Serien Reviews Trailer Programm Über uns
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Teilen abbrechen... Auf Pinterest teilen In Pocket speichern Per Mail versenden
Beitrag teilenBeitrag teilen
WERBUNG

Du kannst sie nicht sehen, aber sie beobachten dich immer und überall.

Review: Hausen – Staffel 1

31. Oktober 2020, 19:04 Uhr
Hausen-1-e1604147524244

hau|sen, Beispiele: du haust; sie haus|te. Bedeutung: unter schlechten Wohnverhältnissen leben, Beispiel: In einer Baracke, einer Hütte hausen. Herkunft:
mittelhochdeutsch hūsen, althochdeutsch hūson = wohnen, sich aufhalten; sich wüst aufführen.

Das fiel dem Duden zu „Hausen“ ein. Ich schreibe hier natürlich keine sprachwissenschaftliche Arbeit, sondern eine Review zu „Hausen“, der neuen, deutschen Serie, die seit dem 29. Oktober bei SKY zu finden ist. Der Duden irrt sich nicht, es wird gehaust, unter im wahrsten Sinne des Wortes „schlechten Wohnverhältnissen“ und zwar in einem riesigen Plattenbau am Rande Ost-Berlins. Diese „Platte“ spielt die wahre Hauptrolle in der Serie, die menschlichen Hauptdarsteller beschreibe ich euch natürlich auch gerne. Den Trailer dazu und eine kurze Einführung zur Serie hatte Fabio bereits gepostet.

Dad-e1604147682721

Da hätten wir Jaschek (Charly Hübner), der seinen Sohn Juri (Tristan Göbel) im Schlepptau hat und sich fortan als Hausmeister im besagten Plattenbau verdingen will. Jaschek hat so einiges im Gepäck, nicht objektiv im Kofferraum seines altersschwachen schwedischen Kombis, sondern im Kopf. Was er da so mit sich herumträgt, kommt im Verlauf der Serie nach und nach zum Vorschein. Wir werden erfahren, dass er sogar Diplom-Ingenieur ist, der nur aufgrund unglücklicher Umstände Haus und Hof (und Frau) verlor und sich seither damit abmüht, wieder auf die Füße und zurück ins Leben zu finden. Dieser Job als Hausmeister kommt ihm gerade recht für einen Neuanfang mit Sohnemann Juri. Er hat nur die Rechnung ohne den Wirt (hier eher sächlich: den Plattenbau-Schlick) gemacht. Er wirkt ruppig, roh, blickt stets missmutig in die Welt und hat auch für Juri nur wenig Worte übrig, die meist auch nicht unbedingt voll des Lobes sind. Jaschek scheint ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse zu sein, was seine Körpergröße und die wuchtig-breite Statur noch unterstreicht. Auch seine Wortwahl ist prägnant, wenn er mal Ansagen macht:

„Es gibt keine Babys in Wänden. Es gibt keine Wände, die erst weich sind und dann hart. Verstanden? Das Baby ist weg, deine Mutter ist tot. Wir müssen damit fertig werden!“ (Jaschek zu Juri)

Juri

Juri, sein Sohn, allerdings entspricht eher dem Gegenteil, sowohl optisch als auch hinsichtlich der gezeigten Einstellung zu sich und seiner Umwelt. Eher zart gebaut, von geringer Körperhöhe und mit langem, zerzaustem Haar ausgestattet (Papa neckt ihn natürlich damit, dass er aussähe wie ein Mädchen), kommt Juri sicherlich nach der verstorbenen Mutter. Er wirkt introvertiert, entspricht dem gängigen Klischee des Tagträumers vollkommen. Einer wie er ist eher Opfer denn Täter. Aber Juri sieht Dinge, die andere Menschen nicht wahrnehmen. Er ist wohl nicht das klassische Medium, das wir aus unzähligen Grusel-/Horrorstreifen kennen, aber steht seiner Umwelt und eben dem „spirituellen Umfeld“ aufgeschlossen gegenüber, ganz anders als Papa. Gleich bei der Ankunft im Horror-Block trifft er auf eine Schlüsselgestalt – nennen wir ihn in Anlehnung an die jahrelang bekannten Horror-Clowns „Horror-Penner“. Dieser (in der Serie „Kater“ genannt) überreicht Juri ein Amulett mit der unheilschwangeren Ankündigung, er werde schon noch merken, wo und wann er das Ding einsetzen kann. Juri erfüllt die in ihn gesetzten Erwartungen und erinnert dabei an den kleinen Jungen Danny Torrance in „Shining“, der auch als einziger „das Böse“ sehen konnte.

