Dienstag stieg nicht nur das Staffelfinale des neuen Whodunits „Death and Other Details“ in den USA, seitdem ist das Hulu Original auch hierzulande über Disney+ zu sehen. Und ich kann euch persönlich empfehlen, in die Murder Mystery reinzuschauen. Grundlegende Informationen zur Ausrichtung und dem Cast hatten wir euch ja bereits im Trailer-Beitrag geliefert, in diesem Staffelreview möchte ich möglichst Spoiler-arm (konkrete Informationen werden entsprechend gekennzeichnet bzw. verborgen) darüber berichten, was die Serie gut und was sie weniger gut macht.
„Only Murders“ trifft „White Lotus“?
Die „Knives Out“-Filme, „Only Murders in the Building“ oder auch „The Afterparty“ – Whodunits, also Dramas um einen Mordfall, dessen Täter:in gesucht wird, erleben in den letzten Jahren ein absolutes Revival. Und tatsächlich bedient sich auch „Death and Other Details“ einigen der üblichen Genre-Elemente, weiß diese aber um weitere Aspekte zu ergänzen. Die Begebenheit, dass sich (fast) alles auf einem Kreuzfahrtschiff abspielt, bietet die benötigte örtliche Geschlossenheit für ein „Wer war es?“-Spielchen, erinnert aber auch aufgrund des hohen durchschnittlichen Kontostandes der Passagiere an „The White Lotus“ oder den Film „Triangle of Sadness“. Ganz so satirisch wie Letzteres ist die Serie aber nicht und die Klassen-Vorführung fällt auch nicht so ausführlich wie in „The White Lotus“ aus. Im Vordergrund steht vor allem eines: Die Wahrheit.
Der hervorragend von Mandy Patinkin gespielte Rufus Cotesworth gilt als bester Detektiv oder wahlweise größter Betrüger der Welt – je nachdem, wen man fragt – und will die Wahrheit finden. Seine ermittlerischen Weisheiten sind smart geschrieben und seiner besonderen Stimme hört man gerne zu. Vielleicht ist es hier und da etwas dick aufgetragen, aber das passt eben zum Charakter. Zu ihm gesellen sich einige weitere Charaktere mit besonderem Charme, allgemein empfinde ich die Figuren in „Death and Other Details“ gut aufgesetzt, auch wenn mir einige im Verlauf der Serie zu eindimensional dargestellt werden oder utopische Wandel durchfahren (Beispiele: Winnie, die von supersüß-tolpatschig zu superfinster-souverän wechselt, oder Oberhaupt Lawrence Collier, der hinten raus die Frage aufkommen lässt, wie bitte niemand zuvor Anzeichen seiner Erkrankung wahrgenommen haben sollen…).
„You can skip to the end to find out. But then you‘ll miss all the smart things I said.“ (Rufus)
„Death and Other Details“ macht weniger der Death, sondern die Details aus. Die Serie steckt inhaltlich voller Details, vor allem hat mich aber die äußerliche Ausschmückung direkt catchen können. Die Serie schaut einfach unfassbar gut aus. Vielleicht etwas zu gut, zumindest, was die stets wie aus dem Ei gepellt (und zudem allgemein quasi durchgehend verdammt attraktiv) aussehenden Darsteller:innen anbelangt. Aber gut, ist halt absolute High Society und soll in den allgemeinen Look der Serie passen. Fehlender Mut zur Unsauberkeit ist ja ein allgemeiner Trend der Serienindustrie, den man diskutieren kann.
„Memory is a motherfucker!“
Vor allem zu Beginn der Staffel weiß der Edit mit vielen kreativen Ideen zu überzeugen. Perspektivische Spielereien und tolle Schnitte werden geboten, was leider im Laufe der Staffel deutlich zurückgefahren wird. So mag man vielleicht den Fokus nicht von den Dialogen und der Geschichte nehmen wollen, ich hätte mir aber mehr davon gewünscht. Zum Beispiel auch im Intro. Das ist an sich wundervoll gestaltet, bietet etliche Rückbezüge zu Figuren und Geschehnissen (weshalb ihr das folgende Video auch nur anschauen solltet, wenn ihr die erste Folge gesehen habt – das Opening wird auch in der Serie erst ab Folge Zwei gezeigt):
Mir gefällt in „Death and Other Details“ vor allem der Umgang mit Erinnerungen. Im Intro ist das mit den sich wechselnden Motiven von zum Beispiel Autos oder Schuhen visualisiert worden. Wir alle erinnern selbst die klarsten Momente individuell und verfälscht, mal mehr, mal weniger. Entsprechend morphen die Gegenstände nicht nur im Intro, sondern auch in einigen erinnerten Rückblenden von X zu Y. Smart gemacht. Auch spannend ist die Idee, Figuren, die sich gerade an Zurückliegendes erinnern, selbst in die jeweiligen Szenen einzufügen. Das bricht das übliche Rückblenden-Narrativ auf und verwebt Vergangenes gelungen in Aktuelles hinein.
