Es ist schon etwas traurig, wie klammheimlich eine große Dramaserie ihren Abschluss gefunden hat. Ende April ist die achte und letzte Staffel „Homeland“ in den USA auf Heimatsender Showtime abgelaufen, wir hatten dazu bislang lediglich den Trailer zu hier verbloggt. Nun gut, noch ist die Staffel nicht im deutschen Fernsehen gelaufen und bis zum Aufschlag bei Amazon Prime Video dürfte es vermutlich bis Anfang 2021 dauern (bislang kann man die Serie z.B. über Amazon erwerben – Partnerlink): Zum Serienfinale möchte ich dann aber doch noch einmal genauer auf die Staffel eingehen und mich gebührend von der Serie verabschieden.
In dem Zuge sei erwähnt, dass ich die Folgen über einen längeren Zeitraum verstückelt und nicht vor dem Hintergrund gesehen habe, etwas dazu zu schreiben. Entsprechend wenige Notizen habe ich und Detail-Schwächen bzgl. der ersten Hälfte möget ihr mir bitte verzeihen.
Realer Terror-Bezug
Wie so oft stellt „Homeland“ auch in der achten Staffel unter Beweis, wie nah am Puls und vor allem politischen Schrecken der Zeit die Handlung einer Dramaserie spielen kann. Vor allem „Fans“ US-amerikanischer Außenpolitik dürften ihre Freude am internationalen Konfliktpotenzial haben, das sich freudig zuspitzend gezeichnet wird. Dabei gibt es etliche Bezüge zu realen Geschehnissen, die mal subtilerer Natur sind, oftmals aber auch direkt angesprochen werden. Wie beispielsweise kriegerische Machenschaften auf Basis nicht-existierender Gründe zu starten. Da war doch was…?
„40 years of war, no one is innocent.“ (Haissan Haqqani)
Der zentrale Auslöser für die Handlung der finalen Staffel von „Homeland“ ist der Terror, genauer gesagt die Gruppe der Taliban, die überraschend nah und beinahe einfühlsam dargestellt wird, was zu (hervorragend) beunruhigenden Momenten für uns Zuschauer führt. Dürfen wir überhaupt mit denen sympathisieren?! Angeführt von Haissan Haqqani soll Vernunft Einzug halten, so dass Saul beinahe das Unmöglich erscheinende erreicht – Frieden. Aber nein, individueller Sturrsinn, politische Geplänkel und viel Unglück führen zum familieninternen Machtwechsel. Statt erfahrener Weisheit übernimmt pubertierender Aktionswahn das Ruder, was selten einen Wechsel auf gleichem Kompetenzlevel darstellt. Für das Serienfinale macht „Homeland“ noch Gebrauch vom größten Unheil, das man dem patriotischen Staatenverbund antun kann, und lässt den eigenen Präsidenten vermeintlich niederschießen, an dessen Stelle ein leicht zu manipulierender Pseudo-Präsident mit der einen oder anderen Trump’schen Eigenart tritt. Man möchte ihm zumindest ähnlich oft und hart in den Allerwertesten treten, womit ich durchaus meinen Respekt für die schauspielerische Leistung von Sam Trammell ausdrücken möchte. Wobei der Cast allgemein einen sehr guten Job gemacht hat.
Im Zuge der Aufklärung des präsidialen Helikopter-Absturzes erhält eine von mir geschätzte Nebenfigur seinen letzten großen Auftritt: Max (was ich auch als Anlass nahm, um Darsteller Maury Sterling ein „In weiteren Rollen“ zu spendieren). War sein unfreiwilliges Dasein als Armee-Glücksbringer noch ein erfrischendes und auflockerndes Element, wird seine letzte Heldentat mit das Emotionalste, was die Staffel zu bieten hat. Nein, Carrie, dein Techtelmechtel mit Yevgeny hat niemanden von uns wirklich überrascht…
Dagegen schon eher, wie frei Carrie sich bewegen kann. Ja, ihr Station Chief hat des Öfteren „Komm heim, Fräulein!“ gesagt, es wurde gedroht und dies und das, aber obwohl sie – wie sie ja später selbst nach Folgen der Agentenspielerei sagte – gar keine CIA-Angestellte mehr war, waren ihr Türen und Tore geöffnet. Saul galt da als Dauerlösung, der jedoch intern selbst so seine Behauptungs-Kämpfe auszutragen haben sollte. Das wirkte nicht immer rund, genau wie die Tatsache, dass mir allgemein zu viel und vor allem schnell interkontinental herumgereist werden konnte.
