Der letzte Urlaub hatte mich vor kurzem für kurze Zeit auch nach L.A. geführt und die Stadt war voll mit riesigen Werbeplakaten der kommenden neuen TV Season. Zwei Plakate waren in meinen Augen besonders präsent. Zum Einen „Son of Zorn“ und eben „Bull“, der neuen Serie mit Michael Weatherly in der Hauptrolle. Und wenn ich mir beide Serien so vor Augen halte, hatten die Networks wohl schon eine Ahnung, was man besonders bewerben müsste, damit die Zuschauer auf die neuen Serien aufmerksam werden.
Wobei „Bull“ mit Michael Weatherly einen der beliebtesten und bekanntesten TV Darsteller der USA als Hauptfigur des Dr. Jason Bull als Gesicht und Leader präsentieren kann. Man könnte meinen, dass dies ausreicht, um genug Staub aufzuwirbeln, der sich erst nach einigen Wochen legt. Ich habe mir jetzt die Einschaltquoten nicht angeschaut, denke aber ähnlich wie bei „Son of Zorn“, dass das verantwortliche Network die Werbeplakate noch einige Wochen hängen lassen sollte.
Aber steigen wir kurz in die Serie und die ersten beiden Folgen ein.
Neue US Serien 2016/2017: Alle neuen Serien findet ihr in dieser Übersicht.
Handlung
Dr. Jason Bull ist kein Rechtsanwalt sondern Psychiater, und nicht irgendeiner, sondern natürlich der Beste, den man für Geld engagieren kann, hängt aber dennoch ständig im Gerichtssaal herum. Bull hat nämlich zum einen eine besondere Beobachtungsgabe, ein großes Team von Spezialisten, Ermittlern und Modeberatern und zum Anderen eine Supersoftware, mit deren Hilfe Bull in der Lage ist, die Jury und auch die Zeugen psychologisch zu analysieren, um auf dieser Basis eine Strategie zu entwickeln, mit der man den Fall gewinnen kann. Und wie machen sie das?
Hierzu werden sämtliche Informationen, die man über die Jurymitglieder und Zeugen erhalten kann, gesammelt, psychologisch eingeschätzt und bewertet und auf dieser Basis und einer Schattenjury die unterschiedlichen Verteidigungsstrategien durchgespielt, bis, ja bis man eben die Strategie gefunden hat, bei der die Jury auf nicht schuldig plädiert. Wobei die Mitglieder der Schattenjury einen höchstmöglichen Deckungsgrad zu den echten Jurymitgliedern aufweisen. Das ist dann auch schon der ganze Zauber von „Bull“. Plus Michael Weatherly.
Die ersten beiden Fälle, die Bull übernimmt, haben zum Einen den Spross einer wohlhabenden Familie als Angeklagten im Mittelpunkt der Verhandlung, der ein befreundetes Mädchen ermordet haben soll. Die Beweislage ist jetzt crimeserientechnisch gesehen schon recht mager, dennoch beginnt Bull auch hier mit einer Jury, die mehrheitlich auf schuldig plädieren würde. Sonst würde seine Arbeit ja auch keinen Sinn machen. Nach einigem hin und her fokussiert sich Bull auf eine der Jurymitglieder, da Bull der Meinung ist, wenn diese auf nicht schuldig plädiert, zieht sie den Rest gleich mit. Bull muss nur ihre Schwachstelle finden und diese für den Fall ausnutzen. Was dann natürlich auch gelingt.
Im zweiten Fall sehen wir einen Flugzeugabsturz, bei dem sämtliche Insassen bis auf die weibliche Pilotin sterben. Die sich nun einer Anklage gegenübersieht, da man von einem Fehlverhalten der weiblichen Pilotin ausgeht. Auch hier übernimmt Bull die Entwicklung einer Verteidigungsstrategie und auch hier kommt Bull schnell hinter das eigentliche Problem, was die Jurymitglieder mit dem Fall haben: die Pilotin ist eine Frau. Da selbst Bull das nicht ändern kann, muss eine ganz ausgefuchste Strategie her, um den Fall zu gewinnen. Man darf an dieser Stelle dreimal raten, ob es Bull und seinem Team gelingen wird.
