Alles beginnt mit einer Stussy-Unterschrift, die zwar eher nach einem „R“ wie „Ray“ zu Beginn ausschaut, aber Emmit gehört. Allgemein gibt es Bürokratie und Papierkram, wo man nur hinschaut in den ersten Momenten dieser letzten Episode. Da wirkt der Schriftzug „This is a true story“ beinahe zum ersten Mal wirklich überzeugend, zumal er handgeschrieben ist und das „true“ nicht etwa verschwindet oder durchgestrichen wird – es bleibt. Das visuelle wie sinnbildliche Spiel mit den Standards im Opening hat mir sehr gefallen (wir hatten erst gerade im podcAZt über die unterschiedliche Verwendung gesprochen).
Allgemein schwingt eine Menge Ankündigung und Vorzeichen in den ersten Momenten mit. Beinahe wäre es das bereits für Gloria gewesen, doch sie zieht im letzten Moment ihre Kündigung vom Tisch. Gefundenes Fressen für „was wäre wenn?“-Theoretiker und engagierte Abstrahierungskünstler.
„You’re nearly done here.“ (V.M.)
In Sachen Zeichenkunst hat auch Nikki ordentlich dazu gelernt, die sich bestens ausgerüstet für Großes wappnet. Es liegt „finaler Showdown“ in der Luft. Da wirkt es beinahe kurios, dass der erste wirkliche Waffeneinsatz (zumindest nicht nur gedroht, sondern durchgeführt) mittels eines Mundsprays stattfindet. Nette Geschichte, netter Move.
„Wipe everything! We were never here.“ (V.M.)
Der „Drive by“-Shot mit den dem Kind hinterherlaufendem Kriminellen hat mir sehr gefallen. Allgemein hatte die Folge visuell so einiges zu bieten (daher gibt es heute für euch gleich ein Vielfaches an Screenshots, yay!). Aber auch inhaltlich war die Operation Austausch verdammt gut inszeniert. Man merkt richtig, wie vorsichtig Varga plötzlich ist. Man könnte gar von Angst sprechen, hat er mal ausnahmsweise nicht die Kontrolle – nicht mal über die Fahrstuhltür. Nikki hat sich in der vergangenen Episode ordentlich Respekt verschafft und diesen Zeichenwechsel spürt man in jeder Sekunde der intensiven Szenen. Mir tut es nur sehr leid um Meemo. Ich mochte Meemo. Wenigstens wurde seine Leiche aus unerfindlichen Gründen nicht zugedeckt (er wird doch wohl nicht…?).
Zwei Cent wurden auf den Kopf von Emmit ausgesetzt. Muaha. Ha. Alles ist nichts mehr wert. Erst Familie futsch, dann Partner und Bruder futsch und jetzt auch noch Unternehmen futsch. Alles futsch. Sogar das Auto will nicht mehr.
„I asked if you still feel you got room to fall or if this is bottom?“ (Nikki)
Eines hat er wenigstens noch: Symmetrie. Beim in der Knüste stehenbleibenden Auto wurde wunderbar vom mittigen Feld Gebrauch gemacht (nur der eine Pfosten ganz rechts… hmpf!). Die Szene war die beste der Folge und konnte eigentlich alles übermitteln, was „Fargo“ seit jeher ausmacht. Eine typische „Glück im Unglück?“-Situation mit einem zurückbleibenden Protagonisten voller Fragezeichen. Eine gelungen inszenierte Zufallsszene mit blutigem Ausgang. Der Schuss war natürlich beinahe utopisch gut, aber gehen wir einfach mal von einem gut geschulten Polizisten oder einfach nur Glück aus…
Eigentlich hätte die Folge auch vorbei sein können. Irgendwie wird die Situation und der Gedankengang in meinem Kopf ganz gut durch die folgenden zwei Worte zusammen gefasst:
„Okay then…“ (Gloria)
Parallel notiere ich mir, dass es einen „erhöhten Einsatz von Blendenübergängen“ gibt. Ein mehr oder weniger neues Stilmittel, dass gerade in dieser Gloria-Passage beinahe zu oft genutzt wird. Nur bei einer Sache nicht: dem Gesicht von Emmit.
