Der Hype war enorm: Seit Monaten wird die Werbetrommel für das große Comeback von Show-Titan Stefan Raab gerührt. Der erste große WTF-Moment auf dieser Reise war, als Raab ankündigte, zum dritten Mal gegen Regina Halmich boxen zu wollen.
Von all den Shows und genialen Momenten, die Raab in seiner Karriere hatte, war das definitiv das Letzte, woran ich dachte und was ich zurückhaben wollte. Dramaturgisch kann man es jedoch verstehen: Ein Boxkampf ist auf zwei Charaktere zugeschnitten, der Zuschauer weiß, was ihn erwartet (zumindest meistens), und eine Show gehört natürlich auch dazu – was Raab in jedem Fall beherrscht. Für ein Comeback ist ein Boxkampf also eine ziemlich gute Plattform. Trotzdem: Der erste Kampf gegen Halmich hatte seinen Reiz, weil er unerwartet kam und niemand große Erwartungen hatte. Allein die Tatsache, dass er überhaupt stattfand, war schon ein Highlight. Das kann man vom zweiten Aufguss nicht wirklich behaupten, und jetzt, beim dritten Mal, war die Erwartungshaltung komplett anders. Dazu später mehr. Je näher der Boxtermin rückte, desto mehr wurde über das Ausmaß des Comebacks bekannt. Raab geht mit RTL „all in“. Es ist keine einmalige Aktion, sondern Raab macht mit RTL das, was er damals mit ProSieben tat: die volle Show-Dröhnung.
Aber zurück zum Kampf: Elton, Frank „Buschi“ Buschmann und Laura Wontorra führten durch den Abend. Die Mischung aus Show und (Pseudo-)Sport ist inzwischen eine erprobte Disziplin im linearen Fernsehen. Spätestens seit „Schlag den Raab“, tja, hier war er bei vielen Formaten ein Vorreiter, weiß man, dass man auch mit untalentierten Sportlern mitfiebern kann. Der erste große Bruch kam jedoch direkt am Anfang: Statt einer sportlichen Hinführung wurde uns Zuschauern ein scheinbar endloser Rückblick auf Raabs beste Momente serviert. Genauer gesagt, es wurden _ALLE_ guten Momente gezeigt – schließlich dauerte das Ganze fast zwei Stunden. Man fragte sich unweigerlich: Was schaue ich hier gerade? Ist es ein Comeback, eine Ehrung des Lebenswerks oder eher ein Nachruf? Als Comeback fühlte es sich definitiv nicht an, und auch nicht als Sportevent.
Warten auf den Kampf. #raab pic.twitter.com/w1I4fWoCTt
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Die Prominenten, die in voraufgezeichneten Statements Raabs Fernseh-Comeback kommentierten, waren überschaubar. Gefühlt 90 % der Kommentare kamen von Bully Herbig. Was ist eigentlich bei ProSieben passiert, dass er und Raab, die beiden damaligen Zugpferde des „jungen“ Programms, nun mit dem großen Konkurrenten RTL zusammenarbeiten? Dann durfte Peter Kloeppel auch noch seinen Senf dazugeben, was wohl eine vertragliche Auflage von RTL war. Zudem sahen wir noch Judith Rakers und Anne Will (warum Anne Will?), auch Thomas Gottschalk war dabei. Alle lobten Raab dermaßen übertrieben, dass es schon weh tat. Ein Genie, Multitalent, er hat alles erfunden, sowas gab es noch nie – RTL hätte dazu Bullshit-Bingo-Karten austeilen können.
Von diesen Rückblicken ist bei mir kaum etwas hängen geblieben, aber insgeheim haben sie mich doch gefreut. Es war eben eine geile Zeit, und ja, Raab war auch genial – was soll man da anderes sagen? Die Tatsache jedoch, dass es hier um ein Comeback ging, fühlte man überhaupt nicht. Das versuchte Wontorra noch durch Interviews mit Promis aus dem Publikum zu ändern – von denen ich 50 % gar nicht kannte, da ich beim Trash-TV seit Jahren komplett raus bin. Aber auch das klappte nicht.
