist dann der Moment an der Konzertkasse: Ally hat Tickets für ein eigentlich ausverkauftes Konzert von Avas Lieblingsband organisiert – nur tauchen sie dann am falschen Tag an der Location auf. Die Tickets waren für das Konzert am Vortag – in dem Moment leidet man richtig mit mit allen Beteiligten. Das ist einer dieser Alptraummomente, die man als Elternteil lieber nicht erleben möchte.
Überhaupt entwickelt sich in dieser Staffel relativ viel Alptraum. Es knirscht an allen Ecken und Enden, es gibt Missverständnisse, Beziehungen werden hinterfragt, Gefühle falsch gedeutet. Das alles türmt sich zu einer zeimlich großen Belastung für alle Beteiligten auf, die auch mir als Zuschauer am Ende schon fast ein bisschen zu viel ist. Denn: Bei allem bleibt Simon Blackwell tatsächlich doch extrem realitätsnah. Man kennt all diese Probleme, kann sich mit den Personen identifizieren – das hat „Breeders“ schon immer klasse hinbekommen. Hier war’s mir dann aber schon fast schon ein Stückchen zuviel – vielleicht auch, weil die Probleme in dieser Phase der Serie einfach zu nah an der eigenen Realität sind und man irgendwann das Gefühl hat, in das eigene aktuelle Leben hineinzuschauen.
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