Das nenne ich mal vorbildlich. War die zweite Staffel der Serie „Happy!“ erst vergangene Woche in den USA auf Sender Syfy abgelaufen, befindet sie sich seit heute im deutschen Netflix-Programm. Sehr schön! Zur Feier des hiesigen Releases lasse ich euch in diesem recht spoilerarmen Review wissen, ob sich das Einschalten lohnt (ja!) und ob die Staffel gar besser als die sehenswerte erste Season ist (yep!).
„Happily on previous.“
Den Trailer zu Staffel 2 der durchgeknallten Haudrauf-Serie hatten wir ja bereits im Januar für euch. Dem Feiertagskalender folgend geht es nach der Weihnachts-Story in der Debütstaffel dieses Mal um Ostern. Oder, um genauer zu sein, um „MEGA“ – „Make Easter Great Again“. Aber keine Angst, langweilige Festivitäten gibt es nicht zu sehen.
Der Übergang in die Staffel ist recht unterhaltsam gewählt. Nick Sax möchte ein vorbildlicherer und vor allem friedsamerer Vater werden. Selbst seine Alkoholsucht hat er auf ein Minimum von dutzenden Flaschen Hustenmedizinspray am Tag heruntergeschraubt. Doch irgendwie ist er halt zum Blutvergießen geboren, entsprechend großartig verläuft eine Szene, in der Sax eigentlich gar nichts machen will und doch der Reihe nach Leute umbringt. Aus Versehen. Upps.
Originelle Kampfszenen gibt es diese Staffel zuhauf zu sehen. Ja, Sax wächst in gewisser Weise stets auf Neue über sich hinaus und scheint superheldenartige Überkräfte zu besitzen, so oft, wie er in totaler Unterzahl als Last Man Standing hervorgeht, aber ich sagte ja – „dazu geboren“. Den Machern scheint dabei keine Idee zu blöd zu sein und sie testen sich experimentierfreudig durch irrwitzige Einfälle, die Unterhaltung garantieren und hier und da einen absoluten Treffer landen. Die Taser-Tanzeinlage fand ich jetzt persönlich etwas drüber, aber die „Freezeframe“-Kampfeinlage im Keller hat mir von der Inszenierung her sehr sehr gefallen.
Allgemein fand ich die Aufmachung der Staffel größtenteils sehr gelungen. Die Kameraarbeit ist abwechslungsreich und weiß die oftmals wirren Pfaden folgenden Story entsprechend visuell zu untermauern. Gefallen hat mir auch, dass wir ein bisschen tiefer in die Welt der imaginären Freunde eintauchen und einige weitere zu sehen bekommen. Inklusive dem gewaltigen Schritt der Serie, Gott selbst als imaginären Freund schlechthin zu zeigen – grandios! Allerdings wird mir insgesamt noch etwas zu inkonsequent mit Happy als Figur umgegangen. Nicht immer ist klar, welche Regeln nun gelten, also, wer ihn sehen oder was er bewegen kann. Hier wird doch recht offenkundig so mit den Prinzipien gebogen, wie es gerade in die Story passt.
„There are much more worse things than dead.“ (Smoothie)
Aber kommen wir zu den un-happy Dingen – der Handlung. Die weiß mal wieder vor lauter ethischen Abgründen ein gekonntes Gegenbild zum vermeintlich immer-glücklichen Flug-Einhorn zu bilden. Gewalt, Tod, gebrochene Menschenrechte – da ist für jeden was dabei. Kleiner Hinweis: Achtet bei den Szenen mit den Videokassetten mal, welch prominente Namen da alle drauf zu sehen sind…
Ich muss gestehen, dass ich den Handlungsstrang um „Blue“ zunächst nicht wirklich toll fand. Aber selbst in den schwachen Phasen wusste auch diese Story sehr intensive Momente zu bereiten und vor allem hat Ritchie Coster die schizophren angelegte Doppelrolle vorzüglich verkörpert. Allgemein ist das Schauspiel entgegen der vermeintlichen Blödsinnigkeit der Handlung verdammt gut in dieser Staffel. Christopher Meloni spielt den verkommenden Ex-Cop auf herrlich comichafte Art und Weise und auch Patton Oswald als die Stimme von Happy (erst jüngst hatte ich ihn hier im Schauspieler-Portrait) wirkte wieder sehr on point.
Über das Ende möchte ich jetzt nicht zu viel sagen, außer, dass ich es für nicht allzu durchdacht empfand (zumindest, was die Wirkung auf Hailey angeht). (Bild)Gewaltig war es aber natürlich dennoch und alleine für die allerletzten Szenen muss man die Show einfach lieben. Dieser „Boo!“-Schal – perfekt! Allerdings war mit dieser Szene mein Gedanke dahin, ob eine dritte Staffel dann wohl an „Halloween“ laufen würde.
Durchgeknallter, abgedrehter, verwahrloster, kompromissloser und alles andere als „happy“. Die zweite Staffel hat es nicht nur geschafft, den guten ersten Eindruck zu bewahren, sondern hat noch gekonnt einen drauf gesetzt. Natürlich mag man hier und da über Sinnlosigkeiten und recht stumpfe Exkurse stolpern, aber wir reden hier über eine Fernsehserie, die auf einem imaginären Freund basiert – alles ist erlaubt, lang lebe die Fantasie!