Irgendwann, nach gefühlten Stunden, wurde dann endlich der Boxring in die Halle gefahren. „Endlich“, dachte ich, „jetzt geht es los, endlich etwas Neues und keine Konserve mehr.“ Rückblickend muss man sagen, dass dieser Moment der Vorfreude fast das Beste an der ganzen Sendung war. Danach gab es noch ein oder zwei (?) weitere Werbepausen. Randnotiz: Ich habe schon lange nicht mehr bewusst Werbung geschaut. Und dann ging es endlich los. Regina Halmich wurde begrüßt, mit einem Song – und dann musste sie warten… sehr lange warten.
Der bisher spannendste Moment der Sendung. #raab pic.twitter.com/BcPIq4DtwL
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Es wurde ein Countdown gestartet, der bei „1“ angekommen, wieder auf „10“ zurückging. Dann sang Helge Schneider „Katzeklo“. Was? Ach ja, Helge war auch ein lobender Promi in den Rückblicken, und für den Song hatte er sich wie früher eine Perücke aufgesetzt und einen blauen Anzug angezogen. Danach wieder ein Countdown und wieder ein Song, diesmal von Raab selbst. Ein gefälliger Song, den Sido und ein anderer Rapper, den ich nicht kenne (#sorrynotsorry), fortführten. Im Kontext von Helge war das schon sehr seltsam. Wenn „Katzeklo“ wenigstens das Einmarschlied gewesen wäre, aber so? Ich verstehe es nicht. Nach der Musik kam die längste Showtreppe der Welt eingefahren. Das dauerte gefühlt zehn Minuten, und dann ging Raab weitere zehn Minuten die Treppe hinunter. Oh mein Gott! Obwohl ich nicht zur TikTok-Generation gehöre, war meine Aufmerksamkeitsspanne schon lange erschöpft. „Wann zur Hölle geht es endlich los?“ war mein einziger Gedanke. Kurz vor dem Kampf sah man dann Raab endlich in durchaus durchtrainierter Form. Zugegeben, angesichts der langen Auszeit hatte ich etwas mehr erwartet, aber eine „Killer-Plauze“ war es definitiv auch nicht. Und dann kam der Kampf. Es war schnell klar, dass es für Raab nur darum ging, nicht auf die Bretter zu gehen. Buschi sagte nach einer Minute: „Er pumpt schon.“
Halten wir fest: Ein ewig langer Rückblick, der sich wie ein Nachruf anfühlte; dann ein kurzer Moment der Neuheit, in dem Raab einen Song sang; und danach sollte es um Sport gehen. Doch statt Sport sah man einen unterdurchschnittlichen Promi-Box-Event. Versteht mich nicht falsch, 99 % der Zuschauer wären sofort KO gegangen, und es ist grundsätzlich mutig und eine Leistung, gegen eine ehemalige Weltmeisterin sechs Runden durchzuhalten. ABER: Es war das dritte Mal, es war lange angekündigt, er hatte alle Zeit der Welt – und man erwartete einfach mehr. Nicht unbedingt einen Sieg, aber zumindest, dass er boxen kann. Doch das tat er nicht. Keine Deckung, keine Beinarbeit, keine Führhand, nichts! Früher reichte das noch. Schließlich hatte er tausend andere Projekte am Laufen, und seine Mischung aus Mut und Wahnsinn hat gereicht, um zu begeistern. Aber er war so lange weg, dass das diesmal einfach nicht die Erwartungshaltung war. Die Ringrichterin zählte ihn schon in Runde 2 an. In dem Sinne kann man sagen, dass es schon nicht schlecht ist, dass er es geschafft hat, sechs Runden ohne KO zu überstehen. Dass er etwas besser als früher geboxt hat, sah man nur an Regina Halmichs Gesicht – sie hatte einige Blessuren. Aber das war’s dann auch.