„Es gibt einen Grund, warum wir nicht glücklich werden. Etwas sitzt in den Wänden. Es beobachtet uns. Es sieht jeden unserer Schritte. Es will, dass es uns schlecht geht.“ (Juri zu Loan)

Cleo-Scherbe

Weiter hätten wir ein besonderes Pärchen, welches eine wichtige Rolle in „Hausen“ spielt. (Ex-!?)Junkie-Scherbe und seine junge Partnerin Cleo sind beide stolze Eltern eines neugeborenen Sohnes, welcher aber noch keinen Namen trägt. Papa Scherbe erinnert mich an den jungen Campino, nur optisch natürlich. Angeblich ein Ex-Junkie (für seine Cleo zumindest) erblicken wir ihn zum ersten Mal in Unterhosen, nachdem er total verschwitzt erwacht, um nach seinem unbenannten Sohnemann sehen. Solch einen Vater wünscht man sich als Frau sicherlich für den gewollten Nachwuchs. Schwarzer, klebriger Schlick fließt aus den Heizungsrohren, bekleckert Scherbe. Beachtenswert: Schlick fließt eigenständig, scheinbar koordiniert und gezielt in Formation, ähnelt einer dicken, eingeölten schwarzen Schlange. Scherbe hat immer wieder Momente des, ich nenne es einmal Ausflippens, vermutlich Symptome von Entzug oder auch eben das Gegenteil. Neben- oder Nachwirkungen des Konsums ganz spezieller Drogen, deren Dealer genau im Haus, an der Quelle allen Übels, sitzen. Der gemeinsame Sohnemann wird uns Zuschauer auf die eine oder andere Weise auf der kompletten Reise durch „Hausen“ begleiten.

Platte

Der Plattenbau selbst verdient natürlich auch eine ausführlichere Beschreibung, stellt er doch den Inbegriff des „wo ich garantiert niemals im Leben nie nicht wohnen möchte“-Gebäudes dar: Stets dunkel, bereits von weitem versifft und verfallen wirkend, eher wie eine Strafanstalt als wie einladende Heimstatt erscheinend, scheinbar 100 Jahre auf dem Buckel. Viele Adjektive passen hier, als da wären: ungepflegt, unwirtlich, etwas wohin man verbannt wird, keinesfalls freiwillig dort einzieht. Weit gefehlt, gut gefüllt ist sie, diese „Platte“, mit allerhand Bewohnern verschiedenster Couleur, trotz ihres ranzigen Gesamteindrucks. Anfangs noch ohne funktionierende Heizung, verschimmelten, finsteren Gängen, könnte man teils meinen, man bewegte sich unter Tage statt in einem Hochhaus-Komplex. Licht fehlt oft fast völlig, auch in den Wohnungen.

Entweder wurde der Strom aufgrund mangelnder Zahlungsbereitschaft der Bewohner abgeschaltet oder diese kümmert es nicht, im Dunkeln zu sitzen. Der Großteil der Bewohner hängt seinen tristen, farblosen (wertlosen?) Existenzen nach, vegetiert eher dahin als zu leben. Müllabwurfschächte führen ein Eigenleben, Deckel klappen von (sprichwörtlicher Geisterhand gesteuert) auf und zu, unbekannte Lebensformen zieren so manchen Gang und dunkle Ecke, erscheinen als dunkle, schleimig-feuchte, großflächige Flecken an den Wänden. Penner feiern, eingeladen von einem bestimmten Bewohner, im Haus in dessen Bude, Drogen werden weitergereicht, dazu passend erschallt „Burning down the house“ im ganzen Gebäude.

My house; Is out of the ordinary – That’s right; Don’t want to hurt nobody, Some-things-sure-can-knock-me-off-my-feet, Burning down the house.
No visible means of support and you have not seen nothin‘ yet. Everything’s stuck together.
I don’t know what you expect staring into the tv set. Fighting fire with fire
.

Was will oder soll „Hausen“ sein? Haunted House Horror? Nein, dafür ist es zu wenig Horror, zu wenig Splatter, zu wenig Grusel. Eine Art Pseudo-Doku wie „Paranormal Activities“? Eine Krimiserie, die das Verschwinden von diversen Personen aufklären mag? Ich habe keine Ahnung. Unterhaltsam fand ich diese acht Folgen auf alle Fälle, man muss sich zurücklehnen und „Hausen“ auf sich wirken lassen, sich darauf einlassen, nicht vorab bereits irgendwelche Genres zuordnen wollen oder aufgrund von Reviews erst gar nicht einschalten. Ich vergebe

