Ich habe die mehr als zweifelhafte Ehre, die Reviews zu „Fear The Walking Dead“ zu übernehmen. Michael hat genug von der Serie, was ich ihm keineswegs verübeln kann. Denn, um es vorwegzunehmen: Einen Wunder-gleichen Effekt in Sachen Qualitätsanstieg gab es leider nicht (wie teils bei der Mutterserie) durch mein Beitun Dasein als Rezensent. Ganz im Gegenteil, zum Auftakt der zweiten Staffelhälfte wurde die Produktionsqualität gar drastisch runtergeschraubt.
Das liegt an den ersten rund 85 Prozent der Folge, die in Konzeptmanier aufbereitet wurden. Als Interview-Tapes von Al und „selbsgedrehten“ Videodokumentationen. Eine Mischung aus Mockumentary und Reality-Show entwickelt sich, was man ja auch direkt mit ernstzunehmender Zombie-Unterhaltung assoziieren würde, ähem. In den lediglich drei Wochen Midseason-Pause hat sich für das Projekt „Hilfe“ so einiges getan. Alle wollen alles besser machen und verbessern – bis auf die Macher der Serie, die leider nicht mit Wortbekundung im Bild zu sehen sind. Schade. Aber lauter Leute suchen Hilfe, schließen sich der Gruppe an, es gibt mehr Trucks, mehr Kameras und wer weiß, vielleicht sogar irgendwann noch einen neuen Haarschnitt für Dwight?
„It wouldn‘t take much to make you look very presentable.“ (Daniel)
Alicia lernt den Stabkampf von Morgan und lässt Strand vorerst auf ihre eigentliche Hauptwaffe aufpassen. Auf einer Erkundungstour findet sie eine neue „If you‘re reading this, you‘re still here“-Botschaft und will fortan wissen, wer das wohl gemalt hat. Damit dürfte sich ihr Staffelziel bereits ergeben haben, was wohl recht unmittelbar mit der Geschichte Dwights verbunden sein dürfte.
Ein weiteres Staffelziel hat Luciana formuliert: eine fest Bleibe finden. Auch wenn sich das meiner spontanen Meinung nach etwas mit dem „Auf Achse“-Hilfsprinzip mit den Trucks beißt, macht es sicher Sinn, zumindest partiell sesshaft zu werden. Die Gruppe wird zu groß und viele Personen darin scheinen weniger Kampf-Material zu sein. Wobei, eigentlich braucht es ja nur den Haupttrupp in guter Form. Als Referenz für spätere Fehlschüsse: John trifft mit dem Revolver aus etlichen Metern Entfernung drei von drei Kopfschüssen während er fröhlich in die Kamera kommentiert.
Das tat er, um eine sehr konstruiert wirkende Situation zu bereinigen, in der ein Asthma-Inhalator, ein Vater, der kurz Zigaretten holen gegangen war, und vor allem Landminen eine Rolle gespielt haben. Da frage ich mich, ob man die nicht hätte markieren können? Ging ja wohl hauptsächlich um Walker-Gefahren und die dürften sich von knalligen „X“ am Boden wenig ablenken lassen.
Neben der allgemein etwas bescheuerten Story mit etlichen zumindest mal seltsamen Entscheidungen der Charaktere (gehen mit dem Inhalator zunächst zurück, dann wieder hin, statt ihn auf dir Veranda zu werfen) hat mich vor allem die Erzählweise gestört. Spannung im eigentlich spannendsten Moment der Folge war schlicht nicht gegeben, weil etliche Personen bereits zuvor in danach spielenden Interview-Einspielern zu sehen waren.
Am Ende folgt der „Kniff“, dass wir gerad ein (viel zu langes und schlechtes) Public Service Announcement gesehen haben. Meine Reaktion kam in etwa der des Kollegen gleich, der sich eher wenig euphorisch vom Uraltfernseher abgewandt hat.
„Take what you need,
leave what you don‘t,
help who you can.“ (Karton)
Wir bekommen noch fix die 2019er Claim-Erweiterung des Projekts „Hilfe“ zu sehen, ehe Humpelmann Logan wieder auftaucht und unserem vermutlich neuen Freund das Fahrzeug unterm Hintern wegballert.
„You got the front tire, it‘s not like…“ (Ehemaliger Trike-Besitzer)
Bei den vorherigen Folgen der Staffel fand ich jetzt nicht alles so extrem schlecht, wie Michael, aber auch nur sehr wenig gut und über das ewig währende Im-Kreis-Drehen der Story und die ständige Wiederholung des „Grüppchen fallen auseinander und zum (Mid)Seasonfinale kommen alle wieder zusammen“-Systems brauchen wir gar nicht erst zu reden. Jetzt also der gefühlte Neuauftakt Nummer drölfzehn, der gewiss nicht viel Euphorie entfacht. Schon alleine, weil man als Zuschauer mittlerweile weiß, dass jegliche FTWD-Euphorie eigentlich für die Katz ist.
Dass man mit einer Konzeptfolge (wieder) startet, finde ich an sich gar nicht mal so verkehrt. Dass man den VHS-Selbstfilm-Ansatz wählt, liegt von den Erfolgschancen her aber wohl höchstens bei 50:50. Ich will mal gute Landmine zum bösen Spiel machen, da ich nicht finde, dass das der „allerekligste Senf aller Zeiten“ war, aber ich mag halt allgemein gar keinen Senf, von daher schlechtes beispiel. Vielleicht passt die in der Folge angebrachte Analogie mit der „anderen Pferdescheiße“ besser? Das war halt irgendwie wie immer, wenig konkrete und vor allem interessante Handlung, viel bla-blubb (wo war eigentlich das „ich muss das machen!“ von Morgan…?) und mit der Kamera-Arbeit hat man sich recht simpel massenhaft Produktionskosten gespart, smart.
Aber nicht alles war total schlecht. Der Fall des Walkers vor die am Boden liegende Kameralinse war ganz nett, allgemein haben auch die Tape-Effekte, wie z.B. die Tonverzerrung im Intro, ganz gut funktioniert. Aber letztlich hat diese Erzählweise so schlicht nicht zur Serie gepasst. Da lag deutlich mehr Potenzial im eigentlich gar nicht so verkehrten Ansatz. Denn lässt man die Situation gefährlicher aussehen, geht auf stimmungsvolle Erkundungstouren, dann kann so ein Selbstfilmen verdammt viel Atmosphäre schaffen und uns näher an die Figuren bringen. In dieser Form wirkte es aber so, als hätte der Enkel vom Regisseur, der zum Geburtstag einen Mini-Camcorder erhalten haben, seinen ersten Zombie-Flick schießen wollen.
Was mir dann doch ein ganz kleines bisschen Hoffnung gibt, ist die Ausrichtung für die nächsten Episoden. Man scheint zumindest auf Verbundenheit in der Gruppe zu bauen. Also gibt es hoffentlich keine oder nur noch wenige Versprengungen, die zu Such-Missionen führen (wobei Alicia ja schon wieder andeutete…). Auch die Suche nach einer Bleibe könnte Potenzial haben. Aber wie gesagt: Hoffnung ist bei „Fear The Walking Dead“ ja eigentlich das Untoteste überhaupt…
Bilder: amc
Ich fand‘s ehrlich gesagt gar nicht so schlecht. Die Folge so zu inszenieren, hat mir gefallen. Klar, die Minengeschichte war quatsch, der Rest war aber nett. Ich hätte das Ende weggelassen, dann wäre es erzähltechnisch runder gewesen.