„DARK“ war einer der Überraschungserfolge von Netflix zum Ende des Jahres 2017. Die erste deutsche Serie des Streaming-Dienstes erhielt relativ schnell eine Fortsetzung, die ab 21. Juni 2019 zu sehen ist. Sie verabschiedete sich mit einem ziemlich starken Cliffhanger, so dass mit Spannung erwartet wurde, wie die Showrunner Baran bo Odar und Jantje Friese hier in Staffel 2 wohl ansetzen würden. Erste Überraschung: anders als gedacht.
Ein kurzer Blick zurück in Staffel 1
Wagen wir eine kurze Reise zurück in die Vergangenheit und erinnern uns, was in „DARK“ Staffel 1 geschah: Die Serie spielte in 3 Zeitebenen, 1953, 1986 und 2019. Wir erlebten, wie im Jahr 2019 nacheinander immer mehr Menschen aus dem kleinen Ort Winden verschwanden. Mikkel Nielsen zum Beispiel, der kleine Sohn von Katharina und Ulrich Nielsen. Er landete vereinfacht gesagt durch einen Riss in der Zeit im Jahr 1986. Sein Vater Ulrich machte sich in den folgenden Episoden auf die Suche nach seinem Sohn – und landete durch eine Tür in einem Höhlensystem selbst in der Vergangenheit, allerdings im Jahr 1953. Auch Jonas Kahnwald machte sich auf die Suche. Es stellte sich heraus, dass er der Sohn des in die Vergangenheit gereisten Mikkel Nielsen ist, der als Michael Kahnwald weiterlebte und sich zu beginn der Serie erhängte. Jonas selbst landete in der Zukunft, im Jahr 2052. Die Zukunft wirkt düster und bedrohlich, das Atomkraftwerk ist zerstört, überall wird vor den Folgen eines offensichtlichen Atomunfalls gewarnt. Damit wurde eine vierte Zeitebene eingezogen, und wer gut rechnen kann, erkennt, dass immer 33 Jahre zwischen diesen Zeitebenen liegen.
Spoilerarmer Blick in den ersten Teil der 2. Staffel
Mit dem Cliffhanger in Staffel 1 haben die Showrunner natürlich extrem neugierig gemacht auf die zweite Staffel. Wir würde die Zukunft wohl aussehen? Wie würde Jonas dort zurechtkommen? Und was steckt hinter dem Atomunfall? Aber: Überraschung – Staffel 2 startet nicht in dieser Zeitebene, sondern 1921. Immerhin nimmt sie den gleichen Tag der Serie wieder auf, wie schon bei Staffel 1 geht’s am 21. Juni los (großartigerweise wird die 2. Staffel am 21. Juni 2019 veröffentlicht, also an jenem ersten Handlungstag der Serie), immer mit dem schönen Zusatz ’noch x Tage bis zur Apokalypse‘. Okay, die Staffel hat 8 Folgen, da könnte man vermuten, dass jede Episode einen Tag erzählt, bis wir zum Atomunfall gelangen. Nochmal zurück zum Jahr 2921, nochmal zurück zum Thema Rechnen: Hier passen die 33 Jahre Abstand zu den anderen Zeitlinien nicht, es sind nur 32 Jahre. Nach dem Intro, das vor allem die Story um Noah aufnimmt, erfahren wir dann aber doch relativ schnell, wie es Jonas in der Zukunft ergeht.
Und ab da wird munter hin und her gewechselt. Und allein deswegen muss man schon ganz genau dabeibleiben, um den Überblick zu behalten: In welcher Zeitlinie stecken wir gerade, welche Person sehen wir gerade, in welcher Beziehung steht sie in dieser Zeit zu anderen Personen? Das in Staffel 1 begonnene Geflecht zwischen den Zeitlinien und Personen wird in Staffel 2 ganz schnell enorm erweitert. Wer den Überblick behalten möchte: Hier gibt’s eine Timeline samt Familien-Stammbaum aller Beteiligten.
Das hat auch damit zu tun, dass das Thema Zeitreise nicht mehr als das große Geheimnis in den Mittelpunkt der Erzählung gestellt wird. Für die ersten Protagonisten hatte sich das schon zum Ende der ersten Staffel entfaltet, und auch für die Zuschauer wurde dann klar, dass die Akteure Wege gefunden haben, durch die Zeit zu reisen – zwar immer nur in Abständen von 33 Jahren, aber immerhin. Vollends klar war es dann mit der Erstellung der Zeitmaschine durch H. G. Tannhaus im letzten Drittel von Staffel 1.
