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Blutige Vergangenheitsbewältigung

Review: Fargo – Staffel 5

17. Januar 2024, 08:46 Uhr
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Rund drei Jahre mussten wir warten, ehe es eine neue Staffel von „Fargo“ gab, in der Nacht zu Heute ist die fünfte Ausgabe der Anthologieserie (Trailer) auch schon wieder beendet worden. Auch wenn das ganz große Bombast-Finale ausblieb, habe ich mich mal wieder gut unterhalten gefühlt. Da ich in diesem Staffelreview auch auf ein paar Details eingehen möchte, habe ich die Spoilerampel mal auf „Rot“ geschaltet. Sicher ist sicher.

Harte Zeiten mit Sherriff Roy

Es ist das Jahr 2019 und wir befinden uns in Minnesota respektive North Dakota. Es gibt eine „wahre“ Geschichte, die viel Schnee, skurrile Charaktere, Polizist:innen diverser US-Staaten und die ein oder andere Fehde beinhält. Klassisch „Fargo“, könnte man sagen, und tatsächlich hat Staffle Fünf für mich wieder mehr von der ursprünglichen Mixtur mitbringen können, die den Coen-Brüder-Film oder auch die erste Staffel der Serie so großartig hat werden lassen.

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Eine zentrale Figur, die im Grunde genommen ausschlaggebend(!) für die komplette Geschichte ist, ist Roy Tillman. Der von Jon Hamm gespielte Sheriff wirbt damit, „A hard man… for hard times“ zu sein, letztlich scheint er diese harten Zeiten aber eher mitzubringen, denn zu bändigen. Roy ist ein Sheriff, der seine eigenen Gesetze schreibt und religiöse oder patriotische Argumente zur Hand nimmt, wenn sie ihm gerade in die Karten spielen.

„See, now your beta male thinks that having a firearm makes him an alpha, but it‘s just lipstick on a pig, you feel me?“ (Roy)

Ihm gegenüber steht Dorothy „Dot“ Lyon, eine harmlose Hausfrau, die es aber faustdick hinter den Ohren hat. „Fargo“ schafft es in dieser Staffel gut, eine Vorgeschichte nach und nach aufzuwickeln, während sich die Nachgeschichte ereignet und gewohntermaßen diverse Schneebälle ins Rollen bringt, die sich miteinander vermengen und ein großes Chaos stiften.

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Dabei erhalten wir auch immer wieder auflockernde Momente, wie die großartige Airhorn-Szene in der Auftaktfolge. Und dass Dorothy mit Nachnamen „Lyon“ heißt, aber ständig als „Tiger“ bezeichnet wird, hat mir auch gefallen.

Großartiger Cast & tolle Charkatere

Allgemein macht der Cast allumfänglich einen großartigen Job in dieser Staffel. Jon Hamm spielt überzeugend das Macht-Ekel, das groß von Ultimaten labert, um sich dann doch zu verdrücken, wenn es ernst wird, Jennifer Jason Leigh geht erschreckend gut in der Rolle einer hochnäsigen Superreichen auf, Lamorne Morris und Richa Moorjani haben mir als authentisch gezeichnete Polizeikräfte gefallen und Joey Kerry spielt einen halbstarken, aaligen Möchtegern-Lappen, bei dem man nicht weiß, ob man ihn hassen oder bemitleiden soll.

„But if you hate women more than you love money, I‘ll just take my millions elsewhere.“ (Lorraine)

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Und das war nur eine Hälfte! David Foley weiß alleine mit seinem souveränen Auftreten und seiner Stimme als dubios agierender Anwalt Danish Graves zu überzeugen, David Rysdahl spielt den naiv-treu-gutmütigen Ehemann Wayne vorzüglich und Sam Spruell schafft es alleine mit seiner teils verzögerten Dialog-Struktur Faszination zu erzeugen. Die Coen-Brüder lieben anscheinend skurrile Bösewichte mit noch skurrileren Haarschnitten. Allerdings hätte es für mein Empfinden diese magisch-mystische Vorgeschichte nicht gebraucht. Das hat mich an die eher unnötigen Supernatürlichkeiten in Staffel Zwei der Serie erinnert. Auch so hätte die Figur genug Tiefe gehabt, finde ich.

