Wir starten diese Folge „House of the Dragon“ – genau, mal wieder mit einem Zeitsprung. Es sind sechs Jahre vergangen, seit Laena beerdigt wurde, Aemond einen Drachen für sich gewann, aber ein Auge verlor und Daemon und Rhaenyra Ser Laenor aus dem Weg schafften, um zu heiraten.
Die Winde haben sich gedreht
Was ist seitdem passiert? Lord Corlys wurde während eines Kampfes stark verletzt, sein Schiff soll bald nach Driftmark zurückkehren, doch man stellt sich bereits darauf ein, dass er die Verletzung nicht überleben wird. Die Frage nach seiner Nachfolge wird laut. Es steht eigentlich fest, dass Lucerys Velaryon, Corlys Enkel und Rhaenyras Sohn, die Nachfolge antreten wird und beim Tod von Corlys der neue Lord of the Tides wird. Doch Corlys Bruder Vaemond möchte da gerne mitreden, denn für ihn ist er selbst seinem Bruder am nächsten und damit steht für ihn fest, dass auch nur er sein Nachfolger werden kann.
Währenddessen diskutieren Rhaenyra und Daemon in Dragonstone eine Nachricht, durch die sie erfahren, dass Vaemond die Nachfolge durch Lucerys infrage stellen und dafür nach King’s Landing reisen wird. Kurzerhand entscheiden sie, diese Reise ebenfalls anzutreten, um sich für ihr eigenes Ziel einzusetzen. Was wir durch diese Szenen in Dragonstone noch erfahren: Rhaenyras Söhne lernen High Valyrian, wie es die Tradition will. Rhaenyra ist wieder schwanger und es gibt drei neue Dracheneier – verheißungsvoll.
In King’s Landing ist mittlerweile alles anders, als Rhaenyra es vor einigen Jahren zuletzt gesehen hat: Das strahlende Valyrische und die Targaryen-Wappen sind Statuen und Sternen gewichen, die Embleme der Sieben haben Einzug gehalten und Alicent hält die Fäden am Hofe zusammen. Alles wirkt grau und trostlos – vor allem Viserys, den wir halbverwest in seinem Bett sehen, der unheimliche Schmerzen erleidet und seine Tochter Rhaenyra kaum wiedererkennt. Sie ergreift die Gelegenheit, um Viserys nochmal nach der Legende, nach dem „Song of Ice and Fire“, zu fragen und ob er meint, dass Aegons Traum wirklich wahr ist und sie das Reich gegen einen gemeinsamen Feind verteidigen müssen. Doch Viserys kann auf ihre Frage nicht eingehen. Schön finde ich, dass Viserys‘ so geliebte Modellstadt, sein Miniaturwunderland, verstaubt und mit Spinnweben behangen ist, was seinen eigenen Zustand symbolhaft widerspiegelt.
Unterdessen schlägt Alicent sich mit Prinz Aegons ausuferndem Lebensstil herum, der sie Dinge tun lässt, die sie eigentlich nicht mit ihren Werten vereinbaren kann. Aegon scheint in den vergangenen sechs Jahren dem Alkohol weiter sehr zugeneigt gewesen und seine Werte und sein Bewusstsein für sein Haus und sein Erbe scheint nicht weiter ausgereift worden zu sein. Seine Augenringe sehen zudem sehr ungesund aus. Sein Bruder Aemond hingegen ist groß gewachsen, trägt mittlerweile eine smarte Augenklappe und hat sich durch intensives Training mit Ser Criston so einige Kampfmoves aneignen können, die seine Neffen Jacaerys und Lucerys bei Ankunft am Hofe ganz schön einschüchtern.
Der Mann mit der Goldenen Maske
So ist es also soweit, dass in der Great Hall über die Nachfolge für Driftmark abgestimmt werden soll. Otto vertritt Viserys und findet auf dem Eisernen Thron Platz. Vaemond tritt vor und wirft sich für die Nachfolge in den Ring. Rhaenyra will das Wort für ihren Sohn Lucerys als Nachfolger übernehmen, als Viserys mit seinen letzten Kräften den Raum betritt und wir uns schon denken können, dass wir die folgenden Worte in dieser Form wohl das letzte Mal hören werden.
