Eine bei Kaminfeuerknacken inszenierte Kamerafahrt über den in Schwarz gehaltenen Strategietisch führt uns geruhsam zur Ostwache und unseren „Gefährten“ im Schnee. Die visuell anmutende Stille vor dem Sturm, womit nicht nur gewaltiges Schneetreiben gemeint ist. Es strotzt nur so von gewichtigen Worten, stark erscheinend wollenden Sprüchen und verstörenden Blicken (armer Gendry!). Eine reine Männertruppe mit vielen starken Charakteren auf Ausflug, das merkt man.
„Down South the air smells like pig shit.“ – „You’ve never been down to South.“ – „I’ve been to Winterfell.“ – „That’s the North.“ – „Pfft!“ (Tormund & Jon)
Der aus Selbstzerfleischung übereitle Jorah überlässt Jon „sein“ Schwert Longclaw, The Hound mag keine Rotschöpfe und der verknallte Tormund schwärmt von Brienne – alles an sich ganz unterhaltsam, ich war aber froh, dass dieses „Gefährten“-Spiel keine Jackson’schen dreieinhalb Stunden andauerte. Dafür sorgte ein White Walker-Bär, der dann doch recht animatronisch aussah, wobei angefrorene Untotenbären sich ja vielleicht auch einfach so bewegen – kenne mich da jetzt nicht soo gut aus.
Jedenfalls gab es mal wieder ein paar „Sandor vs Feuer“-Momente, die andeuten, dass da noch ein großes feuriges Überwindungs-Aufopferungs-Ding folgen dürfte. Gefallen hat mir das Sounddesign, was beim hin und hergeworfenen Thoros (how the fuck wurde er hier bitte nicht zerrissen?!) zwischen den Speakern links und recht wechselte. Dazu der nette Partytrick mit dem erlischenden Feuerschwert – fertig ist die Fernsehunterhaltung!
„I thought you were the bravest man I ever saw.“ – „Just the drunkest.“ (Jorah & Toros)
Dass es nebst der herum streunenden Bären noch wundersam kleine Vorhut-Truppen der Untoten gibt, spielt dem eigentlich idiotischen Selbstmordvorhaben der Truppe natürlich in die Karten (ach DESHALB braucht die Armee so lange, die laufen hintereinander…). Ebenso, dass alle Skelett-Mitläufer eines Walkers auseinanderfallen, wenn dieser (sehr leicht in diesem Fall) getötet wird. Also, natürlich alle bis auf einen, den man mitnehmen kann, so will es die Regel. Wieder was gelernt! Ein Biss in den Handschuh dürfte aber keine Zombie-esquen Folgen haben, zumindest bleibt The Hound zunächst so „normal“, wie er eben ist.
Während Gendry als Nachrichtenüberbringer zurück nach Eastwatch gesandt und unnötig überdramatisch mit letzter Kraft vor dem Tor zum Liegen kommt (aber so wenigstens demonstriert, dass die Untotenarmee nur noch rund einen Tagessprint entfernt ist), tritt die Horde aufs Eis und fällt in selbiges., was eigentlich das Beste ist, was den „Gefährten“ passieren konnte. Dass das Eis natürlich bei einer Hand voll Männer bereits ordentlich knackt und knarzt, dann aber doch genau so lange mit dem Einstürzen braucht, bis der Großteil der Untoten in Stellung ist und das auch sauber reihum macht, naja, Zufall halt…
Genauso, wie die Tatsache, dass es bis auf Thoros, kein „Nicht-Rothemd“ erwischt hat (und haben wird). Der Main Cast bleibt intakt, nur das Kanonenfutter stirbt. Okay, bis auf einen anderen großen Tod…
„Careful, Beric. You lost your priest. This is your last life.“ (The Hound)
Widmen wir uns in der Zwischenzeit den weiteren Handlungsorten. In Winterfell konfrontiert Arya Sansa mit deren Brief in einem Dialog, der nicht weniger eisig als die Situation nördlich der Mauer ist.
„I suffered thing you can never imagine.“ – „Oh, I don’t know about that, I can imagine quite a lot.“ (Sansa & Arya)
Interessant finde ich die zeitliche Einordnung, dass Jon „seit Wochen“ weg ist. Durch die enorm hohe Frequenz in der bisherigen Staffel ist es schwer, die zeitlichen Parameter zu überblicken. Passend dazu wirkt es beinahe ironisch, wie sehr betont wird, dass es sich nach King’s Landing um eine verdammt lange Reise handelt.