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Im Ring, nach dem Kampf, kam dann die Überraschung, die eigentlich keine mehr war: Raab will wieder Shows machen. Man sah ein paar Tränen in seinem Gesicht, als das Publikum ihn mit viel Applaus feierte. Und das war’s, zumindest für mich. Es gab offenbar noch eine sehr peinliche Pressekonferenz danach, und damit auch die Ankündigung, dass Raab sein weiteres Comeback im Internet auf RTL+ feiern wird. Ich frage mich ernsthaft, wie das funktionieren soll. Wer schaltet denn RTL+ ein, selbst wenn Raab dort kostenlos zu sehen sein wird (was ich stark vermute)?
Fazit
Puh, wir haben das größte TV-Comeback der Fernsehgeneration 1990 bis 2010 gesehen, und ich weiß immer noch nicht, was das eigentlich sollte. Die Rückblicke wirkten lieblos zusammengestellt, und einen richtigen Fahrplan konnte ich nicht erkennen. Es war viel zu viel Lob ohne Ironie. Wenn man das eine Viertelstunde macht, okay, dann ist es lustig. Aber zwei Stunden? Das ist nicht mehr witzig, sondern fast schon peinlich. Raabs eigene Show-Talente kamen zu wenig zur Geltung, und der Sport war zu lahm, viel zu lahm. Insgesamt ist es für mich also eine Enttäuschung, auch wenn ich mir doch so sehr etwas anderes gewünscht hätte. Tut Raab sich damit einen Gefallen? Ich weiß es nicht. In jedem Fall nicht, wenn er in der nischigsten Streaming-Ecke namens RTL+ sein Zuhause finden will. Meiner Meinung nach ein großer Fehler.
Am Ende bleibt das Gefühl, als hätte man einen Ex-Partnerin / Ex-Partner wiedergetroffen: Man erinnert sich an die schöne Zeit, ein paar Gefühle kommen auf, die dann aber doch schnell wieder verfliegen, weil man merkt, warum man auseinandergegangen ist.
Bilder: Raab Entertainment / Willi Weber | RTL
> „Dann durfte Peter Kloeppel auch noch seinen Senf dazugeben, was wohl eine vertragliche Auflage von RTL war.“
Ich habe den Kampf nicht gesehen, aber ich bedauere ihn dafür falls deine Vermutung korrekt ist. Wirkte er sehr nach „Eigentlich habe ich keine Lust auf diesen Mist. Also, liebe Ex-Kollegen, habt bitte den Anstand es mich schnell hinter mich bringen zu lassen“?
> „Zudem sahen wir noch Judith Rakers und Anne Will (warum Anne Will?), auch Thomas Gottschalk war dabei.“
Judith Rakers ergibt Sinn. Sie hat mal laut Wikipedia mit Raab einen ESC moderiert. Aber bei Anne Will würde man eigentlich davon ausgehen, dass sie mögliche Kredite auf ein Haus schon längst abbezahlt hat. Oder warum man sonst als *völlig* unerwartete Person (Kloeppel war ja zumindest mal RTL-Angestellter.) bei so einem Bums beteiligt ist.
Kloeppel sollte wohl, abseits des RTL Stempels, die Seriösität widerspiegeln. Anders kann ich mir das auch nicht erklären.
Update: Gefallen tun bin oder her – Raab und RTL haben zumindest gestern quotentechnisch abgeräumt 🤷🏻♂️
https://m.dwdl.de/a/99598
Mit Anne Will hat Stefan Raab mal das TV-Duell moderiert.
Die Einspieler, die als lieblos und repetitiv empfunden werden, sind symptomatisch für eine mediale Praxis, die sich in der Wiederholung des Bekannten erschöpft und damit den Anspruch auf Originalität und kritische Reflexion ad absurdum führt.
Die Moderatoren Elton und Buschi scheinen in ihrer Darbietung nicht nur uninspiriert, sondern vielmehr unfähig, einen Dialog zu initiieren, der über die bloße Aneinanderreihung von Fragen hinausgeht. Buschis ständige Rückkehr zur Frage nach Raabs Erscheinungsbild nach jeder Werbepause ist nicht nur trivial, sondern zeugt auch von einer erschreckenden Oberflächlichkeit, die das Publikum auf eine passive Konsumhaltung reduziert. Die Entscheidung, das Publikum nach Meinungen oder Gefühlen zu befragen, illustriert eindrücklich die Abwesenheit einer fundierten redaktionellen Arbeit seitens RTL – ein Zeichen der Entfremdung zwischen Produzenten und Rezipienten.
