In den 1980ern befand sich die Reeperbahn, Hamburgs Vergnügungsmeile, im Wandel. Eine Bande junger Männer mischte den Kiez auf und bedrohte die Existenz alteingesessener Zuhälter. Die Miniserie „Luden – Könige der Reeperbahn“ zeichnet das ungeschönte Leben von Klaus und seiner Truppe nach.
Ein wenig zynisch mutet es schon an, dass ausgerechnet am 3. März, dem internationalen Tag für die Rechte von Sexarbeiter:innen, Amazon Prime Video eine sechsteilige Serie veröffentlicht, die das Leben von Zuhältern und Frauenpeinigern porträtiert. Dabei kann man der Miniserie nicht wirklich viel vorwerfen, denn sie beschönigt die Geschehnisse nicht, sondern zeigt die Absurdität wie Männer das Rotlichtmilieu in Hamburg kontrollieren, Frauen wie Vieh herumreichen und sich an den Einnahmen der hart arbeitenden Menschen bereichern. Auch der junge Klaus Barkowsky (gespielt von Aaron Hilmer) gerät eher zufällig in das Geschäft des Zuhälters. An einem Abend mit seinen Freunden auf der Reeperbahn lernt er die heroinabhängige Jutta (Jeanette Hain) kennen und wird kurz darauf von ihrem Zuhälter dazu angehalten ein Ablösegeld für sie zu leisten. Klaus wittert das große Geld und damit beginnt ein verbitterter Wettkampf zwischen ihm, seiner unter dem Namen Nutella-Bande gegründeten Gruppe und den etablierten Luden der sogenannten GMBH. Der „schöne Klaus“, wie er später bezeichnet wird, wird von der Illusion getrieben eine Revolution der Liebe anzutreiben. Mit seiner charmanten Art rekrutiert er schon bald unzählige weitere Frauen, denen er nahelegt, sich gegen herrschende Konventionen aufzulehnen. Später wird angedeutet, dass auch Klaus als Kind sexuell misshandelt wurde. Hilmer porträtiert den halbstarken Klaus als selbstbewussten Frauenmagnet mit breitem Hamburger Dialekt. Mir persönlich ist die Darstellung etwas zu exzentrisch ausgefallen. Da hat mir Henning Flüsloh als Klaus‘ Freund Andi besser gefallen. Er will eigentlich Profiboxer werden, wird aber von seinem Trainer immer wieder hingehalten, sodass er zum Mann für das Grobe in Klaus‘ Gang wird. Der brutale Blick und der vor Wut schäumende Mund überzeugen genauso, wie seine humoristischen Einlagen.
Auch Bernd (Noah Tinwa), der dritte im Bunde, überrascht mit seiner feinfühligen Art. Er kümmert sich für Klaus um die Finanzen, sehnt sich aber im Verborgenen danach selbst eine Frau zu sein. Aber Interessanter als die Männergeschichten sind eigentlich die Schicksale der Frauen. Vorneweg Jutta, eine vom Leben gezeichnete Frau und ihre Tochter Manu (Lena Urzendowsky). Sie sucht eigentlich nur ihre Mutter und landet dabei selbst im Rotlichtmilieu. Anhand ihrer Geschichte zeigt sich, wie schnell die Frauen in Abhängigkeiten geraten und wie schmal der Grat zwischen Bardame, Tänzerin und Prostituierter werden kann.
Auf St. Pauli lernt sie auch Heike (Lara Feith) kennen, die später Klaus‘ Versprechen vom sorgenfreien Leben verfällt und seine Frau werden soll. Eines der härtesten Schicksale ereilt wohl aber Claudi (Ada Philine Stappenbeck), die in Klaus verliebt ist und ebenfalls auf seine Masche reinfällt. Sie lässt sich überreden auf einer Bohrinsel vor der Küste anschaffen zu gehen. Ihr Schicksal wird später nur in einer Nachrichtensendung aufgegriffen. Beinahe genauso klanglos scheint die Tatsache auch an Klaus vorbeizugehen, für den das glamouröse Leben einfach weitergeht. Durch die Verbreitung von AIDS und dem zunehmenden Kokainhandel, wandelt sich auch das Geschäft auf der Reeperbahn. Die alten Verhaltensregeln weichen und so wird schon bald kaltblütig gemordet. All diese Storys sind eingebettet in ein düsteres Setting, das ein authentisches Bild von den verruchten Bordellen und den Stripclubs vermitteln. Und statt auf poppige Hits der 1980er zu setzen, sind die Szenen mit drückenden Synthiesounds unterlegt. So eine astreine Umsetzung kann man sich von vielen anderen deutschen Produktionen nur Wünschen. Trotzdem bleibt am Ende ein fahler Beigeschmack. Gangsterstorys faszinieren uns, weil sie uns in eine Welt voller illegaler Handlungen eintauchen lassen ohne reale Konsequenzen zu fürchten. Diese Geschichte basiert aber auf wahren Begebenheiten und die traurigen Schicksale der Frauen sind auch heute noch real. Da mag die Rockstar-Attitüde, die bei der Serie leider immer wieder mitschwingt nicht ganz passen. Wer mehr über die wahren Vorbilder von „Luden – Könige der Reeperbahn“ erfahren will, dem sei die Doku „Reeperbahn – Spezialeinheit FD65“ in der ARD Mediathek nahegelegt. Insbesondere Folge 3 widmet sich der GMBH, Nutella-Bande und einem gewissen Lamborghini-Klaus.
Fazit
Rasante und schonungslose Milieustudie, die durch einen herausragenden Cast glänzt. Problematisch wirkt die leichte Verehrung von Kriminellen dennoch.
Bilder: Amazon Prime Video
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