„Wannst mim Deife danzt, wannsd mim Deife danzt, wannsd du mim Deife danzt, dann brachsd guade Schuah, wannsd du mim Deife danzt, na brachsd du guade Schuah, sonst lassd er di ned in Ruah.“
Das ist ein Auszug des Titelsongs der neuen Comedy-Serie „Der Beischläfer„, die seit dem 29. Mai auf Amazon Prime Video erhältlich ist. Die Interpreten des Songs nennen sich „Dreiviertelblut“ und, wie unschwer zu erkennen, nutzen diese fleißig einen dem Hochdeutsch fernen Dialekt, der vielen als „Bayerisch“ bekannt ist. Warum gerade dieser Song, fragt man sich? Ich kann nur mutmaßen: Vielleicht, weil die Serie in München (Bayerns Hauptstadt!) spielt, vielleicht auch, weil deren Darsteller zumindest versuchen, diesen Dialekt zu sprechen. Worum geht es denn überhaupt? Oldtimer-Restaurator Charlie Menzinger (Kabarettist Markus Stoll, aka Harry G) wird plötzlich zum Schöffen am (Königlich Bayerischen?) Amtsgericht bestellt und soll fortan mit der feschen blonden Richterin Dr. Julia Kellermann (Lisa Bitter) über Recht und Unrecht (zumindest mit-)entscheiden.
„Beischläfer? Ja, so nennen sie uns, für die sind wir nur störende Laienrichter.“ (Schöffe Conrad zu Charlie)
Gut besetzt ist sie ja, diese Serie, deren Optik, Soundtrack und Story sicherlich nicht nur zufällig an bayerische Klassiker wie „Monaco Franze“ oder „Kir Royal“ erinnern soll. Wir treffen gute Bekannte wie Daniel Christensen, der schon in diversen „Franz Eberhofer“-Verfilmungen („Leberkäsjunkie“) als Klempner Ignaz Flötzinger die Damenherzen reihenweise (nicht) zum Schmelzen brachte oder auch Helmfried von Lüttichau, der jahrelang als Staller an der Seite von Christian Tramitz in der Serie “Hubert und Staller” diverse Kriminalfälle aufgeklärt hat.
Charlie Menzinger, unser Held, werkelt in seiner „Oldtimer-Autowerkstatt“ bevorzugt an sportlichen roten Flitzern italienischer Herkunft. Nein, keine Ferraris, Alfa Romeos spielen hier die heimliche Hauptrolle. Klassiker aus den 70er Jahren, deren Optik und Sound einfach Lust aufs Cruisen wecken. Eine kleine Anmerkung: Der automobile Hauptdarsteller, ein feuerroter Alfa Romeo (Bertone), durfte bereits in den 80ern in einer weiteren bayrischen Kult-Serie namens „Irgendwie und sowieso“ auftreten. Sepp (Elmar Wepper) war der Besitzer und „Effendi“ (Robert Giggenbach) der Fahrer dieses kultigen Spaßmobils. Doch zurück zu Charlie. Der kommt zum Job des Schöffen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind. Entsprechend lange hat er diverse schriftliche Schreiben der Behörden ignoriert und wird sodann von Justizbeamten abgeführt, um zu seiner neuen Wirkungsstätte, dem Amtsgericht, verbracht zu werden. Dort zeigt sich ihm bald auf, wie er diese neue Berufung zu seinem Vorteil nutzen kann, was da so unter der Hand alles möglich ist und wo „in Wirklichkeit“ die Entscheidungen über Schuld und Unschuld getroffen werden: eben nicht im Gerichtssaal unter Zeugen!
Sein Kumpel, Franz Xaver Holzapfel (Daniel Christensen) ist ein wahrer Tausendsassa oder auch Lebenskünstler. Vom Alfa-Importeur – frisch aus Italien, natürlich selbst überführt – bis zum Produzenten original bayerischen Tequilas hat er so einiges als Einnahmequelle durch. Wie dem auch sei, beide bestehen so manches Abenteuer, streiten sich, versöhnen sich bei ein, zwei, drei Bier oder einer Flasche Tequila, so wie sich das eben gehört. Franz Xaver, der sich auch mal gern ‚Xavier‘ nennen lässt, ist um keinen flotten Spruch verlegen, hier ein Beispiel:
„Ja spinnst du, des is ja wie wenn die Hebamm‘ während der Geburt eine rauchen geht!“ (Xaver zu Paul)“
Okay, ich rekapituliere. Das Autorenduo Murmel Clausen und Mike Viebrock hatte sich hehre Ziele gesetzt, wenn sie mit „Der Beischläfer“ an die bereits erwähnten Serien wie „Monaco Franze“ anknüpfen wollten, bzw. sich diese als Vorbilder nahmen. Gut, der „Monaco“, in den 80ern herausragend verkörpert durch Helmut Fischer, das war schon so eine Lichtgestalt. Der gehört zu München wie der BER zu Berlin, jeder kannte ihn seinerzeit, verknüpfte den Seriencharakter mit dessen Heimatstadt München fast untrennbar. Markus Stoll ist allerdings eben nicht Helmut Fischer, auch wenn sie die großen, traurigen braunen Augen gemeinsam haben. Das war’s dann aber auch leider. Stoll schafft es leider nicht, seinem Charakter Charlie den nötigen Lausbuben-Charme zu verleihen und er schwankt immer wieder zwischen coolem Gesetzes-Ignoranten, dem die Justiz so richtig auf die Nerven geht, und dem geläuterten Schöffen, der ja dann doch sein Ehrenamt sehr ernst nimmt. Auch sehr störend ist die Tatsache, dass er (als gebürtiger Regensburger!) ein solch künstliches Bayerisch spricht, dass es einfach unglaubwürdig wirkt. Dann bitte im Hochdeutschen bleiben, was für echte Münchner inzwischen eh viel wahrscheinlicher ist.