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Zentral hervorzuheben ist aber Juno Temple als Dot. Die Figur selbst reizt bereits enorm. Ihr undurchsichtige Vorgeschichte, die aufgesetzte Hausmutter-Harmlosigkeit gepaart mit den überraschend ausgeprägten Überlebens-Skills – man will einfach mehr von ihre erfahren. Temple beweist hier eine enorme Vielschichtigkeit in ihrem Spiel. Und ganz nebenbei hat sie pünktlich zur Weihnachtszeit eine nette kleine „Kevin – Allein zu Haus“-Einlage eingestreut.

Spannung & gekonnte Inszenierung, jedoch nicht immer

Figuren und Schauspielende sind das eine, letztlich muss aber auch die Geschichte und sollte – beim Anspruch einer Serie wie „Fargo“ – auch die Inszenierung nachziehen. Das ist größtenteils der Fall. Inhaltlich hilft auch im Vergleich zur zum Beispiel vorangegangenen vierten Staffel, dass das Grundkonstrukt an Figuren überschaubarer und die Geschichte kompakter erzählt ist. Trotzdem schafft man es, in etliche Gesellschaftsbereiche einzutauchen und Probleme aufzuzeigen. Sei es der ausnutzende faule Ehemann mit illusorischen Träumen oder die Reichen-Kritik, mit der alles andere als gespart wird.

„That‘s just reality.“ – „With all due respect, we’ve got our own reality.“ (Winston-Cop & Anwalt Graves)

Es geht aber auch um familiäres Zusammenhalten, Akzeptanz und eine gewisse persönliche Vergangenheitsbewältigung. Einige Zuneigungs-Wandel geschehen vielleicht etwas schnell oder übertrieben, es handelt sich aber auch um intensive Spezialbegebenheiten, die durchlebt werden mussten.

Die Bildsprache der Staffel bewegt sich auf hohem Niveau, auch wenn die ganz großen „Wow, wie krass!“-Momente ausfallen. Aber es gibt einige Szenen, die mir in sehr positiver Erinnerung geblieben sind. Sei es der Auftakt zur fünften Folge, der mit Kreativität und gutem Timing besticht oder diverse Aufeinandertreffen von Figuren. Szenen mit Dot und Roy sind beinahe ausschließlich fesselnd gut, aber auch die Situation, in der Munchs mysteriöse Aura durch Waynes Gastfreundlichkeit aufgetaut wird, habe ich sehr genossen.

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Das taktische Spielchen mit der Wahlveranstaltung hat mir gut gefallen, auch wenn so ein Dreifachnamenswechsel erstaunlich unbürokratisch und kostengünstig (von der hohen Schulderlassung mal abgesehen) vonstatten geht. Eine kreative Puppenerzählung hat nicht nur bei der Aufbereitung innerhalb der Serie geholfen, sondern auch das wichtige Thema häuslicher Gewalt beleuchten können, zudem haben mich die „Willkommen, Linda!“-Rufe an das „Hallo, Barbie!“ im Barbie-Film erinnert. Allgemein gab es auch wieder haufenweise Referenzen zu Coen-Filmen zu sehen, zum Beispiel Munchs Axt-Moment, der sehr ähnlich im „Fargo“-Film vorkam.

„You made a promise. To him. To me. You broke your vowel.“ – „You broke my fingers, my collarbone, three ribs. You dislocated my jar.“ – „I was just trying to fix ya.“ (Roy & Dot)

Wenn dann lautstark „YMCA“ ertönt während die MAGA-Patrioten auffahren, muss man schmunzelnd daran denken, wie viele von denen jetzt vielleicht vorm Fernseher hocken und entweder gar nicht verstehen, dass sie vorgeführt werden, oder wütend ausschalten. Die beste Szene der Staffel war die, in der Roy zum „Toxic“-Cover von Jeff Russo ft Lisa Hannigan aus dem Auto zur Scheune schreitet. Die angestaute und langsam in ihm hochkommende Wut, die zunächst nur von Außen betrachtet und akustisch ausgelassen wird – großartig!

