In der kommenden Nacht wird Jürgen Domian seine letzte Sendung nach fast 22 Jahren moderieren – wir hatten Euch darauf ja schon hingewiesen. Letzte Nacht lief aber bereits die offizielle Abschiedssendung – die hatte die Redaktion um einen Tag vorverlegt, weil Domian in der letzten Sendung heute Nacht nochmal eine normale Sendung machen wollte. Und es wurde glücklicherweise keine ganz wehmütige Abschiedszeremonie, sondern eine unterhaltsame Stunde mit Rückblicken und Gesprächspartnern aus den 20 Jahren.
Los ging es mit einem etwas anderen Intro – nämlich der allerersten Anmoderation vom 3. April 1995. Da lud Domian die Menschen noch ein, über alles Mögliche und Unmögliche, Gott und die Welt zu sprechen. Im Gespräch mit der Redaktion gab Domian dann zu, damals sehr nervös gewesen zu sein. „Schließlich war das meine erste Fernsehsendung, und dann noch direkt live. Ich wusste nicht, was passiert, ich musste eine Stunde reden.“ Thema damals: One Night Stands. Der erste Anrufer konnte nicht mehr ausfindig gemacht werden, aber den ersten Talk mit Steffen, 23, gab’s dann noch vom Band. „Ich wäre heute im Gespräch schneller dazwischen gegangen“, gab Domian im Anschluss an. „Und mir fällt auf – ich habe nicht immer in die Kamera geschaut.“ Damals hat der WDR sich dann bei ihm gemeldet und gesagt: „Wäre gut, wenn sie in die Kamera gucken würden – wir machen Fernsehen.“ „Seitdem stelle ich mir zwei Augen in der Kamera vor – das hilft“, sagte Domian.
Nach ein paar Monaten habe es dann den ersten ergreifenden Anruf gegeben. „Als ich hörte ‚Mein Name ist Hubert und ich rufe vom Sterbebett aus an‘, das war schon was. Man konnte ja über alles reden, das war für die Leute spannend. Und ich hätte aber nicht gedacht, dass das so lange gehen würde.“ Die späte Sendezeit – immer live – war für Domian schwierig, für die Gespräche aber wichtig: „In der Nacht spricht man anders miteinander. Es entsteht eine intime Atmosphäre, deswegen haben wir auch nur eine Kamera.“
Natürlich gab’s in der Sendung dann auch einen Blick hinter die Kulissen von 1995, mit der wunderbaren Anmoderation von damals: „Neu beim WDR: Man kann im Fernsehen Radio gucken.“
Gut gefallen hat mir das Gespräch mit Peter 60, und Elke 58. Das Ehepaar Dunaiski hat Domian produktionstechnisch viele Jahre begleitet; Elke war fünf Jahre als Psychologin tätig, Peter als Realisator. Er hat auch mit Domian die Sendung mitkonzipiert und weitere Formate erdacht. Was ich auch nicht wusste: Es gab mal eine Pilotsendung zu einer etwas anderen Domian-Sendung, bei der man nicht anrufen, sondern vorbeikommen konnte, im alten Turm am Rudolfplatz in Köln. „Es waren 1000 Menschen da, die dabeisein wollten“, erinnerte sich Peter Dunaiski. Wie viele stellten auch die beiden die Frage, was die vielen Zuhörer jetzt ohne Domian machen sollen. „Das tut mir leid, das muss ich aufrichtig sagen“, erwiderte Domian. Aber Psychologin Elke fand die richtigen Worte: „Du darfst Dich nicht verantwortlich fühlen für das, was Du jetzt nicht mehr machst.“ Elke selbst zeigte sich dankbar, an der Sendung mitgewirkt zu haben: „Auch wenn wir am Anfang nachts bis halb vier noch zu tun gehabt haben – durch die fünf Jahre habe ich gelernt, auch heute noch in jedes Gespräch reinzugehen mit dem Gefühl ‚Ich schaff’s, egal, welches Thema‘. Das hat mein berufliches Leben bereichert.“ Die beiden deuteten an, dass es rund um die Sendung große Erinnerungen gibt, die einem erhalten bleiben: „Die Sendung hat die Sicht auf die Welt geändert. Die Welt ist so vielschichtig – das ist eine entscheidende Erfahrung im Leben“, sagte Peter Dunaiski – ein gutes Gespräch.
Dann ging’s noch um den weißen Hirschen, der seit Ewigkeiten im Sendestudio steht. Viktor, 43, hat den weißen Hirschen ersteigert – für 43.000 Euro. Er wurde in die Sendung geschaltet – und wir konnten auch erfahren, wofür das Geld ist. Im Mildred-Scheel-Haus in Köln soll es zu einer Verschmelzung von Palliativmedizin und Hospiz kommen. Den Hirschen selbst darf Domian übrigens behalten: „Der Hirsch hat eine große Aura und er gehört zu Dir – deswegen soll er bei Dir bleiben“, sagte Viktor.
Schließlich war noch Dokumentarfilmer Jan an der Reihe, der heute in Berlin ein Public Viewing zur letzten Sendung veranstaltet. Dafür hat er ein Kino für 50 Leute gemietet. Auch der Domian-Kinofilm wird gezeigt – der läuft übrigens heute Nacht im Vorfeld der Sendung auch noch einmal im WDR.
Der bekannteste Anruf – der Hackfleisch-Mann von 1996 – war auch nochmal Thema, natürlich. Damals sei Domian noch nicht klar gewesen, was was das für ein epischer Anruf war. „Das war aber damals das Tolle, das wir hören, was Menschen machen, was man sonst nicht erfahren hat. Damals gab es noch kein Internet, und ich dachte damals auf dem Heimweg immer: Wer weiß, was hinter den Fenstern stattfindet an Absonderlichkeiten und Leid.“
Zum Schluss gab’s noch eine gute Nachricht für alle Domian-Fans: Gordon, Chef von nachtlager.de, meldete sich zu Wort. Er hat in den letzten Jahren immer alle Folgen hochgeladen ins Internet, so dass man die Sendung auch hören konnte, wenn man nicht live dabei war. Und 2017 geht’s weiter: Ab Januar werden bei nachtlager.de ganz alte Sendungen online gestellt, alte Archivware wird dann im Tagesrhythmus online gehen. „Alles von vor 2002 wird es dann immer zur Original-Domian-Sendezeit geben, bis 2024“, versprach Gordon Voß.
Dann war auch schon Schluss. Ich fand’s eine gute Idee, diese Art Abschiedssendung zu machen – und einen Tag vorzuziehen. So konnte man nochmal alles in Ruhe Revue passieren lassen, ohne großen Trubel oder übertriebene Wehmütigkeit. In der letzten Nacht möchte Domian nochmal mit seinen Zuschauern sprechen – eine gute Entscheidung. „Das wird morgen eine schwierige Sendung“, sagte Domian noch. Wir sind gespannt.
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