Helmut Dietl als Regisseur der damaligen 10-teiligen Serie galt auch als einer der besten, aber auch eigenwilligsten deutschen Film- und Fernsehschaffenden, der mit seinen Figuren teilweise Charaktere für die Ewigkeit kreiert hat. Dies wird bei „Der Beischläfer“ zwar nicht erreicht, aber dafür sind die Nebenrollen teilweise wirklich gut besetzt, allen voran Helmfried von Lüttichau als Charlies Schwiegervater. Zwar waren hier auch immer wieder Figuren zu finden, bei denen dann doch sehr tief in die Klischeekiste gegriffen wurde, aber das könnte man auch damit erklären, dass ja die ganze Recht-/Unrecht-Geschichte nicht zu viel Tiefgang bekommen, sondern als leichte Unterhaltung dienen sollte. Kommen wir aber zum Wesentlichen: Denn gut unterhalten haben mich die sechs knackig-kurzen Folgen (rund 30 Minuten), untermalt von dem einen oder anderen Volksmusik-/bayerischer Folklore-Score. Die Stadt München wird in kurzen Schnitten gut präsentiert, was dann doch wieder etwas Lokalkolorit aufkeimen lässt. Die deutsche Justiz, vor allem deren bayerischer Ableger, wird aufs Korn genommen und arrogante Schnösel vorgeführt, Humor kommt allgemein nicht zu kurz:
„Aber…, wenn’s an guten Kaffee woll’n, dann drücken’s einfach bei dem Automaten auf Gulaschsuppe.“ (Charlie zu Staatsanwalt Rohrbach)
„Der Beischläfer“ ist keine Serie für die Ewigkeit und hat bestimmt nicht das Zeug zum Kult. Aber Bayern oder solche, die unser schönes Bundesland samt seiner Weltstadt mit Herz lieben, kann das Einschalten definitiv nicht schaden. Nichts besonderes, aber irgendwie mal wieder was anderes mit einer feinen Prise des sagenumwobenen Lokalkolorits.
Bilder: Amazon Prime Video
Ich finde es ja prinzipiell erfreulich dass ihr diese erfreuliche Serie aus meiner bayerischen Heimat Bayern rezensiert, und das auch noch weitgehend wohlwollend.
Nichtsdestotrotz muss ich hier mal reinblutgrätschen und einiges zu diesem dem Hochdeutsch fernen Dialekt klarstellen. Er heißt Bairisch, und nicht Bayerisch.
Bayerisch bezieht sich aufs Land, bairisch auf die Sprache. Klingt komisch, ist aber so.
Deshalb ist „Irgendwie und sowieso“ keine bayrische Kult-Serie, sondern eine bayerische Kult-Serie – mit e. Weil sie aus Bayern kommt. Wenn man aber betonen will, dass sie in Mundart gesprochen wird, dann bairische Kult-Serie (mit i). Wobei ich andererseits wohlwollen die Verwendung des Bindestriches hervorheben möchte.
Aber wenn man den Text von Dreiviertelblut zitiert, dann bitte korrekt: wannsd und lassd (mit d) und guade (mit d) Schuah (mit h am Ende, wie bei Ruah ja auch). Das Internet mit seiner Herdenimmu…, nein, Herdenintelligenz, nein, Schmarrn, Schwarmintelligenz (einer schreibt es falsch ins Netz und hundert schreiben es ab) kommt hier nicht über Zimmertemperatur.
Woher man das so genau weiß? Auf jeden Fall nicht von dort, wo man Markus Stoll ein „künstliches Bayerisch“ (sic!) vorwirft. Und natürlich auch aus dem Textbladl der CD von Dreiviertelblut, deren alle man im Plattenschrank stehen hat. Und selbstverständlich ist Dreiviertelblut keine bayerische Folklore, sondern „folklorefreie Volksmusik“ (Eigenbezeichnung).
Ach so: warum gerade dieses Lied? Es ist eine Metapher für: Wenn du außerhalb deiner Gewichtsklasse boxt, musst du standfest sein. Mist, das ist ja auch wieder eine Metapher.
So, und jetzt schau ich, ob ich auf Alpha noch „eine kleine Dosis Bob Ross“ bekomme.
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Die „Rechtschreibfehler“ im zitierten Liedtext sind nun korrigiert.
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