Denn plötzlich heißt es „Fünf Jahre später“ und wir sehen einen geläuterten Emmit zurück im Kreise seiner Familie. Selbst Sy ist „so gut wie neu“ und irgendwie ist doch alles dufte. Man braucht gar nicht viel im Leben, außer Familie und einen Schokokuchen. Und endlich ist auch Emmit wieder mit sich im Reinen. Er hat es bewiesen: Er ist kein Essen, er HOLT Essen aus dem Kühlschrank. Okay, es bleibt beim Versuch… Gerade ist alles wieder okay, da beendet Mr. Wrench (der im Gegensatz zu den anderen scheinbar nicht gealtert ist) den Job. Irgendwie genugtuend und tragisch zugleich.
Um (fast) sämtliche losen Enden noch schnell zu verknüpfen können wir auch noch einmal Gloria in Aktion erleben. Ob sie nun in einer lesbischen Polizeibeziehung ist, bleibt leider offen, aber sie arbeitet beim „Department of Homeland Security“ – und hat Varga gefunden. Gefallen hat mir die Referenz zur Endlos-Spiegel-Verhörraumszene mit Emmit vor Kurzem.
„You’re asking me if there are phones in Belgium?!“ (
V.M.Mr. Rand, Daniel)
Und am Ende erleben wir eine kleine „Inception“-Hommage. Tritt der „Death of a Salesman“ ein oder kann er seinen Kopf erneut durch die Schlinge ziehen? Wir werden es (noch) nicht erfahren. Schrödingers Krimineller, quasi.
Die Zukunft ist gewiss, die Vergangenheit nicht. Ein interessanter Gedanke, gerade im Hinblick auf Fargo selbst. Ist die Zeit abgelaufen oder eilt noch ein Produzent mit einer rettenden Idee durch die Tür? Vermutlich war das zumindest vorerst die letzte Folge der Serie. Zeit ist aber natürlich noch, vielleicht kommt die Serie auch nach ein, zwei oder sieben Jahren wieder – verdenken könnte es ihr niemand, durch den zeitspringenden Staffelcharakter ist man eh offen und kann sich Lücken erlauben.
Aber zunächst zum Finale selbst. Das war gut und hat mir vor allem in den Szenen mit und um Nikki ungemein gut gefallen. Der Zeitsprung hinten heraus war mir dann doch etwas zu viel und wirkte drangeschweißt. Wieso Wrench derart lange gewartet, bzw. es ihn persönlich fünf Jahre später noch derart bewegt hat? Schwer zu sagen. Bei V.M. (was heißt es denn nun!?!?!?!?) Varga macht die jahrelange Suche natürlich eher Sinn, aber auch hier gab es bis auf ein, zwei kleine Weisheiten am Ende nicht mehr allzu viel für uns zu sehen. Insgesamt eine gute Folge und ein gelungener Abschluss, das große Feuerwerk hat sich aber in den Episoden zuvor abgespielt.
Fargo – Staffel 3 Review
Letztlich kann man sehr glücklich über das Staffelende (also die letzten Episoden von ihr sein), wie ich finde. Denn zunächst hatte sie einen zumindest mal holprigen Start. Das lag vor allem daran, dass mir die eigentlichen Protragonisten zu egal waren, wirklich warm wurde ich mit der Serie erst, nachdem ich mich mehr und mehr mit den Machenschaften der Kriminellen um Varga angefreundet hatte. Das hat mich fasziniert und dieser Ekel gepaart mit genialer Strippenziehung im Charakter des V.M. – herrlich!