„King Viserys of House Targaryen, the First of His Name, King of the Andals, and the Rhoynar, and the First Men, Lord of the Seven Kingdoms, and Protector of the Realm.“
So wie allen Anwesenden im Raum fällt es auch als Zuschauer:in schwer, Viserys bei seinem offensichtlich sehr schmerzhaftem Unterfangen zuzusehen, als er an seinem Gehstock zum Thron humpelt, eine goldene Maske tragend, die sein halbes Gesicht bedeckt. Die Blicke werden abgewendet, während er den langen, kühlen Weg bis zum Thron beschreitet und kurz vor Erreichen des Throns sogar noch seine Krone zu Boden fällt. Dies ist eine sehr emotionale Szene, die vorerst ihren Höhepunkt findet, als Daemon seinem Bruder zu Hilfe eilt, seine Krone aufhebt und sie Viserys letztendlich wieder aufsetzt.
Alle sind gespannt auf Rhaenyras Vortrag, warum ihr Sohn der neue Lord of the Tides werden soll, doch Viserys erteilt Rhaenys das Wort. Durch die vorangestellte Szene, in der Rhaenyra versucht hat, Rhaenys auf ihre Seite zu ziehen, obwohl sie weiß, dass Rhaenys sie für den Tod an ihrem Sohn Laenor schuldig befindet, wissen wir zwar, dass ein Angebot auf dem Tisch liegt, aber dennoch bleibt ungewiss, ob Rhaenys dieses annimmt oder doch Vaemond den Rücken stärkt. Und siehe da: Rhaenys unterstützt Rhaenyras Wunsch tatsächlich, Lucerys soll der künftige Lord of the Tides werden und im gleichen Zuge sollen Jacaerys und Lucerys Corlys Enkelinnen und Daemons Töchter Baela und Rhaena heiraten. Ich spare mir jetzt mal den Kommentar zur Verheiratung von Cousins und Cousinen, Neffen und Nichten. Wirklich spannend ist an der Situation einerseits die Frage, ob Rhaenys Plan mehr umfasst als das, was gerade offensichtlich ist, und andererseits, dass Vaemond mit der Entwicklung der Situation so gar nicht einverstanden ist. Er ist, sagen wir, emotional geladen und lässt sich von seinen Gefühlen leiten, als er Rhaenyras Söhne als Bastarde und Rhaenyra selbst als Hure bezeichnet. Viserys zückt daraufhin zwar selbst seinen Dolch, doch Daemon hat bereits getan, was zu erwarten war und Vaemond kurzerhand von hinten den Kopf zerteilt.
Das letzte Abendmahl
Während alle noch ziemlich aufgeregt sind durch die Ereignisse des Nachmittags, wird Viserys‘ Wunsch, dass sich alle als Familie zum Abendessen noch einmal zusammenfinden, befolgt und in einer weiteren, sehr intensiven Szene, erleben wir, wie die Familie respektvoll am üppig gedeckten Tisch zusammenkommt. Neben Viserys und Alicent, ihren drei Kindern Helaena, Aegon und Aemond sowie Otto Hightower, finden auch Rhaenyra und Daemon mit Jacaerys und Lucerys sowie Baela und Rhaena am Tisch Platz. Die Situation ist angespannt, doch Viserys redet ihnen noch ein letztes Mal ins Gewissen:
„Let us no longer hold ill feelings in our hearts. The crown cannot stand strong if the House of the Dragon remains divided. But set aside your grievances. If not for the sake of the crown… then for the sake of this old man who loves you all so dearly.“
Und das scheint zu zünden – immerhin nimmt Viserys seine goldene Maske dazu ab, wodurch sein fehlendes rechtes Auge und sein zerfallendes Gesicht weiter zum Vorschein kommen und unterstreichen, dass er nicht mehr lange unter ihnen weilen wird. Rhaenyra erhebt ihr Glas auf Alicent und spricht wahrlich herzliche, ehrliche Worte zu ihr. Alicent erwidert den Toast und räumt sogar ein, dass Rhaenyra eine tolle Königin sein wird, ganz zur bösen Überraschung für Otto, an dessen Blick sich erkennen lässt, dass der Abend anders verläuft, als von ihm gewünscht. Alles scheint doch für einen Moment harmonisch zu sein, die Musik setzt ein, es wird sogar gelacht. Wir merken Viserys an, dass es genau das war, was ihm bisher gefehlt hat, um dieses Leben hinter sich zu lassen. Kurze Zeit später verlassen ihn die Kräfte und er muss das Abendessen verlassen.
