Ob wir es schaffen werden, wöchentliche Einzelfolgenreviews zur letzten Freitag gestarteten Amazon-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ zu bringen, steht noch in den Sternen, aber da es zum Auftakt eine Doppelfolge zu sehen gab, dachte ich, zumindest dieses Kapitel noch entsprechend mitzunehmen.
Vor allem zwei Gruppen wussten, den alten „Herr der Ringe“-Spirit aufleben und ordentlich Spaß zu verbreiten. Zum einen wären da die Hobbits, die so wunderbar unbeschwert sowie gleichermaßen drollig und kratzig daher kommen. In dem Zuge müssen wir natürlich über den großen, grauen Zauberer sprechen, der im Raum steht. Ja, der Stranger hat schon gewaltige Anleihen eines gewissen Gandalf. Die Erstbegegnung mit den ihm in den späteren Filmen so holden Hobbits, die aufbrausenden Momente und seine allgemeine Habe. Auch hat der Glühwürmchen-Szene an den Moment erinnert, in dem Gandalf vor seiner Flucht aus Isengard mit einer Motte gesprochen hat. Und doch spricht die eigentliche Zeitlinie gegen diese Theorie, da Gandalf erst ein Zeitalter und somit über 1.000 Jahre später aufgetaucht sein soll. Aber: Er ist so alt wie die Zeit. Vielleicht hat man hier ein bisschen die Lehre Tolkiens verbogen. Ich würde aber eher darauf tippen, dass wir hier schlicht einen weiteren Vertreter der Maiar bzw. Istari, also der Zauberer, wie es Gandalf und Saruman waren bzw. sind, sehen. Allgemein hat es aber schon Vorteile für so ein Prequel, dass unsterbliche Figuren überall ihr Unwesen treiben können, siehe auch Elrond und Galadriel.
Die zweite Gruppe, die die Extreme der Hobbits knallhart erweitert, sind die Zwerge. Die werden hammerhart eingeführt, wobei wir nicht nur ein eindrucksvolles Khazad-dûm zu sehen bekommen, sondern auch einen wunderbaren Moment, in dem subjektive Relationen gelungen darboten werden:
„Remarkable. Never dreamed to find your city so changed.“ – „I had twenty years to do that!“ – „Has it been only twenty…?!“ (Elrond & Durin)
Vor allem die Szene mit Prinz Durins Familie hat mir sehr gefallen, konnte sie doch Herzlichkeit mit Humor verbinden und doch der eigentlichen Geschichte zuträglich sein. Bleibt noch die Frage nach dem glühenden Inhalt der in bester „Pulp Fiction“-Manier inszenierten Kiste? Meine Recherchen tippen auf Mithril, das gräuliche Gestein, das eine neue Ära der Zwerge einleiten soll.
Eine der eigentlich unsterblichen Figuren hat diese Folge viel unternommen, um doch ein Jahrtausende verfrühtes Ende zu erfahren. Galadriel schwimmt zunächst einsam und hoffnungslos durch das offene Meer, um von einem Floß aufgegabelt zu werden, das sich mir in mehrerlei Hinsicht nicht ganz erschlossen hat. Die Leute darauf waren gleichsam wohlwollend und abstoßend gegenüber Galadriel, die kleinen Holzstachel dürften Monster lediglich amüsieren und irgendwie hat mir die gesamte Dynamik nicht gefallen.
Dafür waren die Unterwassersequenzen bei den Wurm-Szenen verdammt stark inszeniert! Genau das ist die Produktionsqualität, die ich mir von einer Serie erhofft habe, die als teuerste ihrer Zeit gilt. Ganz nebenbei erhalten wir noch Information über neue Ork-Sichtungen, einen ein bisschen an Aragorn erinnernden Halbrand sowie die Silhouette eines mutmaßlichen Retters.