Im Gegenzug findet Sansa Aryas Gesichtersammlung, selbige wirkt aber derart abgeklärt und reif, dass sie das Fass nicht überlaufen lässt und als Klügere nachgibt bzw. sich aus dem Staub macht. Dieser Hass zwischen den Schwestern wurde sehr leicht und schnell gesät. Klar, haben sich eine ganze Weile nicht gesehen und zuvor eh schon nicht wirklich geliebt, aber das ging mir zu weit. Dazu wirkt die Platzierung Briennes durch Littlefinger nicht wirklich versteckt, aber wenigstens wissen wir nun, dass Podrick mittlerweile gelernt hat, ein Schwert zu schwingen.
Auf Dragonstone berät Tyrion Daeny – äh, Daenerys… – in Sachen Thronstrategie und Altersvorsorge. Und spricht ziemlich direkt das aus, was alle bereits seit Staffelbeginn denken (diese Blicke!!). Da selbst Jon zu klein ist („Größe misst man nicht in Zentimetern!“ würden meine Eltern jetzt sagen), dürften Tyrions Chancen auf eine Vermählung dahin sein.
„I’ve been heroic on occasion…“ (Tyrion)
Daenerys macht jedenfalls nicht das, was Jon weiß: nothing. Genau diese Zwischenszene nach dem Erhalt der Rabenmitteilung (die sind aber schnell die Tiere!) hat mich etwas gestört. Dann auch wenn es vorher alle erwartet haben dürften, wurde aus der Hoffnung so Gewissheit und natürlich folgt die zu erwartende Kavallerie. Ich hätte es besser gefunden, wenn man zunächst glauben gemacht bekommen hätte, Daenerys würde nicht zur Rettung eilen (wollen), oder die Szene komplett raus gelassen hätte.
„The most important person in the world can’t fly off to the most dangerous place in the world!“ (Tyrion)
Aber gut, zurück zum eisigen Aufeinandertreffen. Die Kampfpause hat der schier endlosen Schlachtszene gut getan. So kam Ruhe herein und das Pacing konnte akzentuiert werden. Die Aktion vom Hound war natürlich selten dämlich, aber er wirft den Stein des Anstoßes. Das Durcheinander birgt ein paar choreografische Schwächen.
Wie sollen sich die Personen auf Jons Rat denn zurückfallen lassen, wenn sie eigentlich umzingelt sind? Wieso wirkt es so, als würden Massen auf die paar Leute im Zentrum zu sprinten, dann kommen aber immer nur eine Hand voll an? Und wie kann bitte selbst der in aussichtsloser Situation befindliche Tormund das überlebt haben?! Und plötzlich können die Untoten doch aus dem Wasser emporsteigen? Und wieso hat eigentlich niemand Dragonglass mitgenommen?!
Beim (Un)Töten des Drachen mittels Eisspeer hatte ich mir folgende Notiz gemacht: Kommt der wohl noch eisspeiend zurück? Wie dem auch sei, ab jetzt ist die Sache natürlich persönlich für Daenerys, hat sie doch eines ihrer Kinder verloren (was ja auch nur vierfach betont wurde). Wieso sie dann nicht (wenn nicht schon vorher) direkt nach dem ersten Speerwurf zumindest einen Drachen auf die Walker geschickt haben, ist mir nicht ganz klar. Eigentlich hätte man hier doch vielem den Gar aus machen könnten. Da tröstet mich auch nicht der nette Lifehack drüber hinweg, dass man Untote gut auf Drachenschuppen festspießen kann (dennoch vorsichtshalber notiert, man weiß ja nie).
Natürlich überlebt Jon, weiß gar nicht, was dieser Pseudotot sollte – wenigstens hat man sich die Cliffhanger-Option mit dem auf dem Eis liegenden Schwert als letzte Einstellung gespart. Gepasst hätte es zeitlich, denn nach 56 Minuten ging es weiter – noch eine Viertelstunde.
Eine Überraschung gab es dann aber doch noch. Nicht, dass Jon durch ein erneutes Wunder überlebt, sondern, dass dieses auf den Namen „Onkel Benjen“ hört. Den hatte ich tatsächlich komplett vergessen. Dass diese zweite Kavallerie es dann aber problemlos mit Pferd durch die Horde schafft, dann aber „keine Zeit“ hat, mit Jon mitzukommen, obwohl die Flanke jetzt komplett frei war und es irgendwie auch besser erscheint, wenn jemand überwacht, dass Jon nicht vom Pferd fällt… naja. Das war dann eher eine dämliche bis unnötige Aufopferungsaktion.