Nein, es ist nicht mehr dieses Geheimnis Zeitreise, sondern es wird zum Mysterium, das sich allerdings sehr gut nutzen lässt. Die Zeitmaschine kommt hier wieder ins Spiel, die gleich mehrfach zu Beginn von Staffel 2 auftaucht. Doch die Protagonisten finde auch andere Wege, sich über die Zeitlinien hinweg zu bewegen. Zeitreisen wird in der ersten Hälfte der zweiten Staffel fast zu einer alltäglichen Reise degradiert. Das führt aber noch zu einem spannenden Effekt, der in Staffel 1 nur kurz bei Mikkel Niesen und Jonas Kahnwald genutzt wurde – die Verbindung der Menschen untereinander über die Zeitlinien hinweg. Das Interessante daran ist, dass sich die einzelnen Figuren in den unterschiedlichen Zeiten selbst begegnen und sich über die Zeitreisen und einige Fakten aus der anderen Zeitlinie in Kenntnis setzen. Auch denjenigen, die nicht durch die Zeit reisen, wird nach und nach eröffnet, dass so etwas tatsächlich möglich ist.
Und dann wird auch klar, dass es neben diesen Menschen, die sich mittels der Zeitmaschine oder durch den Riss in der Zeit bewegen, eine weitere Gruppe von Menschen gibt, die als ‚die Reisenden‘ bezeichnet werden und zu denen auch Noah gehört. Offensichtlich sind sie eine Bedrohung, so lässt sich Jonas‘ Reaktion zumindest deuten. Was das genau bedeutet, darüber werden wir noch im Unklaren gelassen.
Was man schon verraten kann, ist, dass diese schrittweise Entblätterung des Geheimnisses Zeitreise wirklich gut inszeniert ist. Man fühlt mit den Menschen mit, die von den Auswirkungen der Zeitreisen schockiert sind, gerade in dem Moment, in dem sich für sie das Geheimnis offenbart, zum Beispiel rund um die Personen Mikkel Nielsen und Jonas Kahnwald. Wie Staffel 1 (Einstein) beginnt auch Staffel 2 mit einem Zitat (Nietzsche). Einige Inszenierungen haben es in Staffel 2 geschafft, wie das Hochschrecken einzelner Akteure aus dem Schlaf, direkt Richtung Zuschauer – hat hier und da einen ganz schönen Effekt. Der Cast weiß wieder (mit ein paar Abstrichen ausgerechnet bei Louis Hofmann als Jonas, muss man leider festhalten) zu überzeugen, auch wenn man hier und da sagen muss, dass einige Momente dann doch schon an übliche deutsche Fernsehfilm-Erzählweisen oder Kammer-Theaterspiele erinnern. Da wirken die Dialoge etwas hölzern, das Spiel etwas zu aufgesetzt. Der Score ist mir hier und da auch zu sehr auf einfache Zuspitzung angelegt – das nervt sogar relativ schnell. Aber man schaut da schnell drüber hinweg, weil einen die Handlung einfach in den Bann zieht. Das hat natürlich auch viel mit Neugier zu tun, weil man wissen möchte, wie es denn nun weiter geht, was hinter Noah und den Reisenden steckt, und wie alles enden wird – wobei es ja gar nicht enden kann, aus einer zeitlichen Perspektive gesehen. Oder?
Dieser Beitrag erschien vorab im von sAWE.tv unterstützten redaktionellen Bereich der App WhatsOnFlix?.
Ich bin gestern mit dem ersten Teil der Staffel fertig geworden und bin begeistert. Ich liebe Dark einfach total, dieses Kopf Zerbrechen und Ordnen der Gedanken und Theorien macht für mich einen großen Teil aus.
Am liebsten würde ich alle 8 Episoden am Stück bingen, aber dann würde mein Kopf wohl explodieren. ;)
Zu den Episoden: Es gab für mich einige Überraschungen. Zum einen, dass es nun auf einmal 5 Zeitebenen sind, zum anderen natürlich diese krasse Enthüllung am Ende der vierten Folge (die habe ich ausnahmsweise Mal nicht kommen sehen).
Was mir auch besonders gut gefällt: Es gibt kein klares schwarz/weiß, viele Personen sind vielschichtig (grau, um bei dem Farbvergleich zu bleiben) und dadurch sehr interessant. Beispiel Egon, er war für mich in Staffel 1 ein ziemlicher Unsympath. Und Ulrich kann einem einfach nur leid tun. Die Macher schrecken auf jeden Fall nicht davor zurück ihre Charaktere durch die Hölle zu schicken.
Nun freue ich mich auf den zweiten Teil der Staffel.
(Deine Einschätzung zu Louis Hofmann teile ich übrigens nicht, da sind mMn andere Schauspieler zu nennen.)
Alles ist miteinander verbunden. :)
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