Letzten März hatten wir beschlossen, nach Paris zu fahren, Osterurlaub. Daraus ist aus bekannten Gründen nichts geworden, und ich muss gestehen, dass ich Paris wirklich vermisse. Als noch keine Kinder da waren, sind wir praktisch jedes Jahr nach Paris gefahren, und sogar nach der Geburt unseres ersten Sohnes haben wir noch eine Tour auf uns genommen – unter anderem, um zu lernen, dass Kinderwagen nicht durch die Zugangstore der Metro passen, und dass man doch bitte einen Raum extra im Hotel mietet, um nicht den Abend im Badezimmer zu verbringen, damit man das schlafende Kind nicht stört.
Wie gesagt, aus der Reise wurde nichts, aber man kann sich ja mit Filmen und Dokus rund um Paris trösten. Und jetzt auch mit einer Serie, wie der Serientitel „Emily in Paris“ schon vermuten lässt. Die Story ist schnell erzählt: Junge Marketing-Nachwuchshoffnung wird von Chicago nach Paris geschickt, um dem dortigen Agentur-Ableger den „American way of… marketing“ beizubringen. Und von meinem ganz persönlichen Blickwinkel as lohnt sich die Serie auch direkt: Man bekommt nach wenigen Minuten die ganzen touristischen Highlights in bester Inszenierung präsentiert, seufzt im Sekundentakt „Da waren wir auch schon“ und ist erstmal glücklich. Doch dann kommt die Story.
Und ab da denkt man sekündlich nur noch „Warum, warum, warum“. Klar, wenn Paris schon im Namen auftaucht, dann hatten die Showrunner vermutlich auch vor, entsprechend zu liefern. Leider haben sie sich dabei aber zu sehr auf die altbekannten Klischees verlassen: die ach so typischen Pariser Straßencafés, die vorurteilsbehafteten Eigenarten der Pariser (Von „Vor 10.30 Uhr arbeitet hier keiner“ bis „Arbeiten, um zu leben versus Leben, um zu arbeiten“), die Abneigung gegenüber Amerikanern. In den sozialen Netzwerken laufen die Franzosen im Allgemeinen und die Pariser im besonderen schon Sturm gegen dieses mindestens längst überholte (und dazu im Grunde nie wirklich realistische) Bild, das „Emily in Paris“ hier zeichnet. Einzig zugute halten kann man der Serie, dass sie zwar auf der einen Seite das klischeehafte Bild von Franzosen zeichnet, auf der anderen Seite aber auch die Vorurteile gegenüber Amerikanern von französischer Seite zulässt.
Auch der Plot drumherum ist einfach so simpel und fast auf Soap-Niveau gestrickt, dass einem trotz der wirklich tollen Paris-Bilder schnell die Lust vergeht. Ich denke da an das Telefonat mit dem Freund in Chicago („Ach, es gibt Zeitverschiebung“) oder die Belehrung Emilys durch den Kollegen im Café. Dazu diesen doofen Instagram-Follower-Counter – wozu?
Immerhin, an zwei Stellen musste ich wirklich schmunzeln, weil die Sprüche wirklich solide waren: Einmal fragt Emily die Büroleiterin, ob sie mit ihr essen geht, worauf sie erwidert „Nein, ich werde eine rauchen“, und dann trifft Emily auf ein Kindermädchen, das Emily auf Französisch anspricht. Als Emily sich schon freut und fragt, ob sie für eine Französin gehalten worden sei, kommt nur die Antwort zurück „Nein, ich wollte nur höflich sein“.
Ansonsten hat die Folge ihre besten Momente, wenn die Pariser Agenturmitarbeiter untereinander Französisch sprechen. Da nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Und ich erfreue mich zumindest ein bisschen an den französischen Dialogen. Ach, hoffentlich kann man bald wieder reisen…
Bilder: Netflix
Als Setting hätte man besser noch Berlin wählen und damit das Klischee-Faß endgültig zum überlaufen bringen sollen.
Aber vielleicht heißt es dann in Staffel 2: „Emily in Berlin“.
;-)
Nicht unmöglich, fürchte ich. Als im Vorspann „MTV Studios“ zu lesen war, hätte ich schon ausschalten sollen. Aber wir haben uns gesagt „Eine Folge halten wir durch“. ;-)
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