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„DEXTER“-Fans dürften die neue Folge von „Dexter: New Blood“ mit einem mulmigen Gefühl begonnen haben. Vor etwas über acht Jahren gab es mit der Episode „Remember the Monsters?“ eines der unrühmlichsten Serienfinals der bisherigen TV-Geschichte. Auch weil Dexter damals zur Überraschung vieler überlegt hat, war der Weg frei für ein Comeback und einen zweiten Versuch. Immerhin war „Dexter: New Blood“ von Beginn an als Event-Miniserie angedeutet. Doch wird es auch dabei bleiben?

Im Gegensatz zu den neun vorherigen Folgen gibt es dieses Mal kein Cold Opening, wir springen direkt in die knackig geschnittene Title-Sequenz und die Folge selbst rein. Charmanterweise übernimmt Molly mit einem „Welcome to Iron Lake…“ in Podcast-Manier das Intro für uns. Soweit, so gut. Harrison bekommt eine neue Jacke und mit Sicherheit bald einen Pool. Gar nicht so schlechte Aussichten also?

„Maybe somewhere warmer…?“ (Dexter)

Dann beginnt das Unausweichliche. Dass ausgerechnet Angela beim gefühlt ersten Blick auf eine gigantische Brand-Stelle etwas findet, passt in das meiner Meinung nach zu viel auf Zufällen basierte Drehbuch der Serie. Erst dachte, Dexter hätte noch seine Bluttropfen-Trophäen gehabt, von denen etwas den Brand überlebt hat. Aber nein, es geht natürlich um die Titanschraube von Matt Caldwell. Später sollte Dexter selbst feststellen, dass er doch mittlerweile gelernt haben müsste, dass Titan nicht in Feuer schmilzt – so ein Beweisstück bei sich daheim liegen zu belassen… naja.

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Die erste Gewissheit für diverse vor der Folge aufgestellte Theorien haben wir dann bereits nach wenigen Minuten: Angela nimmt Dexter fest. Der kurze Moment, in dem Dexter beim Blick zum Küchenmesserset mit dem Gedanken spielt, sich zur Wehr zu setzen, war visuell gut inszeniert, weist jedoch bereits auf zukünftige Probleme dieser Folge hin.

„What the hell is this about?! (Cause there’s at least a few options…)“ (Dexter)

Dexter hat also jahrelang die Miami Metro Police plus das FBI an der Nase langgeführt, aber ein paar Dorf-Cops bekommen ihn binnen weniger Tage dran, klar doch… Persönlich werde ich jedoch davon abgelenkt, dass Radioheads „A Wolf at the Door“ zwar ein schöner Song ist, ich mich jedoch frage, ob er nicht – wie einige andere zuvor – eher zu modern und chartig für einen Einsatz in der Serie ist. Dass Dexter bei der Festnahme direkt Dexter Morgan auf dem Schild stehen hat, ist natürlich korrekt, dürfte aber im Polizeisystem eh direkt so einige Alarmglocken läuten lassen.

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„Hello, Dexter Morgan.“ (Angela)

Die kleine auf die Anfänge abzielende Einlage mit dem erlernten Sarkamus hat mir gefallen. Ebenso, wie auch Harrison spontan (wenn auch nicht ganz so souverän wie sein Dad) auf die Anrede „Chief Bishop“ umsteigt. Dass er und Dexter fünf gemeinsame Minuten bekommen sollten und diese dann eher 50 Sekunden ausmachen, ist wirklich vernachlässigbar. Denn was jetzt beginnt, ist der impulsive Sprint-Versuch, nicht nur die Handlung dieser Miniserie, sondern auch in gewisser Weise die komplette Hauptserie nochmalig abzuschließen. Welche Kreise das Ganze noch ziehen soll, demonstriert der Anruf bei Batista, der nebenbei erwähnt, dass da ja „noch diese eine Theorie“ war, der man aber nie nachgegangen ist, weil Dexter ja Tod sei. Dennoch hat er die LaGuerta-Akte griffbereit in der Schreibtisch-Schublade als wäre er seit Jahren dabei, ihren Mörder ausfindig zu machen. Kleiner Hinweis an den führenden Ober-Polizisten: Man kann auch nach dem vermeintlichen Tod Verdächtiger weiter ermitteln. Aber gut, das tut ja eigentlich alles nichts zur Sache, auch wenn wir an dieser Stelle bereits wissen, dass das ruhige Kleinstadtleben für Dexter an dieser Stelle vorbei sein wird.