Die verschwommenen und sich ändernden Erinnerungen hätte ich gerne noch häufige gesehen. Die Nutzung der Erinnerungen wirkte irgendwann nicht mehr so frisch und auch nicht immer gänzlich nachvollziehbar. Manchmal wurde die Formel „Versuch es einfach lange und stark genug, dann fällt es dir schon ein“ zu stark bemüht. Und beim Intro hätte ich mir noch erhofft, dass die sich ändernden Gegenstände jede Folge andere sind. Das hätte die Meta-Ebene nochmal besser bespielt.
Mehr als ein einfaches Whodunit
Ein Ort, ein Mord, viele Verdächtige, eine Auflösung – das ist mehr oder weniger der grundlegende Aufbau von Whodunits. „Death and Other Deatils“ weiß nicht nur anders auszusehen und anders an die Geschehnisse heranzugehen als andere Genre-Nachbarn, es geht auch darüber hinaus. Beim einfachen „Wer war’s?“-Spielchen bleibt es nicht, da will ich jetzt aber nicht zu viel vorwegnehmen. Allgemein umschreiben liefert die Staffel aber erfreulich viel Entwicklung sowie einige weitere Ebenen, die nach und nach eröffnet werden.
„Death and Other Details“ bietet zudem einen angenehmen Genremix und weiß (bis auf einzelne Ausfälle in der Staffelmitte) meiner Meinung nach gut Auflockerung und Spannung zu dosieren. Vor allem zu Beginn der Staffel gibt es viele lockerere Szenen und gute Dynamik in den Dialogen, später wird das allgemeine Gefühl analog zur Handlung deutlich angespannter.
„Tripp?!?“ – „Of course I have cocaine…!“ (Anna & Tripp)
Wie bei jeder Mystery ist auch eine Murder Mystery nur so gut wie ihre Auflösung. Dinge nebulös und unsicher erscheinen zu lassen, ist einfach, möglichst clevere Erklärungen zu liefern, die zudem noch unerwartet daher kommen, weniger. „Death and Other Details“ schafft es meiner Meinung nach ganz gut, offene Fragen zu beantworten und dennoch Überraschungen zu liefern. Auch das üblicher Streuen von Hinweisen, wer es gewesen sein könnte, bleibt noch einigermaßen subtil, auch wenn einige Figuren sich bereits selbst offen anschuldigen.
Mit einem der großen finalen Twists war ich jedoch weniger zufrieden. Hier wird es KRASS SPOILERISCH, also wirklich nur lesen, wenn ihr die ganze Staffel gesehen habt! Dass Kira Viktor Sams ist – geschenkt. Dass Imogene das trotz mehrere Interaktionen mit ihr nicht bemerkt hat – auch geschenkt (Gesichtschirurgie, andere Stimmlage, Akzent, etc.). Aber letztlich führte die Identifikation Hildes ja über die Pool-Erinnerung und das Telefon des Pastorensohnes. Hätte beides nicht bereits im Zuge der initialen Ermittlungen bezüglich des ersten Mordes aufkommen müssen? Immerhin wurde da bereits so ziemlich alles, was Keith gemacht hat, durchleuchtet. Mal ganz davon abgesehen, dass Hildes Präsenz vor Ort in der Form unsinnig erscheint (sie hätte ja auch einfach auf dem von Keith angesprochenen Pamphlet drauf sein können? Oder erst später erscheinen?). Außerdem hat man hinten heraus vielleicht die ein oder andere Abschlussszene zu viel abgefeuert. Das wirkte, als wolle es einfach nicht enden, auch wenn uns so zumindest noch ein paar nette weitere Überraschungen geliefert wurden. Und allgemein auch nochmal gehörig Gesellschaftskritik, was die Macht und Verantwortung von Superreichen anbelangt. Diesbezüglich bin ich mir zwar noch unsicher, ob man das nicht hätte anders aufziehen können, grundsätzlich hat solche Kritik aber gerade in unserer heutigen Zeit allen Platz der Welt verdient.
