Wer wie ich beim Anblick des Trailers zur neuen Dramaserie „Das letzte Wort“ mit Anke Engelke ein eher schlechtes Gefühl hatte, kann beruhigt sein. Die erste Staffel ist deutlich besser und weiß vor allem Abstand von weiteren Situationen zu nehmen, wie dem plumpen „Ich bin nicht so schwach, wie sie denken!“-Moment darin. Im Gegenteil, es gibt sogar ein paar richtig starke Momente, die ich euch in diesem möglichst spoilerfreien Staffelreview näher bringen möchte.
Das war gut
Ich muss ein bisschen Buße bei Anke Engelke leisten. Denn entgegen meiner Befürchtungen ob des slapstickhaften Momentes im Trailer konnte mich die bislang hauptsächlich in TV-Sketchen schauspielerisch tätige Engelke mich größtenteils sehr in ihrer Rolle überzeugen. Ähnlich, wie es ihr früherer „Wochenshow“-Kollege Bastian Pastewka in „Morgen hör ich auf“ geschafft hatte. Ernstzunehmende Schauspiel-Handwerk, Hut ab! Gut, einige etwas plump und überdreht wirkende Stellen gab es schon noch, das dürfte aber vielmehr an der hier und da leicht überforderten und allgemein sehr impulsiv handelnden Figur liegen, die (auch vor dem Hintergrund der über sie einfallenden Trauer-Situationen Anzeichen einer Borderline-Erkränkung erahnen lässt). Das hat also gepasst, auch in das Gesamtbild der Familie.
Allgemein war der Cast größtenteils authentisch unterwegs. Ja, einzelne Szenen wurden etwas überdreht und manche Figur war beinahe obsolet (dazu weiter unten mehr), aber viele Charaktere haben nachvollziehbar gehandelt, selbst oder vor allem in den richtig blöden Situationen. Stichwort: Pubertät. Am besten hat mir aber tatsächlich Thorsten Merten als Bestatter Andreas Borowski gefallen, der vor allem zu Beginn einen sehr eloquenten und charmanten Arbeiter mit Service-Orientierung verkörpert hat. Am Ende… nun ja… nicht mehr ganz. Letztlich haben eh wirklich ALLE Figuren eine Macke. Oder mehrere. Und genau das lässt sie so normal wirken. Dass der anfangs als am seltsamsten erscheinende Stiefsohn Ronnie Borowski sich am Ende aber im Grunde genommen noch als normalster entpuppt, wirkt beinahe ironisch.
Authentizität und Menschlichkeit sind eh große Stärken und Themen von „Das letzte Wort“. Dachte ich zunächst, dass es vielleicht analog zu „Der Tatortreiniger“ jede Folge einen Trauer-Fall gäbe, dienen diese speziellen Vorkommnisse dann doch jeweils auch, um besondere Aspekte rund um das so vielschichtige und kaum einzufangende schwere Thema der Trauer-Verarbeitung zu bespielen. Und erfreulicherweise bleiben sie auch größtenteils im Hintergrund der Gesamtgeschichte und letztlich werden einige Nebengeschichten sogar im späteren Verlauf nochmals aufgegriffen.
Am allermeisten gepackt hat mich der Moment, in dem ein Vater über seinen verstorbenen Sohn redet. Ich will dazu nicht mehr vorwegnehmen, aber ich war sehr überrascht, wie sehr mich ein bestimmter Satz gepackt hat (ihr werdet wissen, welchen ich meine, wenn ihr die Folge gesehen habt). Sehr emotional.
Das war weniger gut
Beginnen wir mit dem Beginn: Den Vorspann mag ich nicht. Schon einzeln betrachtet nicht, aber nochmal eine ganze Stufe weniger, als recht früh in der Staffel exakt der Ort der Sequenz-Aufnahme in sehr ähnlicher Perspektive zu sehen war. Das hat dem die „Magie“ genommen und wirkt, als habe man „mal eben“ nebenher ein paar Shots für das Intro gemacht. Uninspiriert.
Ähnlich simpel hat es sich auch mit dem im Trailer angerissenen Seminar zur Ausbildung als Trauerrednerin verhalten, das Hauptfigur Karla Fazius besucht hat. Denn eigentlich dauert das für uns nur wenige Sekunden, die fast ausnahmslos durch den Trailer bereits bekannt waren. Da war mehr drin!