Meinung
Beginnen wir mal mit dem offensichtlichsten, was die Serie zu bieten hat: Michael Weatherly. Endlich darf „DiNozzo“ mal den smarten Chef raushängen lassen und ein Team voller Spezialisten anführen, die aufrichtig und mit viel Know How auf der Suche nach der richtigen Strategie sind, um Unschuldige vor einer Jury zu bewahren, die man mit psychologischen Tricks einfach auf den richtigen Weg schupsen will. Und Weatherly spielt seinen Dr. Bull ganz hervorragend, es macht wirklich Spaß, dieser Figur zu folgen, die in vielen Szenen in seiner Leichtigkeit schon ein klein wenig an DiNozzo erinnert. Allerdings konnte uns Dr. Bull bisher nicht von seinem Filmwissen überzeugen. Kommt vielleicht noch.
Was wir aber definitiv von Bull sagen können, ist, dass er der intelligenteste Mensch ist, der auf Erden wandelt. Zumindest im Umfeld des Gerichtssaales. Wie wir in der zweiten Episode erfahren, hat Dr. Bull nicht nur einen Doktortitel, nein, der Herr hat derer Drei in Psychologie. Und Pilot war er früher auch noch. Wahnsinnstyp. Was mag da wohl noch kommen? Ich finde es insbesondere bei der Schauspielkunst des Michael Weatherly schade, dass man heutzutage die Hauptfiguren noch derart aufladen muss. Hätte der Dr. Jason Bull des Michael Weatherly gar nicht nötig. Dadurch wirkt es dann doch sehr aufgesetzt und man wartet nur da drauf, dass er sich unter seiner Nase reibt und die erlösende Idee präsentiert.
Zudem: Durch die fast schon allumfassende Fokussierung auf Weatherly alias Dr. Jason Bull kommen seine Teammitglieder kaum zur Geltung, sie poppen hier und da auf, reichen mal einen Laptop mit einer besonderen Nachricht an Weatherly und verschwinden wieder. Der Chef im Ring ist ganz klar Weatherly.
Der Production Value ist meines Erachtens ganz ordentlich und man spielt recht häufig mit großen Bildschirmen auf denen Bildern aus den Social Networks zu sehen sind, grünen Zahlenziffern- und Abfolgen und dem typischen CSI mäßigen Hin- und Hergewische der Bilder. Groß und Klein geht bestimmt auch.
Zudem hat Dr. Bull nicht nur ein einfaches Büro, nein, er scheint einen ganzen Komplex sein Eigen zu nennen inklusive einem nachgebauten Gerichtssaal mit zahlreichen Kameras und bio-digitaler Überwachung der Schattenjury – sollte einer der Mitglieder eine versteckte Krankheit in sich tragen, dürfte dass den Scans bestimmt auch nicht verborgen bleiben. Auch das finde ich einen Hauch zu viel und zu groß. Ich will gar nicht wissen, wie hoch die Rechnungen sein müssen, die Bull seinen Klienten stellt.
Die beiden bisherigen Fälle waren schon okay, wenn auch nicht gerade hochspannend, aber meines Erachtens will „Bull“ das auch gar nicht sein. Man verlässt sich auf Weatherly und seine psychologischen Superkräfte. Ganz nice fand ich in der Auftaktfolge, dass die Jurymitglieder mit Bull während der Verhandlung „sprachen“. Ich empfand diese Art der Bebilderung der Analyse des Dr. Jason Bull für gelungen.
Alles in Allem haben wir hier eine für CBS typische Procedural Serie im Crimebereich mit einem gut aufgelegten Michael Weatherly, der versteht, im Mittelpunkt zu stehen und sich in diesem Licht zu sonnen. Sei es ihm gegönnt. Einen Preis für besondere Kreativität dürfte die Serie aber nicht einheimsen, dafür belassen es die Drehbuchautoren offenbar dabei, die üblichen Knöpfe und Schalter zu betätigen, die man eben in einer derartigen Serie erwarten darf.
„Bull“ dürfte sich zu einer Serie entwickeln, die man gerne verpassen darf. Außer man ist großer Weatherlyfan. Dann muss man natürlich einschalten.
Bilder: CBS
Kommentiere