„I have a question. If you‘re so smart… then why are you so dead?“ (Roy)

Allerdings gab es auch einige Kleinigkeiten, die mir nicht so gefallen haben. Allen voran das Product Placement. An sich ist es ja schlau, eine Figur einen Autohandel führen zu lassen, um so natürlich wirkende Werbung betreiben zu können, aber Kia kam mir dann doch zu plump rübergebracht vor. Wobei Sprüche wie „Wie auf einer Wolke fliegen“ schon fast so drüber waren, dass man es als bewusst ironische Übertreibung ansehen könnte. Dann hätten sie das aber noch stärker machen müssen.

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Auch inhaltlich hatte ich ein paar Fragezeichen. Zum Beispiel lässt die sonst selbst in sehr brenzlichen Situationen stets bedacht agierende Dot achtlos ein Gewehr liegen, jemand findet blind einen Geheimweg und der ach so episch-große finale Schusswechsel hat (sichtlich) keine Leichen erbracht?! Auch wirkten die Distanzüberwindungen auf mich teilweise nicht ganz schlüssig, ich bin da bezüglich der US-Entfernungen aber auch nicht geläufig genug unterwegs. Jedenfalls wurde zu Beginn oftmals „So weit weg?“-Verwunderung geäußert, was sich hinten raus nicht mehr wirklich danach angefühlt hat.

Insgesamt hat mir die Staffel aber sehr gut gefallen. Das war noch etwas besser als die an sich auch gute Staffel Vier, vor allem, weil es mehr altes „Fargo“-Feeling hat aufkommen lassen. Dennoch fehlte mir nach Oben noch einiges. Vielleicht war das diese gewisse Trotteligkeit einzelner Figuren oder mehr Brisanz hinten raus in der Auflösung der Geschichte. Denn irgendwie hat sich alles groß aufgebauscht, ist am Ende dann aber doch erstaunlich unspektakulär und schnell in sich zusammengefallen. Das mag man als entlarvendes Abbild der Realität und einigen Figuren unserer Gesellschaft abtun können, als reine Serienunterhaltung war das aber eben nicht ganz das (sehr hoch angesetzte) Niveau, das ich mir erhofft hatte. Das, plus einige der angebrachten Ungereimtheiten, führt dann doch „nur“ zu einer Gesamtwertung von vier Kronen, wobei ich auch kurz darüber nachgedacht hatte, auf viereinhalb zu gehen. Einigen wir uns einfach auf die gute alte 4,24-Wertung, okay? Das ist für mich geizigen Kronenverteiler schon eine ziemlich beachtliche Wertung. Letztlich war das deutlich besser als die eher enttäuschende dritte Staffel, vor allem zu Beginn und in der zweiten Hälfte der Staffel (zwischendrin gab es ein paar nicht mehr ganz so gute Folgen). An die großartige erste und noch immer sehr gute zweite Staffel kann Season Fünf dann aber doch nicht ranreichen.

6. Staffel „Fargo“?

Für einen kurzen Moment war ich überrascht, als ich auf der entsprechenden IMDb-Seite ein „(2014-2024)“ hinter dem Serientitel zu lesen bekam. So eine zweite Jahreszahl stellt auf der Plattform ja eigentlich das Produktionsende einer Serie dar. Aber nein, offiziell stellt die abgeschlossene Staffel zumindest noch nicht das Finale von „Fargo“ dar. Im Gegenteil, denn eigentlich hat Stoffentwickler Noah Hawley noch Material für mehrere Staffeln in petto. Nun liegt es an FX, das grüne Licht dafür zu geben, bzw. offiziell Stellung dazu zu nehmen. Das dauert aber beinahe traditionell beim US-Sender bzw. der Serie „Fargo“ immer etwas länger. Da auch die fünfte Staffel viel positive Kritik sowie einige Award-Nominierungen erhalten hat, dürften die Chancen gut stehen, dass wir uns über weitere Folgen der absurden Kriminalunterhaltung freuen dürfen. Ich hätte nichts dagegen. Und alleine, dass man das nach Abschluss einer neuen Staffel schreibt, ist ja schon einmal ein gutes Zeichen.

Bilder: FX

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Mittwoch, 17. Januar 2024, 08:46 Uhr
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