27. Juni 2020 – der Tag der Apokalypse, zumindest im Zeitlauf der Netflix-Serie „DARK“. Für alle, die chronologisch zu diesem Zeitlauf seit letztem Freitag bis gestern immer eine Folge geschaut haben, ist seit ein paar Stunden der in der Serie angekündigte Tag der Apokalypse gelaufen. Irgendwie geht es ja weiter – aber wie? Dazu später mehr. Schauen wir erst einmal auf die zweiten vier Folgen der 2. Staffel von „DARK“.
Wie im Review zum ersten Teil (hier zu finden) ausgeführt, wussten die ersten vier Folgen ziemlich gut zu gefallen. Der Umgang mit dem Thema Zeitreisen war sehr angenehm gestaltet – war es in Staffel 1 im Prinzip noch mehr ein Geheimnis, entblättert sich das Thema jetzt immer stärker. Immer mehr Menschen aus Winden reisen durch die Zeit, immer mehr entdecken die Koffer mit der Zeitmaschine für sich. Das ist ganz schön angelegt, so dass man sich irgendwann fragt: Was kommt danach? Das wird im zweiten Teil der Staffel dann intensiver behandelt.
Netflix „DARK“: Spoilerarmer Blick auf den 2. Teil von Staffel 2
Vor allem die Auflösung, wer sich hinter dem erstmals sichtbaren, stark gezeichneten Anführer der Reisenden verbirgt, ist ein starker dramaturgischer Zug. Und damit eskalieren gleich mehrere Handlungsstränge in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Man kann irgendwann nicht mehr vorausahnen, wer mit welcher Absicht in welcher Zeit agiert, oder welche Aktion in welchem Jahr zu welchem Ereignis führt – da wird die Übersicht der Zeitlinien und Stammbäume zu einem ständigen Begleiter (hier zu finden). Und das macht sehr schnell richtig Spaß.
Natürlich nicht nur Spaß, sondern man leidet auch mit den Charakteren. Mit Ulrich vor allem, der seit Jahrzehnten in der Vergangenheit festhängt, ja sogar räumlich eingesperrt ist. Es ist ein großer Moment der Serie, wenn er auf seinen verschwundenen Sohn trifft und versucht, mit ihm in die eigentliche Jetzt-Zeit zu fliehen. Ein weiterer großer Moment ist das Gespräch zwischen Jonas und seinem Vater, der ihm eröffnet, dass er von ‚allem‘ weiß – und damit mehr weiß als sein Vater selbst und letztlich so eine Kette von Ereignissen auslöst. Oder der Moment, wenn Charlotte in der Jetzt-Zeit auf ihre Tochter Elisabeth trifft, die in der Zukunft lebt und normal gealtert ist – und zudem eine ganz besondere Beziehung zu ihr hat. In den Momenten schmerzt die Serie natürlich, unterhält aber auch auf großartige Weise.
Dazu kommt die dramaturgische Zuspitzung der Ereignisse. Seite der ersten Folge wissen wir, dass wir in der letzten Folge auf die Atomkatastrophe zusteuern (jede Folge bedeutet – wie oben erwähnt – einen Tag in der Ereignisfolge, und die Tage bis zur ‚Apokalypse‘ werden runtergezählt). Die Frage war nur, ob wir das zu sehen bekommen, ob es verhindert wird oder ganz anders kommt, als man denkt. Aber wie schon die Ereignisse um Claudia und ihren Vater gezeigt haben, lässt sich der Lauf der Zeit nicht aufhalten.
Wenn es zum großen Finale kommt, gelingt der Serie noch ein großer Move in Richtung Staffel 3, wenn Jonas vermeintlich auf jemanden aus Zeit trifft, die aber selbst erklärt, nicht diejenige zu sein, für die er sie hält. Und sie führt eine neue Dimension in die Serie ein, die jede Menge Spannung für die abschließende dritte Staffel verspricht.
Dieser Richtungswechsel am Ende ist einfach genial angelegt. Man hatte sich schon gefragt, in welche Richtung sich denn die 3. Staffel jetzt noch entwickeln soll. So haben die Autoren eine Tür geöffnet, die so nicht zu erwarten war und durch die wir als Zuschauer sehr gerne gehen. Damit schließt dieser tolle Einfall eine sehr gute 2. Staffel ab, die meiner Meinung nach qualitativ zu Staffel 1 deutlich zugelegt hat. Es war einfach alles gut inszeniert und clever erzählt. Wo man Abstriche machen muss, hatte ich im Review zu Teil 1 der Staffel bereits erwähnt, aber darüber kann man gut hinwegsehen.
Ich fand die zweite Staffel auch ziemlich stark, hätte nicht gedacht, dass die die Geschichte derart gekonnt weiter skaliert bekommen – Hut ab! Man möchte in Gedanken an deutsche Serien-Produktionen mit internationalem Anspruch meinen, denken zu dürfen: „Geht doch!“. Auf fast allen Ebenen auf sehr hohem Niveau und es macht mich in gewisser Weise stolz, dass eine derart komplexe und wohldurchdachte Serie aus unserem Lande kommt. Bin sehr gespannt, wie sie das am Ende geöffnete Fass in der dritten Staffel behandeln werden. Noch ergeben sich für mich eh noch ein paar mysteriöse Lücken in der Handlung, die sich zwar irgendwo durch den Zeitkreis-Knoten erklären lassen, aber nicht ganz meiner Zeit-Logik entsprechen (wie dass Michael zwar Mikkel ist und somit Jonas gezeugt hat, aber erst zu Michael wurde, weil Jonas ihn als Mikkel zum Durchgang geführt hat – vor der ersten Zeitreise Mikkels gab es doch keinen Jonas? War dann beim ersten Mal einfach ein anderer Umstand dafür zuständig, z.B. ohne Jonas‘ Beisein ist Mikkel einfach von alleine Schutz-suchend in die Höhle?).
Ich fand die zweite Staffel auch sehr stark. Es hat Spaß gemacht, mitzurätseln, wer denn nun eigentlich wer und wann ist und mit welchen Personen wir es hier doppelt und dreifach zu tun haben. Das war alles ziemlich durchdacht inszeniert und hat auch ordentlich Konzentration und Lösungswege-Suchen gefordert. Ein paar Punkte wie die von dir schon angesprochenen etwas stark einstudiert wirkenden Dialoge gab es, die auch mir nicht so gut gefallen haben, über die man aber auch gut hinwegsehen kann. Bin sehr gespannt, wo es in der dritten Staffel hingeht. Der Weg, der im Finale von Staffel zwei eingeschlagen wurde, ist zwar interessant und macht alles noch komplexer, aber ein bisschen hat mich das Ende von der Inszenierung her auch enttäuscht. Lasst es uns abwarten.
„(wie dass Michael zwar Mikkel ist und somit Jonas gezeugt hat, aber erst zu Michael wurde, weil Jonas ihn als Mikkel zum Durchgang geführt hat – vor der ersten Zeitreise Mikkels gab es doch keinen Jonas? War dann beim ersten Mal einfach ein anderer Umstand dafür zuständig, z.B. ohne Jonas‘ Beisein ist Mikkel einfach von alleine Schutz-suchend in die Höhle?).“
Der Jonas, der Mikkel im Wald in die Höhle führte, war nicht der Jonas aus dem Jahr 2019. Sondern ein zukünftiger Jonas, der ja wusste, dass Mikkel ins Jahr 1986 reisen musste, um später sein Vater zu werden.
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