Better Kill Saul
Die letzten zwei Folgen der Staffel waren natürlich mit die intensivsten und eigentlich vor allem in der cinematischen Umsetzung absolut gelungen. Aber die ganze Zuspitzung darauf, dass Saul von Carrie zunächst „nur“ verraten und dann sogar umgebracht werden sollte fand ich bescheuert. Das roch Meilen gegen den Wind nach konzipiertem Drama-Höhepunkt. Die Macher wollten unbedingt den absoluten Königsverrat/-Mord anbringen. Als wäre dieser ja auch mehrfach betonte schwere Vertrauensbruch nicht schon schlimm genug, ging das auch noch alles verdammt schnell ab. Nicht nur hat Carrie Sauls Informantin auf utopisch schnelle Art und Weise ausfindig machen können (die Russen hatten den Ansatzpunkt ja angeblich auch versucht), mir ging das auch viel zu schnell mit den ganzen „Es gibt keinen anderen Ausweg mehr, ich habe alles versucht!“-Parolen. Ja, genau. Du hast einen Tag lang vielleicht zwei Dinge versucht, nie dein Netzwerk aktiviert, nie die Möglichkeit, Saul mit in das Spiel einzubeziehen, in Betracht gezogen. Aber dann, als es ernst wird, spielt Carrie ein vertrickstes Spielchen mit Sauls Schwester, das ohne Nachfragen klappt. Klar. Auch hat mich genervt, dass die so komplex denkende Carrie zwar weiß, dass der Spitzel eine Übersetzerin ist, aber nicht auf die Idee kommt, mal alle Übersetzerinnen im russischen Staatswesen zu durchleuchten, geschweige denn, nach dem Erhalt ihres Namens, mal kurz zu Googeln („Sagt dir der Name was?“ – oh man…). Dass Frannie noch kurz als Alibi-Grund für Zweifel herhält, aber bis auf ein Bild nie zu sehen ist, aber Carrie just in dem Moment, in dem ihre Schwester selbiges anmahnt, bei ihr Zuhause ist, passt in das seltsam konstruierte Bild einer Handlungsabfolge.
Aber ich will nicht nur meckern, das klingt zu negativ. Denn die Umsetzung der an der Basis zumindest mal anzuzweifelnde Geschichte, war qualitativ durchaus hochwertig. Die Aufnahmen sahen gut aus, auch hat mir der (leider sehr kurze) Brody-Bezug am Ende gut gefallen. Fast so sehr, wie das Gesicht des Politik-Arsches John, als Saul ihm vom mechanischen Versagen des Helikopters berichtet. Auch, dass der obligatorische, ausgewachsene Carrie-Weinkrampf diese Staffel ausbleibt und wir dafür pointierte, emotionale Darbietungen erhalten, fand ich gut. Spannend war es dann letztlich natürlich doch, ob Carrie den Vertrauensbruch komplett durchzieht oder nicht, am spannendsten fand ich aber skurrilerweise den Fluchtversuch der Übersetzerin.
Zwei Jahre später
Zeitsprung: *Spongebob-Erzählerstimme-einfüg* – zwei Jahre später ist Carrie mit Yevgeny in Moskau unterwegs. Die Flucht ist gelungen und man fragt sich zunächst, ob beide sich aus dem Geheimdienstwesen verabschiedet haben, um ein gemeinsames, normales Leben zu führen. Ein Blick in ein Nebenzimmer des modernen Penthouses verneint prompt.