Worauf einlassen? Auf Dunkelheit, sehr viel davon, ab und an sogar viel zu viel. Klar gehören Horror und Dunkelheit, Schwärze und Nacht irgendwie untrennbar zusammen, aber… man kann es auch übertreiben. Selbst meine Screenshots, die ich hier verwende, sind fast zu schlecht, um sie abzubilden. Hin und wieder war es aufgrund der absichtlich verwendeten Finsternis als Stilmittel tatsächlich schwer, zu kapieren, was da gerade auf dem Bildschirm vor sich geht. Man konnte einfach zu wenig davon erkennen. Die Dunkelheit war allumfassend überall anzutreffen, im angrenzenden Discounter, bei den wenigen Außenaufnahmen, später im Krankenhaus. Ok, natürlich gibt es auch Positives zu berichten. Die Hauptdarsteller machen ihre Sache gut! Hausmeister Jaschek ist perfekt besetzt mit Charly Hübner, zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, er spielt die Rolle nur, für mich war Charly Jaschek. Dieses düstere, brüske, barsche Auftreten, die wenigen, netten, man möge sagen „lichten“ Momente der Vaterliebe, die kurz aufblitzten, alles passte ins Gesamtkonzept.

Der kleine Junge Dennis, der zu Juris Kameraden wird und ihm einige Geheimnisse des Komplexes näherbringt, wirkt auch authentisch. Ebenso wie dessen von Spinnweben und Unrat übersäte Wohnung, Dennis Look, diese kurze (Unter-)Hose, die Jacke, das immer selbe Outfit, sein eindringlicher Gesichtsausdruck, wenn er altklug von Erlebnissen berichtet. All das wirkt auf den Zuschauer, der sich, wie eingangs geschildert, darauf einlassen muss. Interessante Nebenhandlungen sind auch vorhanden, zum Beispiel die Drogendeals in-house, organisiert von einer Jugendbande, die unter Verwendung hausgemachter Ausgangsstoffe wirklich eigene Drogen kreiert und dafür ein ausgeklügeltes Verteilersystem entwickelt hat.

Weniger kreativ geraten ist, dass viele „Geister“ aus der Vergangenheit plötzlich Gestalt annehmen, wie zum Beispiel Jascheks Frau Anja, die auf unselige Weise aus dem Leben schied und ihm mehrere Folgen lang nun heimsucht. Szenen wie „Hand in flüssig-schleimige Wand stecken, die da drin verschwindet“ wirken ein wenig wie aus „Stranger Things“. Spätere Szenen mit Jaschek erinnern an Hausmeister Jack Torrance (Jack Nicholson) in Shining, der ähnlich wie nun Jaschek durch die Platte vor zig Jahren durchs riesige Overlook-Hotel schlich. Beide handelten schließlich auch „im Namen der Hausverwaltung!“, haben also keine eigene Schuld an den Taten, machen nur, was ihnen eingeflüstert wird. Entsprechende Anrufe der gesichtslosen Hausverwaltung, woher diese auch immer stammen, gehören selbstverständlich dazu.

Unheimliche Momente gab es auch einige, wenn auch schon keinen „echten“ Horror in meinen Augen. Der Soundtrack, die musikalische Untermalung war natürlich passend zur Serie düster, der eine oder andere Song gefiel mir aber gut. Humor war auch vorhanden, vielleicht auch unfreiwillig, wer weiß das schon. Ein Beispiel hierfür: Papa Jaschek möchte zum Vorstellungsgespräch fahren und bemerkt, dass der komplette Motorblock aus seinem Wagen verschwunden (rausgefallen?) ist. Einige der Dialoge zwischen den Hausbewohnern waren herrlich skurril, zum Beispiel die Motivationsrede von Björn, Katzenliebhaber und Oberhaupt einer kleinen, sechsköpfigen Großfamilie.

„Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, unsere Frauen, unsere Kinder vor diesem Gift zu schützen. Dieses Haus muss in seinen Grundfesten gereinigt werden.“
(Björn zu seinem Team)

Das Ende, na, das fiel wieder etwas dürftig aus, ich hätte mir gerade vom Finale etwas mehr versprochen als letztlich passierte. Egal, macht euch wirklich selbst ein Bild, schaltet ein und teilt mir gerne Eure Meinung dazu mit. Ich verabschiede mich mit einem Zitat von Alfred Hitchcock:

„Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität“

Bilder: SKY

Deine Wertung?
Beitrag von:
Samstag, 31. Oktober 2020, 19:04 Uhr
ReviewSerien
Beitrag teilenBeitrag teilen

Kommentiere

Verfasse einen neuen Kommentar


Abo ohne Kommentar

Hinweis: Bei Kommentar-Abgabe werden angegebene Daten sowie IP-Adresse gespeichert und ein Cookie gesetzt (öffentlich einsehbar sind - so angegeben - nur Name, Website und Kommentar). Alle Datenschutz-Informationen dieser Website gibt es hier zu sehen.