Ich merke gerade, wie ich mir scheinbar ausschließlich Fragen notiert habe… Also: Wieso besitzt Daenerys überhaupt so eine schnieke Wintergarderobe? Und wieso fahren sie und Jon plötzlich mit einem Schiff, anstatt auf Drache(n) zu reiten? Vermutlich, weil noch mehr Leute mitkommen – oder es gar bereits nach King’s Landing geht? Aber auch dann wäre es seltsam, da man ja mit Armeen und Drachen kommen wollte. Hm…
Die Situation am Krankenbett hat mich dafür vom Aufbau und Licht her an die Szene mit Margaery und Tommen aus Staffel Vier erinnert. Die eingangs rhetorisch gestellte Frage Tormunds, wie viele Menschen durch den Stolz Mance Rayders sterben mussten, hat Jon noch wie zu erwarten zu denken gegeben, so dass er einen liegenden Kniefall hingelegt hat.
Aber eine Frage hätte ich noch: Wo haben die White Walker diese gigantischen Ketten her?! Aber so vieles auch zumindest fragwürdig war, eines hat dann doch ohne Frage gesessen: das Abschlussbild. Denn obwohl man genau wusste, was passieren würde, konnte man dem Schauer beim Anblick des blauen Auges nicht entfliehen. Brrrr!
Man möchte meinen, die Macher hätten sich an Aryas Einstellung zu den Dingen bedient:
„Sometimes fear makes people do. unfortunate things. I’ll go with anger.“ (Arya)
Das ging ordentlich nach Vorne und war ein bisschen „Battle-Highlight“, wie zu alten Episode Neun-Zeiten. Die Konzentration auf die Nordstränge hat nach den teils sehr allumfassend agierenden Episoden geholfen. Mit der kleinen King’s Landing-Randnotiz konnte auch sichergestellt werden, dass der Rest der sieben Königreiche nicht Däumchen drehend abwartet, bis sie wieder dran sind.
Dennoch gab es die ein oder andere Ungereimtheit und ein paar Dinge, die mich gestört haben, bei 71 Minuten Nettospielzeit ist das aber auch nicht verwunderlich. So könnte Eastwatch bis auf ein paar alternativ gesetzte Holztreppen am Mauerhang noch immer genauso gut „Black Gate“ sein, aber wurscht. Es gab einige sehr schöne Luftaufnahmen, einen insgesamt gefällig inszenierten Kampf zu sehen und viele kleine Dinge, die ich superschlau deuten wollte, und die sich dann noch binnen der Folge bewahrheitet haben. Insgesamt 4,26 Kronen, die ich aufgerundet habe. Nach ein bisschen Abstand dann doch eine recht klare 4. Jetzt gilt es, in der finalen Folge der Staffel ebenbürtig nachzuziehen und eine runde Sache draus zu machen.
Fuck, 1.500 Wörter – es tut mir leid.
Bilder: HBO
1.500 Wörter – geht’s noch? ;-)
Ansonsten habe ich mir fast die gleichen Fragen gestellt, auch in der Menge. Aber insgesamt schon Unterhaltung auf höchstem Niveau, muss man sagen. 👍
Da bin ich ja beruhigt. :)
Ich habe diese Folge hinsichtlich seiner logischen Geschlossenheit als eine der schwächsten der gesamten Serie empfunden. Besonders hat mich irritiert, dass es Gendry schafft zur Mauer zurückzusprinten, einen Raben loszuschicken, dieser fliegt dann nach Dragonstone, dort bekommt Daenerys die Info, berät sich kurz mit Tyrion fliegt zurück, muss gar nicht lange suchen und eilt den Gefährten zu Hilfe. Und das alles offensichtlich in unter 24h, da ja nur eine Nacht vergangen zu sein scheint. Das finde ich besonders deshalb so abwegig, da in den ersten Staffeln (und besonders in den Büchern) immer so getan wird, als wäre es eine halbe Weltreise von einem Ende von Westeros ans andere, die etwa ein halbes Jahr (in unserer Zeitrechnung) dauert. In dieser Staffel reist Jon nach Dragonstone, Sam nach Oldtown, Daenerys nördlich der Mauer und Arya braucht keine zwei Folgen, um von Braavos den halben Weg nach King’s Landing und zurück nach Winterfell zu schaffen. Das ist entweder alles zu knapp oder man hat sich vorher zu lange aufgehalten. So wirkt es übereilt und schlecht durchdacht.