Allgemein möchte ich noch den Cast hervorheben. Nein, nicht jede Figur hat eine tolle Entwicklung durchgemacht oder Tiefe zeigen können, das muss sie bei einem derart großen Ensemble aber auch nicht. Die zentralen Figuren wurden überzeugend gespielt. Neben dem bereits erwähnten und eh bereits bekannt-tollen Mandy Patinkin empfand ich Violett Beane als Imogene durchaus gelungen besetzt. Sie hat eine gewisse Toughheit ausgestrahlt und wusste ein vor allem auch aufgrund der Unterschiede dynamisches Duo mit ihm zu bilden. Ja, einer derart aufmerksamen Frau könnte man unterstellen, dass sie diverse Angelegenheiten im Laufe der Jahre bereits hätte aufschnappen müssen, aber sie wurde halt auch etwas abgestumpft durch ihre Familie. Zudem haben mir auch Lauren Patten als Anna, Linda Emond als Agent Hilde Eriksen sowie Angela Zhou als Teddy gefallen. Der Rest des Casts war aber auch in Ordnung bis gut, von kleineren vereinzelten Drehbuch-Schwächen mal abgesehen.
Die Meinungen zu „Death and Other Details“ scheinen auseinander zu gehen. Auf IMDb besitzt die Staffel aktuell ein Rating von 6,8, was meiner Meinung nach zu schlecht ausfällt. In der Bewertungsaufschlüsselung wird deutlich, dass da so ziemlich alles von 1 bis 10 dabei ist und in den Einzelreviews wird klar, dass viele die Show direkt nach ein paar Folgen abgebrochen haben. Das ist auch in Ordnung, denn für alle ist „Death and Other Details“ mitnichten was. Einige Aspekte wirken auch wie angedeutet nicht vollends überzeugend und der ganz große „WOW, das muss jede:r gesehen haben!“-Twist ist eben auch nicht dabei. Aber einige Wertungen tun der Produktion unrecht, finde ich.
„Death and Other Details“ bringt verdammt viel Qualität an den Tisch. Der Fall ist komplex und clever aufgezogen, viele Figuren sind originell geschrieben, die Dialoge sind durchdacht und der Cast fantastisch. Ja, einiges hätte besser sein können, weshalb es auch nie und nimmer eine 10 von 10 ist. Aber eine gute 8 ist es meiner Meinung nach schon. Die Fehler waren nicht schlimm und vor allem die visuelle Aufmachung und der Erinnerungs-Ansatz haben mir sehr gefallen. Auch die allgemeine Erzählweise des Falles wirkte erfrischend auf mich. Nun bin ich auch ein absoluter Whodunit-Fan, muss ich dazu sagen. Allerdings bin ich auch kritisch, so dass da schon eine gewisse Komplexität und Cleverness gegeben sein muss, um nicht durchzufallen. Punktet „Only Murders in the Building“ vor allem mit seinen verdammt gut und nahbaren Charakteren sowie der Chemie zwischen ihnen, weiß „Death and Other Details“ meiner Meinung nach mit einer deutlich besseren Geschichte aufzuwarten. Ich habe mich jedenfalls gut unterhalten gefühlt. Lasst mich gerne mit eurer Kronenwertung weiter unten und/oder Kommentaren wissen, wie ihr die Staffel fandet!
„Death and Other Details“ Staffel 2?
Noch hat Hulu nicht offiziell bekannt gegeben, wie es mit „Death and Other Details“ weitergehen wird. Inhaltlich dürfte mit der abschließenden Szene jedoch deutlich geworden sein, dass man sich von Seiten der Serien-Machenden eine Fortsetzung wünscht. Für Staffel Zwei haben die Schöpfer der Serie, Heidi Cole McAdams und Mike Weiss, sich auch bereits ein paar Gedanken gemacht. So soll der Aufstieg Imogenes als Jung-Detektivin mithilfe von Leila, Teddy und Jules beschrieben werden. Ich würde mich über eine Fortsetzung freuen, bin mir aber nicht sicher, welchen Einfluss die gemischten Bewertungen auf Hulu haben werden, dürfte die Produktion doch recht kostspielig sein. Vielleicht baut man aber auf die Stärken sowie das Potenzial und feilt an den Schwächen. Dann kann da ein tolles Format draus werden, das inhaltlich deutlich mehr Fortsetzungspotenzial als das ewig an einem Ort spielende „Only Murders in the Building“ besitzt.
Bilder: Hulu / Disney+
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