Keine Staffel 3 für „Happy!“
Die eine Krone Luft nach Oben für weitere Steigerungspotenzial wird leider nicht ausgefüllt werden können, denn wie Syfy gestern bekannt gab, wird es keine dritte Staffel „Happy!“ geben. Das dürfte vorrangig an den schlechten Quoten liegen, die bei der Pilotfolge noch 1,1 Millionen, zuletzt aber weniger als 300.000 Zuschauer verzeichnen konnte. Heutzutage weiß man ja nie genau, vielleicht nimmt sich Netflix der TV-seitig fallen gelassenen Show an. Ich fände das super, auch wenn inhaltlich eigentlich alles erzählt worden ist. Aber alleine, um mehr von den Figuren Sax und Happy zu sehen zu bekommen, wäre es großartig. Vielleicht ja sonst eine animierte Serie, in der die beiden Abenteuer erleben? Ich wäre happy drüber.
Bilder: Syfy
So, jetzt bin ich mit der Staffel auch durch. Ich mochte sie, aber sie war eindeutig schwächer als die Erste.
Schon die war hauptsächlich auf Tabubrüche, nur des Schockfaktors wegen fokussiert, aber weil die Story (und Christopher Melonis mega acting) so gut funktionierte, war das nicht wirklich ein Problem. Das der Schockfaktor hier nochmal angezogen werden würde, war natürlich zu erwarten, aber leider gab es dann auch Momente, die Nick Sympathepunkte einbüßen ließen. Etwa wenn er Sonnys Securitytruppe mit einer schrägen Tanzeinlage folterte und tötete. Da wir nichts über sie wissen, gehe ich mal davon aus, dass sie böse Handlanger waren, anstelle von normal Menschen, die einfach nur ihren Job als Beschützer eines Kinderfernsehstars und seiner Frau machten. Oder wenn Orcus im Krankenhaus dafür sorgte, dass ständig Ärzte und Patienten vor Nicks Flinte liefen. Er tat ja noch nichtmal so, als wäre es ihm nicht egal, dass er gerade einen Haufen Unschuldiger abschlachtete!
Und auch die Story hatte sich leider in zu viele Richtungen verrant. Staffel 1 war simpel: Rettet die Kinder! Ich habe zwar kein Problem damit, dass man nun versuchte, die Mythologie zu erweitern (vor allem, da die Grundlagen dafür ja schon in der allerersten Folge gelegt wurden), aber es gab zu viele Umleitungen. Amandas Drogensucht/Schwangerschaft, Hayleys Schulalltag, die Geschichte hinter den Wishies (über die wir jetzt eigentlich immer noch nicht viel wissen), Orcus und Blue, etc. Dann noch Sidequests, wie die Organhändler, eine ganze Folge über Smoothies Jugend, die sich zum Ende hin sowieso als fast komplett erlogen herausstellte, Sonny Shines Vorgänger, usw.
Was ich der Staffel aber wirklich hoch anrechnen muss, ist, dass sie tatsächlich anerkannte, dass die Familie Sax zu Weihnachten einige traumatische und lebensverändernde Dinge erlebte. Gerade bei einer Serie, die eigentlich nur mit Geschmacklosigkeiten unterhalten will, ist es sehr interessant, wenn die Charaktere nicht einfach ihre Traumata nach kurzer Zeit abschütteln, wie es häufig in anderen Serien üblich ist. Dass das dann auch zum interessantesten Subplot führte (Smoothie und Hayley), ist ein dickes Plus!
Einen weiteren Bonuspunkt gibt es für die Schauspieler. Christopher Meloni zählt schon seit „Oz“ zu meinen Lieblingsschauspielern und liefert hier eine Topleistung ab. Gerade die kleinen Dinge, wie etwa seine Interaktionen mit Happy oder dass Nick selbst dann wie ein Trottel rennt, wenn er im vollen Badassmodus ist, machen es zu einer Freude ihm zuzusehen.
Richie Coster als Blue/Orcus, Medina Senghore als trauernde/unter Drogen stehende/knallharte Mutter Amanda, Patrick Fischler (auch so einer, der immer gut ist) als Smoothie, Christopher Fitzgerald (der, wie ich kürzlich lernte, ein preisgekrönter Theaterstar ist) als Sonnie, sie alle liefern in dieser Staffel Leistungen ab, für die man sie mit Preisen überschütten würde, wären sie in einer „seriösen“ Serie.
Aber wirklich überrascht hat mich Bryce Lorenzo als Hayley! Hoffentlich hat das Mädchen eine große Karriere vor sich. So hervorragende Kinderdarsteller sieht man nur selten!
Die Staffel brauchte wirklich lange um in Fahrt zu kommen, aber immerhin machte das Ende Lust auf mehr. Hoffentlich beißt Netflix an.
Ich kann das im Grunde genommen alles komplett unterschreiben. :) Wie geschrieben hat mir die Staffel schlichtweg mehr Spaß gemacht, weil es eben noch verspielter und krasser war, rein handlungstechnisch war das wie beschrieben eh deutlich unkompakter und „sinnvoller“ als in Staffel 1. Aber vielleicht war die für mich auch einfach schon zu lange her, um den direkten Vergleich valider führen zu können, war eine reine Gefühlssache.
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