Ja, diese Krankheit musste ich ja leider in so ziemlich jedem Review dieser Staffel anmerken. :( Das ist schon enorm auffällig, wie sehr diese einst so betonte Reiselogik mit Füßen getreten wird. Wobei Raben schon immer utopisch schnell waren und Drachen ja durchaus das schnellste Fortbewegungsmittel der inszenierten Welt sein dürften.
„Und wieso hat eigentlich niemand Dragonglass mitgenommen?!“
Ähm…. guck mal hin, Tormunds Axt ist aus Drachenglas, Jorah’s Dolche ebenso. Beric hat offenbar Valyrischen Stahl (Dawn?) genau wie Jon Longclaw hat, also zumindestens dahingehend alles passend ;-)
Oh, Tatsache. Dann bemängel ich halt, dass das nicht deutlich genug gemacht wurde. ;)
War schon eine super Folge, wenn auch die Logikfehler einiges kaputt gemacht haben. Man hat nicht mal für 2 Sekunden geglaubt, dass die Truppe gegen die White Walker verlieren, dass Jon tatsächlich sterben oder Gendry es nicht zurück zur Mauer schaffen könnte. War dann doch alles etwas zu einfach für meinen Geschmack – und auch für alte GoT-Verhältnisse.
Die letzte Szene hat mich total an den Hobbit erinnert. Und für die letzte Einstellung öffnet Smaug das Auge :)
Ich fand die Folge prima und hab alle Ungereimtheiten („Äh, Herr Night King, warum greifen wir nicht alle direkt an, sondern warten erst mal über Nacht ab?“ „Das muss so, Walter, damit die Jungs da drüben genug Zeit haben auf Verstärkung zu warten.“) wegignoriert.
Und die Szene mit Gendry fand ich klasse. Der ist mir eh zu schnell in die Handlung geworfen worden, da kann er ruhig nochmal rausgenommen werden. Und führt euch das mal vor Augen: Er ist vier Staffeln gerudert, kommt dann zur Squad dazu, nur um eine Folge später wieder davon rennen zu dürfen. Ich erwarte sehnsüchtig Staffel 7, in der er dann mit dem Fahrrad die letzte Disziplin seines Triathlon absolviert.
Ich hätte es sowohl verheerend, wie auch ziemlich cool gefunden, wenn der Night King den Speer in Daenerys geworfen hätte. Damit wäre Tyrions beschriebener worst case eingetreten und man hätte – beinahe „endlich“ – mal wieder eine Hauptperson unerwartet verloren. Denn Kira hat Recht, es bestand kaum Angst, dass wirklich jemand wichtiges über die Wupper geht.
… aber vielleicht wiegen uns die Produzenten auch nur in Sicherheit und schon in der nächsten Folge, sterben Tyrion, Jon, Gilly, Euron Greyjoy und der Night King.
DAS wäre mal ein Staffelfinale.
Massen-Wiederbelebung incoming… ;)
Massenwiederbelebung ohne den Night King? Das wäre nice.
Oder auch: Wenn die Untoten bis King´s Landing vordringen, alle abmurksen und am Ende der Mountain den Night King kalt macht (hihihi, „kalt machen“… den Night King… verstehste?) und sich als heimlicher Sympathieträger und Retter des Realms herausstellt.
Bei all den wirren Gedankenspielen kommt vor allem eines in den Sinn: Aktuell erscheint der Ausgang der Serie irgendwie als zu offensichtlich. Alles wird in Stellung gebracht, so dass ein perfektes Puzzle-Ergebnis zu sehen sein wird. Ich baue da noch auf Littlefinger und Cersei, dass wir noch Überraschendes erfahren dürfen…
4,5 Sterne? Für die schwächste Folge der ganzen Staffel? :)
Wir sind endgültig an dem Punkt „beliebte Charaktere sterben nicht mehr“ angekommen Hauptsache es kracht, Tiefe und Logik lassen wir mal liegen.
Mein Artikel von vor einem Jahr passt besser den je -> https://www.serieslyawesome.tv/aus-game-of-thrones-wurde-heimlich-zu-the-hunger-games/
Autor:innen gesucht!
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