Tom Hiddleston schlüpft erneut in die Rolle des Gottes des Schabernacks. Diesmal muss der an Zeitzerrungen leidende Loki die Zerstörung der TVA verhindern.
Die Verwirrung ist nicht nur bei Loki, sondern auch bei den Zuschauer:innen groß, als dieser zu Beginn der neuen Staffel in einer von Kang geführten TVA auftaucht. Zur Erinnerung: Sylvie hatte zuvor eine Variante von Kang getötet. Dieser Kang lebte als Jener der bleibt, außerhalb des wahren Zeitstrangs. Um als alleiniger Eroberer herrschen zu können, versuchte er, jede Abweichung vom Zeitstrang auszulöschen. Die Varianten, die durch sogenannte Nexus-Ereignisse entstehen, werden von der TVA überwacht und gestutzt. Nun erinnert sich niemand mehr in der TVA an Loki und zu allem Überfluss wird er auch noch durch verschiedene Zeitpunkte geschleudert. Durch Zeitsprünge in die Vergangenheit und in die Zukunft verändert er das Geschehen in der Gegenwart und verursacht sogar neue Ereignisse. Durch diese sogenannte Retrokausalität erhält zum Beispiel der sympathische Technikguru O.B. (gespielt von Ke Huy Quan) erst durch Lokis Auftauchen seinen Spitznamen, der sich übrigens von dem Wort „Ouroboros“ ableitet, das wiederum eine Schlange bezeichnet, die sich selbst in den Schwanz beißt. Dieses Symbol passt auch gut zur gesamten Staffel, die sich bildlich und handlungstechnisch ebenfalls im Kreis bewegt.
Der nette Problemlöser O.B. ist der Autor des TVA-Handbuchs, das auf den Entdeckungen des Erfinders Victor Timely (ein Vorläufer des Bösewichts Kang) basiert, der es wiederum als kleiner Junge von der zeitreisenden Richterin Ravonna Renslayer (Gugu Mbatha-Raw) erhalten hat. Temporale Zeitauren, Temp-Pads und der Webstuhl der Zeit sorgen dann für noch mehr Fragezeichen. Aber, davon bin ich überzeugt, wer die Dinge so hinnimmt, wie Marvel sie uns präsentiert, der wird an dieser Staffel seine Freude haben.
„Die Realität ist nicht das, wofür du sie hältst.“ – Loki
Die erste Staffel drehte sich um Loki und viele seiner schrägen und witzigen Variationen. Das Finale läutete dann die Multiverse-Saga ein. Die zweite Staffel wirkt dagegen wie ein Sprint auf dem Rad. Bei der ersten MCU-Serie auf Disney+, die eine Fortsetzung erhält, wurde der für Staffel 1 verantwortliche Autor Michael Waldron inzwischen durch Headwriter Eric Martin ersetzt. Und der konzentriert sich nur vordergründig auf pseudowissenschaftliche Konzepte und eine verzwickte Story, sondern vielmehr auf das Wechselspiel zwischen freiem Willen und Schicksal. Immer wieder werden dem Publikum Figuren präsentiert, die ihrer Bestimmung folgen. Brad, auch bekannt als Hunter X-5, verfolgt eine Schauspielkarriere. Loki und Mobius treffen ihn bei der Premiere seines Films „Zaniac“. Der Titel ist übrigens eine Anspielung auf Thors gleichnamigen Widersacher aus den Comics. Sylvie hingegen hat sich nach vielen apokalyptischen Welten für ein einfaches Leben entschieden und arbeitet bei McDonald’s. Schade nur, dass ihre Figur eher zur Nebenfigur verkommt. Und Mobius träumt heimlich davon, Jetski zu fahren. Auch Loki versucht herauszufinden, ob er ein Held sein kann.
„Loki, hör einfach auf den Helden zu spielen. Du bist ein Schurke. Das kannst du gut. Halt dich daran.“ – Hunter X-5
Ihm zur Seite steht Mobius. Die Chemie zwischen den beiden erinnert in vielen Momenten an klassische Buddy-Filme, in denen sich zwei unterschiedliche Charaktere annähern und ergänzen. Owen Wilson, der sonst eher für seine Komödien bekannt ist, zeigt hier eine emotionale Seite, die wirklich berührt.
Auch Jonathan Majors weiß zu überzeugen. Jede seiner Kang-Inkarnationen erhält eine andere Note. Der junge Wissenschaftler Victor Timely wirkt unbeholfen, während Jener der bleibt eine große Überlegenheit ausstrahlt. Spätestens wenn in Episode 3 die Entstehungsgeschichte des neuen Oberbösewichts ausgebreitet wird, weiß man, dass man gerade einem Höhepunkt des MCU beiwohnt. Und zwar einem, der es in sich hat. Enttäuschten zuletzt Serien wie „Secret Invasion“ visuell, weiß „Loki“ wieder zu gefallen. Das symmetrische Design der TVA, die einem undurchsichtigen Labyrinth gleicht, oder der Nachbau der Weltausstellung von 1893 in Chicago faszinieren. Glücklicherweise punktet die Staffel nicht nur mit ihrer Ausstattung, sondern auch mit einem packenden Finale.
„Es geht nicht um das wann und wo, es geht um das wer. Ich kann die Geschichte neu schreiben.“ – Loki
Am Ende steht wieder das Grundthema des freien Willens im Vordergrund. Nach unzähligen Versuchen, den Webstuhl der Zeit zu erweitern und damit den wahren Zeitstrang zu erhalten, reist Loki immer weiter zurück in die Vergangenheit. Und so darf man noch einmal der ersten Begegnung von Mobius und ihm beiwohnen, den Wortgefechten mit Jenem der bleibt lauschen und schließlich Zeuge einer wahren Heldentat werden. Ein stumpfer Schlagabtausch bleibt uns erspart, stattdessen werden wichtige Fragen aufgeworfen. Ist es gerechtfertigt, die Abzweigungen auszulöschen, um den Hauptstrang zu erhalten? Die Antwort dürfte nicht nur Mobius die Tränen in die Augen treiben, wenn Loki allein im Zentrum des Weltenbaums sitzt und dem Kosmos neues Leben einhaucht. Die Multiverse-Saga, die in „Avengers: Kang Dynasty“ und „Avengers: Secret Wars“ gipfelt, kann nun fortgesetzt werden.
Fazit
Trotz einer etwas verwirrenden Handlung überzeugt die Staffel mit einer emotionalen Geschichte und einem tollen Zusammenspiel zwischen Loki und Mobius. Auch Neuzugang O.B. überzeugt als sympathischer Tüftler.
Bilder: Disney
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