Die Kinder sticheln untereinander, allen voran Aegon, der sich keinen Spruch verkneifen kann. Aemond wirkt weiterhin wie der Smarte unter allen, stets in einer beobachtenden Position bis er den „final tribute“ des Abends an Rhaenyras Söhne richtet. Worte, die sehr weise – und vor allem zweideutig – gewählt sind:
„To the health of my nephews: Jace… Luke… and Joffrey. Each of them handsome, wise… hm… strong.“
Das sitzt! Und nachdem Rhaenyra mit Alicent ausmacht, dass sie die Kinder nach Dragonstone zurückbringt und schnellstmöglich auf einem Drachen zurückkehrt, müssen wir uns tatsächlich auch nun von Viserys verabschieden. Doch nicht, ohne das Feuer noch etwas anzufachen. Auf seinem Sterbebett kann Viserys nicht mehr ausmachen, dass es Alicent ist, die an sein Bett kommt und er führt die Konversation, die er zuvor mit Rhaenyra an seinem Bett geführt hat, weiter. Er antwortet ihr auf ihre Frage nach der Legende, die Alicent natürlich nicht einzuordnen weiß.
„But you wanted to know… if I believe it to be true.“ (Viserys)
„Believe what to be true, my King?“ (Alicent)
„Don’t you remember? Aegon…“ (Viserys)
„Our son?“ (Alicent)
„His Dream. The Song of Ice… and Fi… It is true. What he saw in the North. The Prince That Was Promised.“ (Viserys)
„I don’t understand, Viserys.“ (Alicent)
„The Prince.“ (Viserys)
„Prince Aegon?“ (Alicent)
„To unite the realm against the cold… and the dark. It is you. You are the one. You must do this.“ (Viserys)
Tragisch ist das Ende dieser Episode. Viserys liefert Rhaenyra die Antwort, auf die sie gewartet hat und die sie auf ihrem Weg stärken würde, nur wird Rhaenyra wohl nie davon erfahren. Gleichzeitig versucht Alicent die kryptischen Informationen von Viserys zusammenzusetzen und wird durch die aufgeschnappten Fetzen vermutlich auf einen ganz falschen Weg geführt. Die vermeintlich eingekehrte Harmonie scheint in absoluter Kürze schon wieder dahin zu schmelzen. Und der Tanz der Drachen kann beginnen.
Vanitas
Ein ganz grobes Lob geht für diese Episode an die Maske. Wie es geschafft wurde, dass Viserys vom Verfall gezeichnet aussieht, ist zwar nicht unbedingt schön anzusehen, aber gleichzeitig ganz großes Kino. Viserys, der bis zuletzt an seinem Bild der Familie festhält, der es schafft, seine Familie noch ein letztes Mal zu vereinen, aber es nie geschafft hat, als König mehr als ein emotionaler Mensch zu sein und Entscheidungen für das Königreich zu treffen und dafür Verantwortung zu übernehmen, hat auf den letzten Metern den Respekt oder auch das Mitleid aller. Man spürt seine Schmerzen förmlich und wünscht sich eigentlich nur, dass er bald erlöst wird. Dabei gibt es auch ein paar humorvolle Momente, allen voran die Szene, in der Viserys auf seinem Stuhl aus dem Essenssaal getragen wird, während parallel zu seinem Ab“gang“ ein Teller mit einem gegarten Schwein in den Saal hineingetragen wird. Das ist schon fast makaber. Verwirrend ist aber nach wie vor, dass Daemon und Criston die einzigen beiden sind, die gegen den Prozess des Alterns immun zu sein scheinen. Das reißt ein wenig aus der Geschichte heraus und ist irgendwie nur schwer nachvollziehbar.
Es gibt in dieser Episode auch ein paar spannende Überleitungen, unausgesprochene Dinge, Andeutungen, die mal schneller, mal weniger schnell oder gar nicht richtig aufgelöst werden. Ich mochte sehr, wie wir die Szene mit dem Tee eigentlich nochmal erleben, wie Rhaenyra sie vor vielen Jahren erlebt hat, dieses Mal jedoch mit Alicent als derjenigen, die die Entscheidungen trifft und einer verschwundenen Dyana, bei der wir nie ganz wissen werden, was für einen Tee sie eigentlich verabreicht bekommen hat.
„It’s best to be certain.“
Ich mochte auch, dass die Charaktere mittlerweile fast alle ein bisschen vielschichtiger gezeichnet wurden. Es fällt auf, dass sich jedoch auch alle in ihrem eigenen Gefängnis befinden, allen voran Alicent, bei der dies auch visuell mehrfach betont wird:
Ich bin gespannt, wo es in den nächsten zwei Episoden noch hingehen wird und hoffe sehr, dass wir nicht noch einen Zeitsprung hinnehmen müssen. Ansonsten bin ich mittlerweile wirklich mitgerissen von der Story, von den Bildern, von Maske und Kostüm und kann mich kaum daran satt sehen.
Bilder: HBO/Sky
Gute Folge. Bin da aber komplett bei dir, dass das so langsam zu viel und zu unübersichtlich mit den dauernden Zeitsprüngen wird. Aber die goldende „Phantom der Oper“-Maske war vortrefflich!