Gestört haben mich vor allem zwei Charaktere. Frauke Borowski, die Ehefrau des Bestatters, wurde nicht nur beinahe irre inszeniert, sondern hat auch bis auf einen (durchaus gewichtigen) Einfluss gegen Ende der Staffel so ziemlich nichts einbringen können. Noch schlimmer empfand ich das mit Oma Mina Dahlbeck, die als komplette Oberhexe von allen – sich selbst eingeschlossen – gehasst wird. Da ist mir zu offensichtlich, dass man einen Charakterwandel bzw. -Bruch anstrebt. Beide Figuren hätte es gar nicht geben brauchen und wenn, dann hätte man sie konsequenter zeichnen können, das wirkt nicht immer kohärent.
Und schließen wir doch mit dem Ende ab: Das Staffelfinale war die mit Abstand schlechteste der insgesamt sechs Episoden der Staffel. Ich war bereits erstaunt, als ich lediglich rund 30 Minuten auf der Abspielanzeige las, aber es ist so gut wie nichts Konkretes passiert. Viele Andeutungen und vor allem viel offen gelassenes, damit man eine mögliche zweite Staffel vorbereitet hat. Aber da hatte ich mir viel mehr erhofft, vor allem nach den zuvor noch eher erfreulichen Entwicklungen.
„Das letzte Wort“ konnte mich persönlich überraschen. Mit erfreulich wenig Slapstick schafft man es, das ernste Thema Trauer einigermaßen locker und doch authentisch zu erzählen. In vielen der Charaktere dürften sich Zuschauende selbst oder bekannte Menschen wiedererkennen können. Menschlichkeit ist groß geschrieben und wir leiden als erweitertes Mitglied der Familie Fazius genauso mit, wie als erweitertes Mitglied des von der Modernisierung bedrohten Familien-Betriebs „Bestattungen Borowski“. Auch aufgrund einiger nicht ganz abgerundeten Geschichtsstränge oder Figuren bewegt sich „Das letzte Wort“ jetzt nicht unbedingt auf internationalem Spitzen-Niveau, aber erhöhte Fernseh-Qualität bekommen wir schon durchaus geboten. Mit stark erhöhter Mittelfinger-Dichte.
2. Staffel von „Das letzte Wort“?
Noch ist leider nichts bekannt zu einer möglichen zweiten Staffel des deutschen Netflix Originals. Ich kann mir aber vorstellen, dass es dazu kommen wird. Die Produktionskosten dürften (vor allem im Vergleich zu so manch anderem Netflix-Format) überschaubar sein, so dass man eine Hand voll Episoden zur Forterzählung der Geschichte bei einigermaßen okayer Akzeptanz bei den Nutzern durchbringen können sollte. Ich würde es jedenfalls weiter schauen und das hätte ich nach Anblick des Trailers ehrlich gesagt nicht gedacht.
Bilder: Netflix / Frederic Batier
Mir ging es exakt genau so. Ich bin positiv überrascht und würde mich über eine Fortsetzung freuen. Skurril, selten albern, gut gespielt und eine erfrischend nicht-peinliche Herangehensweise an den Tod und die Trauer in all ihren Facetten.
Sehe ich ähnlich, auch ich fand die Serie sehr erfrischend und endlich wurde einmal ein so schwieriges Thema gut umgesetzt, ohne pathetisch zu werden. Die Schauspieler waren großartig. Das Ende war leider echt sehr schwach, da ging noch mehr. Beim Vorspann muß ich aber widersprechen, den fand ich wirklich gelungen, da er völlig anders als der Rest war. Während sich die Serie über den Verlust und die Trauer auseinandersetzt, die nie gleich ist, so zeigt der Vorspann das emotionslose Geschäft mit dem Tod. Fast wie in einer Fabrik werden da die gefüllten Särge hin und her geschoben bis zum endgültigen Bestimmungsort.
Freut mich, dass du ähnlicher Meinung bist. Und wie so oft sind bei künstlerischen Inhalten (Intro) halt die Geschmäcker verschieden, alles gut. :) Den inhaltlichen Ansatzpunkt wollte ich auch gar nicht interessieren, das passt meiner Meinung nach auch ganz gut (hätte man gar noch konsequenter gestalten können). Mir ging es rein um die Machart und die Tatsache, dass es mir zu nah am eigentlichen Spielort war. Dadurch wurde dem Intro ein bisschen die Strahlkraft entzogen, finde ich.
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