Heute ist die achte und letzte Folge der aktuellen dritten Staffel von „Invincible“ (Trailer) bei Amazon Prime Video aufgeschlagen. Die Verfilmung der Comicvorlage von Robert Kirkman („The Walking Dead“, „Outcast“) um den Superhelden Mark Grayson zeigt mal wieder eindrucksvoll, dass richtig gute Superhelden-Unterhaltung keinesfalls ausschließlich in Live-Action-Realfilm funktioniert. Tatsächlich reiht sich auch die neue Staffel nahezu nahtlos in das oberste Regal moderner Inszenierungen wie „The Boys“ ein.
Die Rückkehr gelingt kraftvoll: Mark ist stärker, schneller und ausdauernder. Und kommt in einem neuen Anzug mit schwarz-blauer Optik daher. Der gefällt mir tatsächlich weniger als der vorherige gelb-blaue, soll aber vermutlich auch äußerlich symbolisieren, welchen Reifeprozess die Figur des Mark Grayson durchläuft – und wie viel düsterer die Serie „Invincible“ wird. Das Anzug-Redesign ist aber vielleicht das einzige Downgrade, das diese Staffel zu bieten hat.
Wie in den Staffeln zuvor schafft „Invincible“ auch in Season 3 wieder einen Spagat zwischen heldenhafter Action und menschlicher Emotion. Auch Humor wird immer mal eingeworfen, wobei vor allem Seth Rogen in seiner Rolle als Allen the Alien einen gehörigen Anteil daran hat. Wie gut die Serie mittlerweile in Sachen Timing ist, demonstriert auch der mal wieder äußerst gelungene Umgang mit dem „Invincible“-Titelscreen, der in abwechselnder Manier stellvertretend für einen Ausspruch des Superhelden-Namens eingeblendet wird. Visuell kommen auch Comicfreunde auf ihre Kosten. Vor allem bei den teils sehr grafischen Gewaltmotiven werden deren Ergebnisse gerne mal detailreich und wie eine groß aufgezogene Comic-Doppelseite darstellt, die einem mit aller Kraft ins Gesicht schlägt.
Aber auch in Sachen Story gibt es diese Staffel viel Gute zu sehen. Als wichtig empfand ich die Distanzierung Marks von der GDA, auch wenn die Herleitung vielleicht etwas impulsiv erfolgt ist. In dem Zuge bekommen wir endlich Einblick in die Hintergrundgeschichte von Cecil. Nicht nur hier wird mal wieder die Frage um Moral und Ethik aufgeworfen. Auch der von Gaststar Aaron Paul gesprochene Powerplex (er sagt sogar einmal „Jessi“!) bringt die interessante Frage der Verantwortung von Superheld:innen auf. Ein guter Ansatz, da oftmals in Superhelden-Formaten komplett unbeachtet („Yay, die Avengers haben die Welt gerettet – aber New York ist komplett kaputt…“). Diese Sichtweise sowie das Heraufwachsen einer Figur, die durch das Zurückblicken und Herauszoomen in den „Kollateralschaden“-Bereich sichtbar gemacht wird, wurde smart inszeniert.
Allgemein ist das Thema Familie wieder omnipräsent (pun intended). Sei es die Familie Grayson, die neben Superbösewichten auch noch mit dem Trotz eines heranwachsenden Superheldenteenagers zu kämpfen hat, oder die gute alte Liebe. Dabei empfand ich die Beziehungszeichnung zwischen Shrinking Rae und Rex Splode gar noch interessanter als die seit Anfang der ersten Staffel vorhersehbare Liaison zwischen Mark und Eve.
Einen kleinen Durchhänger hat die Staffel vielleicht mit Episode Fünf („This Was Supposed to Be Easy“), wobei wir dort immerhin wieder Jeffrey Donovan als den großartigen Machine Head zu sehen und vor allem hören bekommen.
