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Lohnt es sich trotz Absetzung?

Review: „KAOS“ – Staffel 1

25. Oktober 2024, 11:30 Uhr
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Ende August lief das neue Fantasy-Drama „KAOS“ auf Netflix an (Informationen / Teaser-Trailer). Leider wurde die Serie bereits nach ihrer ersten Staffel abgesetzt. Ich möchte in diesem Spoiler-armen Staffel-übergreifenden Review nicht nur darlegen, weshalb diese Entscheidung ein großer Fehler war, sondern auch, ob es sich lohnt, die Serie überhaupt im Wissen anzuschauen, dass sie (aller Wahrscheinlichkeit nach, denn heutzutage weiß man ja nie…) nicht fortgesetzt wird. Kurzum: Ja, kann man machen. Natürlich ist nicht alles abgeschlossen (im Gegenteil) und man möchte unbedingt weiter schauen, aber auch so lohnen sich die acht Episoden meiner Meinung nach.

“A line appears, the order wanes, the Family falls, and Kaos reigns.”

„KAOS“ ist eine moderne Adaption der griechischen Mythologie. Gerade in diesem Kontrast liegt so unfassbar viel Reiz, der auch zu großen Teilen adäquat ausgenutzt wird. Alleine Jeff Goldblum als Göttervater Zeus ist es wert, sich die Serie anzuschauen. Zeus ist exzentrisch, egozentrisch, impulsiv und machthaberisch, sein Auftreten wird jedoch mit einer gewissen Normalheit konterkariert. So hockt er oft im Bademantel oder Jogginganzug herum, bringt ein Tablett mit Hors­d’œu­v­re herbei oder „schaut Fernsehen“ (was eigentlich die echte menschliche Welt auf Erden ist). Der Olymp wird gekonnt als luxeriöses Villa-Anwesen der Superreichen inszeniert, die über uns Nichtreichen hausen und fügen.

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Nicht nur die Analogie der Gesellschafts-Schichten funktioniert gut, vor allem die Darbietung der Religion mit ihren Ansichten und Zwecken gelingt. Über die Staffel hinweg wird ersichtlich, welche Maschinerie hinter dem Konstrukt Religion steckt, wer welchen Nutzen daraus zieht und welche Elemente davon zumindest mal fadenscheinig sind. Schicksale, Prophezeiungen, Opfergaben, der Glaube an Reinkarnation – die Welt in „KAOS“ ist deutlich gläubiger als der Großteil der westlichen Moderne, aber viele Aspekte lassen sich auch problemlos auf die Kirche ableiten.

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Herrlich anzuschauen ist, wie unterschiedlich Menschen wie Götter ihre Prophezeiungen interpretieren und umdeuten, wie es gerade in den Kram passt und Sinn ergeben könnte. Antrieb der Geschichte ist eine ganz spezielle Prophezeiung, die Zeus erhalten hat: “A line appears, the order wanes, the Family falls, and Kaos reigns“. An dieser Stelle werde ich etwas spoilerisch, verstecke das Konkrete aber, so dass ihr lediglich klicken solltet, wenn ihr die Staffel durchgeschaut habt. Auf Reddit hat jemand eine interessante Interpretation bezüglich des Satzes. Demnach könnte die Linie der Bus gewesen sein, der Riddy umgefahren hat, die „Ordnung“ könnte die Reihenfolge der Zwillinge gewesen sein, die gefallene Famile Caeneus und seine Mutter, die im „Keller“ landen. Die Linie kann aber natürlich auch Riddys flache EKG-Linie sein oder der aufkommende Riss in der Statue Caeneus‘. Kaos dürfte die griechische Figur sein, die lange vor Zeus da war und noch mächtiger als er ist. Diese Figur wurde ja auch inhaltlich angekündigt und dürfte Prometheus am Ende „rausgeschnippst“ und zu ihm gesprochen haben. Ich liebe, dass es derart viel Interpretationsspielraum und Mystik gibt, über die auch wir Zuschauende uns Gedanken machen können.

Das macht „KAOS“ sehenswert

Zunächst mal schaue „KAOS“ vor allem super aus. Die Bildsprache ist Hochglanz pur und schafft es gut, eine hohe Ästhetik zu transportieren. Gepaart wird der moderne Look mit dem einen oder anderen Retro-Touch. So schaut Zeus über einen alten Röhrenfernseher „fern“ und vor allem Hades‘ Unterwelt ist eher in nostalgischer Büro-Optik gehalten. Gerade dieser in Schwarz-Weiß gehaltene Unternehmens-Aufbau der Unterwelt mit „H“(ades)-Branding hat mir gut gefallen.