Mein Highlight war dann jedoch unsere erste Orksichtung! Die ersten hektischen Augen unter dem Holzboden haben für Aufregung gesorgt, der Monstertunnel, in dem Arondir umher wanderte, für Spannung. Alleine der Moment, in dem er auf die an der Wasserobefläche anlangenden Luftblasen blickt, um dann von dunklen Händen hinterrücks gepackt zu werden, was gelungen. Am besten gefallen hat mir dann aber der eigentliche Ork-Kampf, der vom Timing her wunderbar inszeniert worden ist. Das hat sich wunderbar nach und nach aufgerollt und ist zum genau richtigen Moment beendet worden, ehe es zu viel sinnlose Action wäre. Wichtige Notiz für den Hinterkopf: Das Sauron-Schwert scheint sich selbst wieder zusammen zu setzen?
Konnte die erste Folge gerade noch so über das „Herr der Ringe“-Gefühl auf vier Kronen gelangen, hat diese Folge sich die Wertung selbständig erarbeiten können. Das liegt vor allem daran, dass deutlich mehr passiert und die konkreten Ereignisse Charakter-Geschichten und -Motivationen authentisch in Gang setzen. Weiterhin bekommen wir auch tolle Bilder zu sehen und vor allem in den Hobbit- und Zwergen-Szenen gibt es die ein oder andere Prise dieses wohligen alten „Herr der Ringe“-Gefühles.
Noch immer fehlt die ganz große Konsequenz, was ich aber gar nicht mal der Produktion, sondern der Tatsache zuschieben würde, dass wir es mit einer Einleitung zu tun haben. Und die ist meiner Meinung nach mit dieser Folge gelungen. Wir wissen, welche Charaktere von Bedeutung sind, haben viele Neugier entfachende Elemente präsentiert bekommen und es fühlt sich bereits deutlich griffiger an. Jetzt darf sich dann bitte auch Großes daraus entwickeln. Nach dieser Episode ist meine Lust jedenfalls deutlich gestiegen, weiter zu schauen.
Bilder: Amazon Prime Video
Ist Gandalf der Fremde oder ist es doch ein anderer Magier?
Tolkien erzählt von fünf Istari/ Magiern die auf Mittelerde wandelten.
Die bekannten drei, Saruman der Weißen, Gandalf der Graue und Radegast der Braune und die beiden weniger bekannten Ithryn Luin, die im Osten von Mittelerde verschwanden und nicht mehr gesehen wurden. In der Textsammlung „Nachrichten aus Mittelerde“, die postum von Tolkiens Sohn veröffentlicht wurde, wird erzählt, dass nicht nur Gandalf, sondern alle fünf Istari erst tausend Jahre nach dem Beginn des Dritten Zeitalters in Mittelerde erschienen sind, also nachdem Sauron den Ring der Macht verlor. Bereits bei ihrem ersten Auftreten werden sie als alte Männer mit vollem Bart beschrieben.
Wenn man sich also tatsächlich dazu entschieden hat einen der Istari in der Serie ein ganzes Zeitalter früher als in Tolkiens Erzählungen erscheinen zu lassen und dieser Magier als erstes auf die „Harfoots“, die Vorfahren der Hobbits trifft und wenn er dann auch noch Leuchtkäfer mit seinen magischen Einflüsterungen manipulieren kann, drängt sich der Gedanke, dass es sich bei dem Fremde um Gandalf handelt geradezu auf. Zumal das Auftreten des Fremden überhaupt nicht zum dem beschriebenen Auftreten Sarumans passt und die Einführung eines sechsten Istari eine noch größere Abwandlung des Originals darstellen würde.
Ich denke, dass des Rätsels Lösung aber noch bis in die nächste Staffel auf sich warten lassen wird.
Dank dir für die Zusatzinformationen, das mit der posthumen Erweiterung bzw. Limitation der Istari wusste ich noch nicht. So würde ich auch eher der Theorie folgen, dass man sich da Gandalf hingebogen haben dürfte.
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