Ein absolutes Highlight stellt dagegen die großartige vorletzte Folge der Staffel dar (S03E07, „What Have I Done?“). Der „Invincible War“ war ein äußerst überraschender wie furchterregendes Ereignis. Auch wenn ich froh bin, dass man diese Sensation nicht endlos aufgeblasen und ausgeschlachtet hat (beim „Dragon Ball“-Franchise, woran mich gerade diese Staffel wieder gewaltig erinnert, wäre das wohl eine ganze Staffel geworden…), finde ich schon, dass man es hätte größer aufziehen können. Das war dann doch so schnell wieder vorüber, wie es gekommen war. Das hätte man gut und gerne am Ende einer Folge anlaufen lassen, in der nächsten komplett explodieren lassen und letztlich in einer dritten abschließen können. Aber gut, „Invincible“ lebt auch vom hohen Tempo der Ereignisse. Schade nur, dass wir so jedoch erneut lediglich acht Episoden zu sehen bekommen.
Der Shot mit den wechselnden Mark-Varianten, die nacheinander in gleicher Pose gezeigt werden, war aber phänomenal gut.
Aber auch das Finale hatte einiges zu bieten. Beim epischen Kampf hat Jeffrey Dean Morgan (Negan in „The Walking Dead“) als Conquest mal wieder gezeigt, wie stark der Voice Cast auch in der Breite angelegt ist. Marks (erzwungenes) Durchpflügen von Menschenmassen wird nochmal durch Conquests blutige Endaufnahme übertrumpft. Wer hier immer noch meint, alle Animationsserien sehen Kinderkram, dem ist nicht mehr zu helfen. Als besonders gelungen empfand ich den Moment, in dem Conquest plötzlich total persönlich wird und seine innersten Gefühle teilt.
Neben kleineren Zwischenspielen werden auch einige Rückbezüge zu vorangegangenen Staffeln gezogen. Figuren und ganze Handlungsstränge werden wieder aufgenommen und auch der ganz große Story Arc zu den Viltrumites liefert neue Erkenntnisse und Entwicklungen. Das war schon eine gelungene Mischung, die viel Neues geboten aber auch eine Verbindung zur nächsten Staffel gebildet hat. Da wurden auch alleine in den letzten Minuten der finalen Episode etliche Dinge gedroppt: Sei es Eves Potenzial (verflüssigende Kleidung von Mark), die Andeutung diverser Bösewichte oder auch Marks Killer-Versprechen.
Das war richtig stark! Die zweite Staffel von „Invincible“ war auch gut, hat aber meiner Meinung nach enorm durch die erzwungene Midseason-Pause gelitten gehabt. Aber auch inhaltlich weiß Staffel 3 nochmal einen drauf zu setzen und sich eher an die Qualität der Debütstaffel heran zu wanzen. Gekonnt wird eine Entwicklung der Gesamtgeschichte aber auch vieler Figuren fortgesetzt. „Invincible“ ist einfach mehr als eine Aneinanderreihung cooler Superkraft-Kämpfe.
Um die Verbesserung im Vergleich zur zweiten Staffel zu zeigen, gehe ich mal auf viereinhalb Kronen in der Bewertung. Und ein gefrorenes Blutherz gibt es noch oben drauf! Das schafft Lust aus mehr, was glücklicherweise bereits zugesichert ist.
Wann startet die 4. Staffel von „Invincible“?
Eine Fortsetzung von „Invincible“ ist bereits vor dem Start der dritten Staffel von Amazon Prime Video bekanntgegeben worden. Tatsächlich arbeitet man bereits mit Hochdruck an Staffel 4, die voraussichtlich im Frühjahr 2026 starten soll. Wenn alles gut läuft, dürfen wir uns vielleicht sogar auf das ein oder andere Special freuen, wie wir es 2023 bereits mit „Atom Eve“ erhalten haben. Dafür gibt das „Invincible“-Universum ja auch gehörig was her, das man noch näher beleuchten könnte.
Bilder: Amazon Prime Video
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