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Das zweite Gespräch zwischen Angela und Dexter habe ich als intensiv und deutlich besser als das erste wahrgenommen. Mit Spannung haben wir Zuschauer:innen abgewartet, mit welcher gewieften Taktik er sich aus dieser Situation zieht, hat er doch kurz zuvor noch verlauten lassen, bereits aus kniffligeren gekommen zu sein. Dexter zieht die Beweis-Karte bzgl. Kurt, um Angelas emotionalen Punkt zu treffen. So langsam werden alle Enden aufgenommen und in mir baut sich ein gewisses Vertrauen dazu auf, dass sich meine Theorie erfüllen könnte. Und dann fällt alles mit einer Aktion zusammen.

„Remember when you thought, not killing was the problem? How is that going for you?“ (Debra)

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Dexter dreht durch und befreit sich nicht nur, sondern bringt auch noch Logan um. Bitte, was?! Ab hier hoffe ich den Rest der Folge, dass ein Schnitt erfolgt und alles nur ein wirres Gedankenspiel bzw. eine Traum-Sequenz mit Debra war. Nein, das macht für mich einfach keinen Sinn… Dexter hat sich schon immer drastisch zu wehren gewusst, wenn ihm jemand auf die Schliche gekommen ist, das stimmt. Auch wähnte er die landesweite Verfolgung in der Gewissheit, dass Batista von seinem Überleben und der Verbindung zu den Miami-Fällen weiß. Aber das hindert ihn ja jetzt auch nicht davor, zu fliehen. Er hatte sich mit der Kurt-Taktik meiner Meinung nach eine gesunde Basis dafür bereitgelegt, nochmal mit Angela zu sprechen. Die Beweislieferung im Gegenzug zu einem fairen Gespräch, in dem ihr sie davon überzeugen kann, Vigilante-mäßig den Abschaum zu beseitigen, damit sie ihn gehen lässt. Die Chance wäre rational betrachtet in der realen Welt gering gewesen, aber Angela hat nicht nur in den vergangenen Folgen einige Andeutungen gemacht, was moralisch flexibles Verhalten in Anbetracht des großen Ganzen angeht, sondern auch später in diesem Serienfinale.

Nun gut, jetzt sind wir halt in dieser Situation. Spannend ist die Flucht Dexters allemal, wirklich sinnvoll in dem Moment jedoch weniger, hat er sich mit dem Mord an Logan doch ein unumkehrbares Problem an den Hals geschafft. Jetzt gibt es kein Zurück mehr!

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Dexter trifft sich mit Harrison, um aus der Stadt zu fliehen. Hat der Sohnemann mitten in der Nacht am Telefon noch ohne zu fragen jegliche Dinge gemacht, die von ihm verlangt worden waren, ändert eine Kleinigkeiten den kompletten Ausgang der Serie: Das Restblut an Dexters Hals. Die Macher:innen haben ihn ja sogar zwischenzeitlich im Spiegel gezeigt, wie er das Blut bemerkt und hastig abwischt. Fehler können im Eifer des Gefechts natürlich passieren, wie viel Dexter aber in seinen Jahren der Tötungs-Abstinenz als ehemalige Forensiker verlernt haben soll, ist schon gewaltig.

