Sexualverbrechen sind ein tragisches Übel, bei dem es in den meisten Fällen keine Zeugen gibt, was wiederum eine Strafverfolgung erschwert. Und so steht oft genug Aussage gegen Aussage. Auch das Krimidrama „Du sollst nicht lügen“, das sich des Themas der Vergewaltigung annimmt, schildert diese Problematik: Kurz nach dem Ende einer langjährigen Beziehung lässt sich die Lehrerin Laura auf ein Date mit dem charmanten Arzt Hendrik ein. Nach einer gemeinsamen Nacht erwacht Laura allerdings mit Erinnerungslücken und ist fest davon überzeugt, dass Hendrik sich an ihr vergangen hat. Damit beginnt ein Kreislauf von gegenseitigen Anschuldigungen in denen sich beide Beteiligten im Recht sehen, der auch an Freunden und Familie der beiden nicht spurlos vorbeigeht.
Die Adaption der britisch-amerikanischen Serie „Liar“ mit Felicitas Woll und Barry Atsma in den Hauptrollen wartet mit einer starken Frage auf, mit der auch der Zuschauer zu hadern hat. Wurde nun Laura gegen ihren Willen zum Sex genötigt oder reagiert sie vielleicht völlig über und verkennt dabei die scheinbar guten Absichten von Hendrik? Die Serie geht der Frage von Opfer und Täter in vier Folgen à 45 Minuten nach und vermeidet mit dem cleveren deutschen Titel eine eindeutige Schuldzuweisung wer nun die Lügnerin oder der Lügner ist. Doch während man als Beobachter noch hin und hergerissen ist, wird einem bereits in der zweiten Folge offenbart, wer von beiden die Wahrheit sagt. Damit verspielt die Serie leider einen Großteil ihres Potenzials.
„Das ist mein Leben“ – Hendrik
„Und das ist mein Körper“ – Laura
Vor wunderschöner Kulisse zwischen dem Hamburger Hafen und dem Küstenort Cuxhaven beginnt diese eigentlich spannende Geschichte von zwei Menschen die aufeinandertreffen, sich attraktiv finden und miteinander flirten. Wären da nicht schon von Anfang an diese hölzernen Dialoge und Barry Atsmas aufgesetztes Schauspiel. Ihm gelingt es kaum den Frauenmagneten glaubhaft zu vermitteln. Stattdessen bleibt es bei einem Abziehbild eines Casanovas, der zu keiner Zeit ein echter Sympathieträger ist. Atsma scheint seine Rolle des skrupellosen Investmentbankers aus dem Finanzthriller „Bad Banks“ wohl noch nicht vollends abgelegt zu haben. Auch Felicitas Woll wirkt gerade zu Beginn des Geschehens noch etwas zu überspielt, findet dann aber in ihre Rolle – zumindest habe ich es so empfunden. Gelungen ist hingegen die Darstellung der unmittelbaren Auswirkungen der Geschehnisse. Laura veröffentlicht unmittelbar nach der Tat einen Post auf Social Media, in dem sie Hendrik öffentlich der Vergewaltigung beschuldigt, um andere Opfer zu warnen. Die Nachricht breitet sich nicht nur an Hendriks Arbeitsplatz aus, sondern auch an der Schule seines Sohnes, der ausgerechnet Lauras Schüler ist. Wie der Sohn versucht trotz allen Anschuldigungen zu seinem alleinerziehenden Vater zu stehen ist sehr rührend und hätte durchaus weiter beleuchtet werden dürfen.
Genauso wie Lauras Schwester, die zwar zu ihr steht, aber selbst nicht ganz überzeugt ist von der Geschichte. Ähnliches gilt auch für die Polizei, die lange Zeit im Dunkeln tappt. Selbst ärztliche Untersuchungen bringen keine belastenden Erkenntnisse. Wenn Hendrik Laura wirklich etwas angetan hat, dann war hier ein wahrer Profi am Werk. Als Arzt weiß er zumindest theoretisch welche Substanzen er einer Frau einflössen muss, um sie willenlos zu machen und wie und wann sich diese im Körper zersetzen ohne Spuren zu hinterlassen. Gegen Ende hin verfällt die Serie dann auch etwas zu hastig im Krimiallerlei. So geht es weniger um das Suchen nach der Wahrheit, sondern vielmehr um Macht und Kontrolle – insbesondere gegenüber Frauen.
Die von Jochen Alexander Freydank inszenierten Episoden wurden bereits als TV-Zweiteiler auf Sat.1 ausgestrahlt, dabei haben die Drehbuchautorin Astrid Ströher und der Autor Dirk Morgenstern die Handlung als vierteilige Serie angelegt, weshalb es auch nach jeweils 45 Minuten zu einer Wendung kommt. Die Vorlage kam sogar auf sechs Folgen. Vor einem Jahr wurde auch eine zweite Staffel des Original „Liar“ ausgestrahlt. Ob es auch von der deutschen Produktion eine Fortsetzungen geben wird, steht noch in den Sternen.
Fazit
Trotz fesselnder Ausgangslage, gelingt es der Serie nicht durchweg zu überzeugen und verkommt zum Ende hin zu solider Krimikost.
„Du sollst nicht lügen“ ist ab dem 18. Februar auf DVD und Blu-Ray erhältlich und auf Joyn PLUS+ abrufbar.
Bilder: Sat.1
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