Neben einer sehr gelungenen visuellen Aufmachung ist vor allem der großartige Cast hervorzuheben. Neben Goldblum wissen vor allem Janet McTeer als Göttermutter Hera sowie Cliff Curtis als Poseidon zu überzeugen. Aber auch Nabhaan Rizwan als jugendlicher Dionysus oder Stephen Dillane als erzählender Prometheus sind super anzuschauen und Medusa (Debi Mazar) ist eh die coolste Socke.

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Last but not least möchte ich den sehr coolen Soundtrack nennen, der vor allem zum Ende der Folgen regelmäßig mit richtig guter Songauswahl hat punkten können.

Das war weniger gut

Ein paar Abstriche muss man dann jedoch auch machen. Ungünstig empfand ich die Darstellung von Gewalt in „KAOS“. Nicht, dass ich da etwas gegen hätte, im Gegenteil, das war zu großen Teilen richtig gut gemacht. Aber ich frage mich, weshalb das in der Form gemacht werden musste? Denn bis zu Episode Zwei hatte ich meiner Frau noch empfohlen, da auch mal rein zu schauen. Folge Drei hat dann ein klares „Nope, nichts für dich!“ ergeben. Danach fiel die Serie wieder in ein zwar nicht komplett harmloses aber doch seichteres Fahrwasser zurück. So erscheint der Gewalt-Impuls in Folge Drei irgendwie unnötig und dürfte einige Leute verschreckt haben. Grundsätzlich sehe ich die Serie abseits dessen nämlich eher als FSK-12-Material an, das eine breite Zielgruppe hätte ansprechen können (von der doch Abstraktheit der Geschichte abgesehen).

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An einigen Stellen hat zudem das Pacing nicht gepasst, finde ich. Vor allem ein Durchmarsch durch die Unterwelt ist viel zu schnell und ereignislos vonstatten gegangen, was nochmal dadurch persifliert wird, dass mehrmals betont wird, wie viele Prüfungen doch absolviert worden seien. Außerdem gibt es einige Dialog-Passagen, die zu langatmig geraten sind.

„It‘s happening: Kaos is coming.“ – Prometheus

Und das Schlimmste ist das vorzeitige Ende? Jain. Wie eingangs geschrieben empfinde ich „Kaos“ dennoch als sehenswert, da einige in der Staffel aufgekommene Mysterien und Handlungsstränge aufgeklärt bzw. beendet werden. Dennoch fühlt es sich auch wie ein gewaltiger Epilog an. Alle Figuren wurden positioniert – jetzt kann es also losgehen! Eigentlich… Zu gerne würde man weiter schauen, aber daraus wird wohl leider nichts. Wir müssen die Algorithmus-Götter verstimmt haben.

Werden Netflix-Originals in den letzten Jahren vermehrt (und berechtigt) für ihre Austauschbarkeit und fehlenden Tiefe kritisiert, so stellt „Kaos“ ein fulminantes Gegenbeispiel dar. Vielleicht auch, weil man Glück hat, dass zum Beispiel der ewig saubere Netflix-Look hier mal wunderbar zum angestrebten Look passt. „Kaos“ ist eine originelle Inszenierung, die Drama mit einer gehörigen Prise Absurdität vermengt und vor allem viele Ansätze zum Mitraten und Analogien-Ziehen bietet. Cast, Visuals und Soundtrack sind super, lediglich das Pacing an manchen Stellen hätte optimiert werden können und ja, es dauert ein bisschen, bis alles in Gang kommt.

Genau hier dürfte auch der Hund begraben liegen. Die Zugänglichkeit von „Kaos“ ist nicht all zu hoch, so dass viele Leute in oder nach der ersten Folge aufgehört haben könnten, so dass die nackten Zahlen in der Netflix-Zentrale „Cut!“ rufen. Die hohe Produktionsqualität wird dann schnell zu einem Problem. Das ist super schade, denn bei zum Beispiel Apple TV+ wäre „Kaos“ als großer Qualitäts-Serientitel gefeiert worden, da bin ich mir genauso sicher, wie dass der Titel auch bei Netflix noch entsprechende Abrufzahlen auf lange Sicht erhalten wird (solange Netflix die Staffel jetzt nicht mehr oder weniger unsichtbar auf der Plattform werden lässt).

Wird es eine 2. Staffel von „KAOS“ geben?

Wie gesagt: Nein. Netflix hat die Serie nach nur einer Staffel abgesetzt. Schade, ich hätte sehr gerne gewusst, wie die Geschichte weiter geht. Vielleicht gibt es ja irgendwann irgendwie eine Möglichkeit, ein richtiges Ende zu liefern. Hier das offizielle Statement von Creator Charlie Covell zur Entscheidung:

Bilder: Justin Downing/Netflix

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Freitag, 25. Oktober 2024, 11:30 Uhr
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