Während man sich fragt, ob Carrie jetzt doch endgültig zur Gegenseite übergelaufen ist, sehen wir, wie Saul sich nach einem überstandenen Herzinfakt zur Ruhe setzt. Oder vielmehr, setzen will. Denn kurz vor dem Auszug erhält er über einen alten Informationsweg ein Vorschau-Exemplar von Carries neuem Buch, in dem sie erklärt, wieso, weshalb, warum sie ihr Vaterland verraten hat. Und ihm, dass sie fortan sein neuer Spitzel sein wird, der aus Moskau heraus Informationen an ihn weiterleiten wird. Eigentlich bin ich kein allzu großer Freund von derart kurz gehaltenen Zeitsprüngen, hier hat man aber finde ich noch das Beste rausgeholt und trotz der Kürze ein interessantes Ende gestalten können.
„Stay tuned.“ (Carrie)
Am Ende haben die Macher den Dreh meiner Meinung nach gerade noch so hinbekommen. Zwar hatte ich ursprünglich gehofft, dass es ein wirklich abgeschlossenes Ende ohne möglicher Fortsetzung gibt, fühlt es sich einigermaßen rund an. Die letzten gesprochenen Worte lassen Fans aber natürlich hoffen, und wer weiß, bei der schnell wandelnden Medienlandschaft und dem ewigen Rückgriff auf altbewährte Inhalte, würde mich eine spätere Comeback-Staffel, ein Spin-off oder vor allem ein Film nicht wundern, der die Machenschaften Carries im russischen Geheimdienst aufgreift. Executive Producer Alex Gansa hat jedenfalls durchaus bekräftigt, dass man sich z.B. eine Mini-Serie mit Saul und Carrie vorstellen könnte.
Zum Finale selbst möchte ich vor allem festhalten, dass ich es deutlich gelungener als die schreckliche letzte Staffel von „House of Cards“ fand. Klar, die hatten tragischer Weise mit gänzlich anderen Voraussetzungen in ihrer letzten Staffel zu kämpfen, die zum Qualitäts-Abfall geführt haben dürften, keine Frage, aber gerade weil sich beide Serien im Laufe der Zeit erstaunlich weit angenähert haben, beide aus der gleichen Dramaserien-Ära stammen und beide auch in gewisser Weise über ihren Zenit hinaus waren, finde ich den Vergleich durchaus möglich. „Homeland“ hat nicht das tollste Finale aller Zeiten abgeliefert, aber mit Liebe für seine Hauptfiguren ein großes Kapitel derer Geschichten abgeschlossen und ist dabei sich selbst treu geblieben. Die Mischung aus der Darstellung des politischen Zirkus, interessanter Geheimagenten-Kniffe und grundsolider Dramatik hat soweit unterhalten und in die verzwickte Geschichte gezogen, die nicht selten einen verzweifelten Realitätsvergleich angeregt hat.
Insgesamt bin ich durchaus zufrieden mit dem, was uns da zum Abschluss geboten worden ist. Fand ich die erste Staffel damals bis auf den sehr intensiven Abschluss deutlich überbewertet und eintönig, bin ich doch froh, weiter gesehen zu haben. Damals hätte die Serie für mich bereits abgeschlossen sein können, ein zweites Mal mit dem Ausstieg von Damian Lewis als Nicholas Brody, aber „Homeland“ hat es danach geschafft, sich weiter zu entwickeln und vor allem Staffel Vier hat mir sehr gefallen. Aber um ehrlich zu sein, reicht es dann auch irgendwann. Von daher danke für acht Staffeln, viele emotionale und vor allem dramatische Momente und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja mal wieder irgendwann irgendwo. Sollte ich mal jemals nach Russland reisen, halte ich die Augen offen. Tschüss, Carrie!
Bilder: Showtime
Hab’s jetzt auch gesehen – und war positiv überrascht von einer so starken Abschluss-Staffel. Hatte mir noch gewünscht, dass man nochmal irgendwie einen Dreh zu Brody hinbekommt, aber das wäre dann vielleicht auch zu viel des Guten gewesen. ;-)
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