Harrison bemerkt jedenfalls die Flexibilität des Codes, wenn es darum geht, nicht erwischt zu werden, und zieht ziemlich schnell verdammt große Gedankenkreise; nimmt Gedanken-Debras Meinung an, dass wohl etliche Leute um Dexter herum sterben – auch seine Mutter? Dexter muss derweil erkennen, dass Harrison vielleicht doch nicht die gleiche Dunkelheit in sich trägt und zumindest noch eher in einer Pubertäts-getriebenen Wut-Phase etwas größeren Ausmaßes steckt. Die Teenager-Trotzigkeit gipfelt jedoch im üblicherweise eher selten geäußerten Wunsch der Todesstrafe für den Vater. Ne, das ging mir alles (mal wieder) viel zu schnell und unnatürlich, mal ganz von der Tatsache mal abgesehen, dass die Charakter-Stringenz meiner Meinung nach nicht gänzlich gegeben ist. Eigentlich hätte Harrison in der Situation spätestens beim zweiten „Ich erklär dir das gleich alles, wir müssen JETZT los!“ einlenken müssen.

„You’re just feeding this, this… ‚dark passenger‘ – it’s not even a passenger, it’s fucking driving! And you like it.“ (Harrison)

Aber okay, wie bereits bei der Szene als die Wrestling-Typen Harrison angegangen waren, haben wir also wieder ein unnötig öffentlichen und suboptimal getimetes denkbar wichtiges Vater-Sohn-Gespräch zwischen Tür und Angel. In welche Richtung sich die Situation dreht, ergibt sich dann erschreckend schnell. Erst dachte ich noch, dass Dexter sich selbst umbringt, aber nein, nicht ganz…

„You have to take the safety off.“ (Dexter)

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Nun mögen führende Erziehungs-Wissenschaftler:innen mir vielleicht widersprechen, aber dass man ein bereits vom Mutter-Tod traumatisierten Sohn nicht vor die Erfahrung setzen möchte, auch noch dem eigenen Vater beim Selbstmord zuzuschauen, macht durchaus Sinn. Ihn dann aber selbst den Abzug drücken und so erstmalig (soweit wir es zumindest wissen) einen Menschen töten zu lassen? Puh… Mal ganz zu schweigen von der Frage, ob ein Sohn, der kurz zuvor extrem erleichtert von der emotionalen Gleichheit seines Vaters erfahren hat, diesen überhaupt umbringen würde.

Ne, das waren impulsive Affekt-Handlungen, wo man hinschaut – und das passt einfach nicht. Vor allem nicht zur Figur des Dexter Morgans, die uns einst so über-rational und frei jeglicher emotionaler Einflüsse vorgestellt worden war. Aber genau das ist eben auch seine zentrale Charakter-Entwicklung, die uns in den letzten Sekunden dann auch nochmal vor den Latz geworfen wird:

„I’ve never really felt love. Real love. Until now.“ (Dexter)

Insgesamt war das aber ein ziemlich unrühmlicher Abgang, wie ich finde. Das fühlt sich wie ein Ende (für Dexter) des Ende wegens an. Gegen den Tod dieser Figur habe ich an sich nichts, hätte er doch eigentlich bereits im richtigen Serienfinale erfolgen müssen, wenn es nach mir geht, aber die Art und Weise ist zumindest mal fragwürdig. Emotional gelungen fand ich jedoch die Einblendung der zarten Wegnahme von Debras Hand in dieser Szene.

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Um alles noch ein Stück unnötiger zu gestalten, kommt Angela nicht nur unerwartet zeitlich passend zur Situation dazu, sie schickt Harrison auch noch weg, vertuscht seine Fingerabdrücke an der Waffe und nimmt den Mord an Dexter auf ihre Kappe. So ganz habe ich das auch nicht verstanden, hätte Harrison doch einfach bei ihr und Audrey bleiben können, oder nicht? Ein neues Leben beginnen. Vermutlich wollte sie aber vor allem ihre Tochter vor Harrison und bewahren. Und sei es auch nur vor den Geschichten über dessen Vater, die zwangsläufig die große Medienrunde machen werden.