Natürlich war es durchgehend stark produziert, bot regelmäßig toll anzusehende und regelmäßig originelle Aufnahmen. Aber die typische Mischung aus naiv-dümmlichen Figuren und Momenten sowie der radikalen Gewaltentwicklung in einem beinahe choreografierten Durcheinander kam tatsächlich erst im letzten Staffeldrittel auf. Die erste Hälfte hatte dann doch einige Mängel und Längen, die mir das Weiterschauen tatsächlich erschwert haben. Am Ende ist das natürlich Meckern auf hohem Niveau, aber Fargo hat sich eben vor allem durch die erste Staffel eine verdammt hohe Erwartungshaltung geschaffen – da wirkt es beinahe enttäuschend, dass keine 5-Kronen-Wertung zu finden ist und eine 3 ist vermutlich das schlechteste, was eine Fargo-Episode bisher gesehen hat. Aber wurscht – am Ende hat es die Staffel noch herumgerissen und uns belohnt. Tolles Schauspiel, einige (nicht alle) gelungene Charaktere und viele schöne Anspielungen auf das eigene Franchise und andere Dinge in der Welt.
Wäre doch irgendwie schade, wenn die Macher sich nicht noch ein Kapitel ausdenken auf Basis echter Geschehnisse verschriftlichen können…
Bilder: FX
Mit diesem Ende hat Noah Hawley es zum ersten Mal geschafft, ein echtes Coen Brüder Ende zu simulieren. Deren Filme enden meistens auch erstaunlich offen und zu fast schon willkürlichen Zeitpunkten, obwohl die jeweilige Geschichte eigentlich zu Ende erzählt wurde.
Das Opening hatte ich tatsächlich komplett vergessen und wollte eigentlich noch fragend darauf zurückkommen, da sich mir zumindest kein offenkundiger Bezug dazu ergeben hat. Vielleicht war ich aber auch nicht aufmerksam genug. Konnte aber auch keinerlei anderweitige Deutungen entdecken. Wie es scheint, dienten die ersten Minuten tatsächlich nur der Auseinandernahme und dem Spiel mit der „wahre Geschichte“-Lüge zu Beginn einer jeden Folge:
https://mobile.nytimes.com/2017/06/21/arts/television/fargo-season-3-finale-noah-hawley-interview.html
Ja, muss man sagen, das war ziemlich gut und entschädigt für eine sonst eher enttäuschende Staffel. Dass Emmit ausgerechnet am Kühlschrank stirbt, ist natürlich gut eingesetzt. Und die Übergabeszene war richtig genial, besser geht’s eigentlich nicht. Und das offene Ende – genau richtig gesetzt.
Insgesamt die drittbeste Fargo-Staffel, meiner Meinung nach. ;-)
Hehe, schöne Einstufung. :) Wäre die erste Hälfte nicht gewesen, hätte ich die Staffel gar über die zweite gesetzt, da mir gerade die Antagonisten ungemein gut gefallen haben.
Also ich persönlich fand sie viel besser als die Zweite. Der Kleinstadtbandenkrieg aus eben dieser Staffel hat mich eigentlich ziemlich kalt gelassen.
Ich kann mich eigentlich nur meinen Vorrednern anschließen. Hier wurde fast alles gesagt… Eine tolle dritte Staffel, die aber eine Zeit lang braucht bis sie in Fahrt kommt. Das erste Drittel ist ein bißchen zu sehr in die Länge gezogen und es erging auch mir so, dass ich mich nach den ersten beiden Folgen eher schwer tat, weiter zu gucken. Aber dann wurde es immer besser. Und gerade die Charaktere um Varga, Nikki oder Yuri waren klasse gelungen. Ein wenig verwirrend fand ich zwar den Auftritt des Herrn im Bowling-Center aber ich glaube, da braucht man einfach etwas Fantasie um sich das passend fertig zu reimen. Denn wirklich aufgeklärt wird es nicht, weshalb die Beiden plötzlich einen Käfer geschenkt bekommen. ;) Qualitativ waren die letzten beiden zwei Drittel nicht schlechter als Staffel 1. Das Ganze aber natürlich nur objektiv betrachtet und subjektiv nur wenn man Billy Bob aus Staffel 1 rausnehmen würde ;) .
Ansonsten eine gelungene Staffel die wohl etwas schwächer als die Vorgänger ist, die mir aber wiederum an einigen Stellen doch besser gefiel als Staffel 2, was nicht zuletzt mit den guten Schauspielern zutun hatte.
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