Sommer 1993 – Die Sonne scheint durch eine lichte Wolkendecke auf die malerische Landschaft Siziliens. Auch in diesem Jahr verbringe ich die Sommerferien mit meiner Familie auf der italienischen Insel am Mittelmeer. Ich bin 8 Jahre alt und genieße die unbeschwerten Tage am Meer, die Nachmittage, an denen ich mit anderen Kindern in den engen, gepflasterten Straßen spiele, sowie die lauen Abende in der Stadt, an denen es gelato gibt. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: In jenem Sommer wird unweit entfernt ein Junge in meinem Alter auf einem abgelegenen Bauernhof gegen seinen Willen festgehalten. Der skrupellose Mafiaboss Don Luchino hat den Sohn eines Mafiosos entführt, der zur Polizei übergelaufen ist. Die italienische Krimi-Serie „Il Cacciatore – The Hunter“ erzählt von genau diesem Fall und dem aufstrebenden Staatsanwalt Saverio Barone, der in die Antimafia-Sondereinheit der Polizei in Palermo aufgenommen wird, um den kleinen Jungen zu befreien und den obersten Paten des organisierten Verbrechens dingfest zu machen.
Anfang der 1990er herrscht auf den Straßen Siziliens und insbesondere Palermos ein Krieg zwischen der Mafia und der Polizei, dabei reicht der Einfluss der kriminellen Cosa Nostra bis in die höchsten Ränge der Politik. Die namhaften Untersuchungsrichter Falcone und Borsellino werden bei ihrem Kampf gegen die Mafia Opfer eines Bombenanschlags. Inspiriert von den Taten der selbstlosen Juristen, entscheidet sich der junge Staatsanwalt Barone eine ähnliche, gefährliche Karriere einzuschlagen. Nachdem er das Wagnis eingeht, seinen korrupten Vorgesetzten auszuliefern, wird er für die Antimafia-Sondereinheit akquiriert. Den Frischling im Team spielt der beim Cannes Series Festival 2018 mit dem Preis als bester Darsteller ausgezeichnete Francesco Montanari. Anfangs wird er noch belächelt, insbesondere von dem erfahrenen Kollegen Carlo Mazza, zu dem er im Verlauf der Ermittlungen eine immer innigere Beziehung aufbaut. Barone wirkt nach außen hin cool und lässig, muss sich aber immer wieder selbst beweisen, dass er mit den Großen mithalten kann. In Rückblenden werden, parallel zum gegenwärtigen Geschehen, seine Erfahrungen im Jugendalter als Wildjäger gezeigt. Die Jagd dient die ganze Staffel hindurch als Vergleich für die Polizeiarbeit.
„Bedrohung, Angst, Stolz, Gier. Diese vier Dinge sind für den Erfolg einer Jagd entscheidend.“
Barone steigert sich immer weiter in die Arbeit rein, bis zu dem Punkt, an dem sein Job zu seinem ganz persönlichen Krieg wird. Darunter leidet seine Beziehung zu Giada, seiner Jugendliebe, die seinetwegen ihren Job in Rom aufgibt, um zu ihm nach Sizilien zu ziehen. Neben dem Krieg auf den Straßen kriselt auch sein Privatleben.
Die lose auf dem autobiografischen Roman „Der Mafia-Jäger“ des Richters Alfonso Sabella basierende Serie zeichnet ein authentisches Bild der Clanmitglieder auf Sizilien. Wer alte Männer im Nadelstreifenanzug mit Zigarre im Mundwinkel erwartet, wird enttäuscht. Die Mafiosi wirken unscheinbar und gewöhnlich – allen voran Mafiapate Leoluca Bagarella alias Don Lucchino. Seit der Festnahme des berüchtigten Mafia Oberhaupts Totò Riina, ist sein Schwager Lucchino zum Oberhaupt der Clans aufgestiegen. David Coco mimt den unbeirrbaren Paten mit Oberlippenbart, der in einem Moment mit völliger Gleichgültigkeit einen Mord verübt und im nächsten einen intimen Dialog über Zusammenhalt mit seiner Frau in der Badewanne führt. Neben Bagarella ist da noch Giovanni Brusca: Ein furchteinflössender Krimineller und kaltblütiger Killer, der nach der Inhaftierung seines Vaters zum Clanchef aufrückt. Gemeinsam mit seinem Bruder hält er den kleinen Jungen gefangen. Neben Brusca sind noch viele weitere Mafiosi zu sehen, die unterschiedliche Gebiete kontrollieren. Die Antimafia-Sondereinheit nähert sich den einzelnen Anführern an und so führt eine Spur zur nächsten. Ist ein kleiner Fisch gefasst, hofft man als Zuschauer insgeheim, dass dieser auch Hinweise zum Verbleib des entführten Jungen liefert.
So vielschichtig die Persönlichkeiten der Mafiosi auch ausfallen, so einseitig wird deren Tagewerk dargestellt. Folter und Mord in abgelegen Fabrikhallen scheinen das Einzige zu sein, womit die Mafia beschäftigt ist. Ständig ist sie auf der Suche nach sogenannten pentiti, also Verrätern und Überläufern, um ihnen Lektionen zu erteilen. Drogenhandel, Waffenschmuggel und Schutzgelderpressungen finden nur am Rande statt, dabei wäre es spannend zu sehen, wie es dem organisierten Verbrechen gelingt, ihren Einfluss, vorbei an der Polizei, auszuweiten. Punkten kann die Serie aber, neben dem brillanten Cast und der paradiesischen Kulisse, auch mit einer detailversessenen Ausstattung. Die ersten Mobiltelefone, veraltete Abhörgeräte, bunte Krawatten und die Gebrauchtautos versetzen einen genauso in der Zeit zurück, wie ein Fachgeschäft für Musik-CDs. Es sind diese kleinen, liebevoll inszenierten Dinge, die den Gesamteindruck aufwerten. Vielleicht ist es der persönliche Bezug zum Ort des Geschehens, aber diese Serie hat mich die kompletten 12 Folgen über gefesselt. Bis zur allerletzten Sekunde der letzten Episode bangt man um das Leben des kleinen Jungen. Und wie der Kampf gegen die Mafia, geht auch die Serie weiter. Aufgrund des Erfolgs sind derzeit bereits weitere Staffeln in Produktion.
Fazit
Einnehmend erzähltes Krimidrama, das einen ungeschönten und authentischen Blick auf die sizilianische Mafia Mitte der 1990er wirft.
„Il Cacciatore – The Hunter“ ist auf MagentaTV zu sehen, sowie auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Bilder: Beta Film
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