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Und jetzt sitzen wir alle wieder hier. Verwirrt und ein bisschen wütend ob des Gesehenen. Vor allem zu Beginn dieser Miniserien-Staffel wurde bereits offenbart, welche Probleme das Drehbuch bisweilen in der Erzählung bekommt. Logikfehler, unglaubwürdig großes und umfassendes Entwicklungs-Tempo und vor allem verdammt viele Zufälle. Zwischenzeitlich hatte die Staffel sich aber stark verbessert und in einzelnen Folgen wahrhaftes, klassisches „DEXTER“-Feeling aufkommen lassen. Die Hoffnung darauf, dass die Fehler lediglich so etwas wie „notwendige“ Steinchen auf dem Weg zu einem erfüllenden Ende wären, wurde zumindest etwas genährt. Und dann das.

Die Folge war nicht komplett schlecht. Technisch war sie auf hohem Niveau, hatte etliche gelungene Momentaufnahmen zu bieten, der Schnitt war dynamisch und abwechslungsreich, selbst das Schauspiel war insgesamt gut, wenn auch bei vielen Figuren mit einigen überzeichneten Momenten. Dem gegenüber steht aber – mal wieder – die Tatsache, dass man viele Möglichkeiten hatte, ein Ende zu finden, selbst mit gleichem Ausgang, das jedoch anders erzählt wird, aber erneut keine gute Wahl getroffen hat. Man hatte eine zweite Chance auf ein Ende für die Geschichte um Dexter Morgan und hat sie erneut verkackt. Nur anders und dieses Mal unumkehrbar.

Auf IMDb hat die Folge ein Rating von 4,7 im Vergleich zu den anderen Episoden, die bei 8,5-9,7 liegen. Einige der ersten hätten meiner Meinung nach niedriger liegen und die Top-Episoden minimal niedriger liegen müssen, aber insgesamt passt das schon. Denn auch wenn – oder gerade WEIL – man zwischendrin gesehen hat, dass durchaus eine Berechtigung für diese Sonder-Staffel vorlag, muss man sich am Ende darüber ärgern, auf was für ein Ende die Geschichte hinaus war. Aber zur gesamten Staffel werde ich ggf. noch ein separates Spoiler-armes Review veröffentlichen.

So hat Dexter wenigstens seinen Frieden. Einen anderen, als ich es mir für ihn gewünscht hätte, aber dem Wissen, aufgeflogen zu sein, schließt sich wenigstens die Hoffnung an, dass sein Sohn vielleicht nicht ganz so schlecht dran ist und ein Leben vor sich hat.

Apropos Harrison – da wurden ja wohl mehr als nur zwei Weichen gestellt, um ein mögliches Spin-off leben zu lassen. Vielleicht bekommen wir in ein paar Jahren dann ja „HARRISON“ zu sehen. Ich fürchte jedoch, dass seine Umfragewerte unter Fans aktuell nicht wirklich gut aussehen…

„Let me die, so my son can live.“ (Dexter)

Bilder: Showtime

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Beitrag von:
Montag, 10. Januar 2022, 10:35 Uhr
DexterDexter: New BloodReview
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2 Kommentare

  • Ah, blöd. Also mehr so nach dem Motto ‚Was ist blöder als ein schlechtes Finale für eine Serie? Zwei schlechte Finals für eine Serie.‘ Hmm, ich habe zwar noch gar nichts davon gesehen, hätte mir aber gewünscht, dass Du da endlich ein würdiges Finale für eine Deiner Lieblingsserien bekommst. Wobei sich das gerade beim Lesen so anfühlt, als sei diese Mini-Serie tatsächlich eher eine Vorbereitung auf eine neue Serie HARRISON gewesen. Ich drück‘ die Daumen, dass das kommt… oder lieber nicht?

    • Wenn du Zeit und nichts anderes anzuschauen hast, lohnt sich das schon. Ultra-moderne Aufmachung und an sich auch tolle Atmosphäre mit (seeeehr grob betrachtet) stimmiger Story. Nur zielt eben alles auf ein – zumindest aus Sicht der alten Serie – nicht zufrieden stellendes Finale hin. Aktuell würde ich „HARRISON“ nicht wirklich gute Chancen einräumen, vor allem auch, weil einige die Darbietung wohl nicht überzeugend finden (ich fand die eigentlich noch in Ordnung).

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