Musikalisch stellt das Ereignis ein Desaster dar. Es ist kaum zu fassen, dass selbst ein Künstler wie Helge Schneider nicht live performte – ein Umstand, der im Widerspruch zu Raabs eigener Abneigung gegen Playback steht. Der gefällige Song von Sido und einem mir unbekannten Rapper wird zum Symbol einer kulturellen Verflachung; hier wird nicht nur die Musikalität entwertet, sondern auch die Möglichkeit eines authentischen Ausdrucks verwehrt.
Ski Aggu mag zwar als Randerscheinung gelten und droht in der Vergessenheit zu verschwinden, doch gerade diese Ignoranz gegenüber marginalisierten Stimmen ist Ausdruck einer arroganten Haltung innerhalb des medialen Diskurses. Es ist eine Aufforderung zur Reflexion über die Mechanismen der Ausgrenzung und die Verantwortung der Medien gegenüber einem breiteren Spektrum an kulturellen Ausdrucksformen. In dieser Hinsicht bleibt das TV-Duell nicht nur ein Beispiel für gescheiterte Unterhaltung, sondern auch für eine verpasste Chance zur kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Realitäten unserer Zeit.
Ski Aggu; Danke, dass du dir den Namen gemerkt hast. Ist bei mir absolut nicht hängengeblieben.
Ansonsten +1 was du schreibst.
Ich hab gerade mal die aktuellen Fotos von ihm gesehen. Die Kopf- und Barthaare sind mit einem Trimmer auf vielleicht maximal 2 mm gebracht.
Nur der Wampenansatz lässt ihn aussehen wie ein alternder „Agent 47“ aus den Hitman-Spielen (bei dem die Augenbrauen mitergraut sind) oder wie ein alternder Kratos aus den „God of War“-Spielen (für den vollständigen Eindruckt fehlt ihm ein Mindestmaß an stehengelassenem [Voll-] Bart).
Es würde mich nicht überraschen, wenn die Kinder seiner Fans ihre Eltern fragen: „Wer ist dieser cringey aussehende alte Mann und warum machen die alle so’ne Welle um ihn?“
Ist diese Exhumierung von Altstars eigentlich eine Erfindung der Neuzeit? Mir ist dies früher zumindest nie aufgefallen.
Zu seiner Hochzeit war Raab schon eine coole Nummer. Fresh, innovativ und mit ordentlich Schnauze. Irgendwann wurde es mir persönlich dann aber viel zu viel mit ihm und um ihn herum, und das gesamte Konstrukt fing an mich zu nerven. Und dieses Comeback schließt direkt an den ehemaligen Nervfaktor an.
Andererseits finde ich es trotzdem irgendwie begrüßenswert, dass ein solches Flaggschiff nochmal flott gemacht wird und uns damit vielleicht die ein oder andere Stunde Sendezeit mit irgendwelchem Ultra-Trash-Gedöns erspart bleibt.
Ansonsten halten wir es einfach mit Peter Lustig: „Abschalten!“ :-)
Jonas, kann ich so nur unterschreiben. Du bist nicht der Einzige, der sich am Samstag trotz Wissen, dass das vielleicht nicht das unterhaltsamste und spannendste Event sein wird, die „Stefan Raab Show mit alten Videos und Kommentaren über den Entertainment-Messias“ angeschaut hat.
Playback Helge null verstanden, was das soll.
Allgemein: Als ob Fernsehdeutschland auf Unterhaltung von vor 15 Jahren gewartet hat.
Nun ja, zumindest die Auflösung, wofür „NWSDH“ steht, nachdem alle spekuliert hatten, war dann doch ganz witzig – auf irgendeine Art. Die kommende Quizshow ist dann wohl nur etwas für RTL+ OnlyFans 🥱
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