Dexter Morgan ist zurück. Mal wieder. Nach dem Nachklapper in Form der Miniserie „Dexter: New Blood“ gibt es mit der neuen Serie „Dexter: Original Sin“ ein waschachtes Prequel. So ganz von Neuem und vor allem Frühem startet man dann jedoch nicht, setzt die heute erschienene erste Folge des Spin-offs doch direkt an das Staffelfinale von „New Blood“ an. Dabei ist es schön, Michael C. Halls Stimme mal wieder zu hören zu bekommen.
„I’ve experienced death so many times. But never my own.“ – Alter Dexter
Weniger schön ist dagegen, dass Dexter doch tatsächlich gerettet worden sein soll und wir somit ein zweites Serienfinale ohne finalen Exodus serviert bekommen haben?! Uff. Wie unnötig. Und wohl nur eine Weiche, um das bereits angekündigte weitere Spin-off mit Michael C. Hall in der Hauptrolle einzuleiten. Hinzu kommt der recht plumpe und meiner Meinung nach unnötige Kniff, den Moment des am inneren Auge vorbeiziehenden Lebens als Ausgangspunkt für die Origin Story zu nehmen. Und diese digitale Kamerafahrt vom OP-Saal auf das „Emerge(ncy)“-Schild…?! Naja. Das geht auch hochwertiger.
Was mit leichten Wacklern beginnt, kommt dann aber gefällig in Schwung. Das Intro ist tatsächlich die vorab veröffentlichte Promo in Form einer Hommage an die Morgenroutine des „DEXTER“-Originals. Ein bisschen schade, dass man dieses nicht erst zur zweiten Folge gezeigt hat, dann hätte der spätere „Ich hasse Mosquitos!“-Moment eine größere Wirkung gehabt.
„Oh, and quit fucking smoking! Excuse my french.“ – „Your french is excellent.“ – Ärztin & Deb
Der Cast gefällt mir jetzt schon sehr. Patrick Gibson hat als junger Dexter Morgan das schelmische Grinsen drauf, vor allem aber weiß er den Sprachduktus ähnlich zum alten Dexter zu setzen. Das passt schon sehr gut, finde ich. Da wir bei der Figur des Harry keinen wirklichen Zeitsprung haben, fühlt es sich zwar wie die Neubesetzung an, die es ist, aber Slater ist dennoch hervorragend. Letztlich wirkt er aber jünger und spritziger in seiner Art, die Tiefe und Schwere der Worte von James Remar aus der Mutterserie fehlen dann doch etwas. Aber das dürfte Gewöhnungssache sein. Masuka wird direkt mal mit einem „Motherfucker!“ eingeführt und auch Deb kommt natürlich fluchend daher, nice. Batista und Co. in jung wieder zu sehen, hat auch was. Patrick Dempsey wirkt noch ein bisschen so, als sei er für einen SNL-Sketch verkleidet, aber vermutlich wirkt es einfach so surreal, Leute wie ihn (oder auch Sarah Michelle Gellar sowie die noch hinzustoßende Christina Milian) im „Dexter“-Universum zu sehen.
Ungewohnt ist zunächst auch der Anblick vom jungen Dexter. Ja, auch Michael C. Hall hatte in Rückblenden teils lange Haare, aber dieses Bild hatte ich erfolgreich verdrängt. Mir gefällt die Darstellung des an einem wichtigen Lebenspunkt befindlichen Dexter Morgan aber grundsätzlich gut. Er ist nochmal dorkiger und soziopathischer als der Dexter, den wir in der Originalserie kennengelernt haben. Kommilitonen ziehen ihn als „Freak“ auf, seine Emotionsleere wird vom Professor als einzigartig gelobt und seine dominierende Rationalität zeigt sich gekonnt in einer Szene, in der er eigentlich Deb emotional stützen sollte, aber darauf hinweist, dass sie lieber schnell den Boden reinigen sollten, ehe das Blut vom heruntergefallenen Fleischstück antrocknet. Das einzige, das mir etwas unpassend vorkam, ist, dass Dexter für seinen zurückgezogenen Typen viel gebräunter daher kommt als sein Vater.
„I know, we hoped, slicing into bodies would be enough. But I’m still… hungry.“ – Dexter
Zwei Szenen, die den jungen Dexter Morgan charakterisieren und gleichermaßen der Mutterserie Tribut zollen, fand ich besonders gelungen. Zum einen die, in der Dexter – von Masukas schräger Lache angelockt – beim Polizeistand der Berufsmesse direkt zwei Fallbilder miteinander verknüpft. Zum anderen die Szene mit dem persönlich angepasssten Schmuddelheft, wobei mir hier vor allem das Fantasieren des später als „Bay Harbour Butcher“ bekannten Serienmörder-Serienmörders gefallen hat, ob er wohl auch mal einen Spitznamen erhalten wird.
Allgemein wird in dieser Folge das Observierungstalent Dexters gekonnt unterstrichen. Beim Aufspüren der mörderischen Krankenschwester hat man es tatsächlich geschafft, dieses alte „DEXTER“-Feeling zu entfachen. Vom ersten Gespür über das Sammeln von Indizien bis hin zum eigentlichen Mord.
„Just stop… her.“ – Harry
Dass ein sehr persönlicher Bezug zum ersten Mord führt, ist recht smart gemacht, auch wenn ich einen unabsichtlichen Instinkt-Mord für passender erachtet hätte. Und ja, es gab einige „kreative“ Übergänge zuviel, aber der vom Herzschlag des Opfers zum Fußgetrampel beim Volleyballspiel hat mir gefallen. Dazu noch das doppeldeutige „Morgan for the kill!“ vom Kommentator beim Spiel – und dann setzt noch der alte Score ein… hach! Ein wahrlich großer Moment (für den jungen Dexter aber auch uns Zuschauende).
„You never forget your first time. Mine was with an older woman.“ – Dexter
Das hat mir gut gefallen. Natürlich nährt die Folge (sowie die Serie allgemein) gewaltig von der Nostalgie zur Originalserie, weshalb ich mir eine höhere Bewertung verkneife (es hätten auch viereinhalb werden können). Dazu sitzt auch der Dexter-hat-schon-wieder-überlebt-Stachel vom Auftakt zu tief und mir haben einige visuelle Effekte zu sehr missfallen. Aber die Atmosphäre passt und das Wiedersehen mit so vielen alten Bekannten war äußerst herzerwärmend. Die Erzählerstimme funktioniert super, wir haben jetzt bereits zu sehen bekommen, wie Dexter Junior mit dem Code, der Jagd, dem Training und Trophäen in Kontakt kommt. Sogar der erste Mord ist direkt in dieser Folge passiert, statt ihn anzuteasern und in Episode Zwei zu bringen.
Und doch geht es jetzt erst richtig los. Mit einem Stundensatz 4,22 US-Dollar als Praktikant in der Forensik-Abteilung. Diese Pilotfolge hat es durchaus vollbracht, etwas Vorfreude in mir zu entfachen. Vor allem auch, weil ich mir weitere Rückblicke erhoffe, die das Emporkommen des Dark Passengers von Dexter genauer erörtern.
Ich werde übrigens vermutlich aus Zeitrgründen keine weiteren Einzelfolgen-Reviews zur Serie machen können, sondern eher ein allgemeines Staffelreview, sobald alle Folgen verfügbar sind.
Bilder: Patrick Wymore / Myrna Suarez / Paramount+ with Showtime
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