Bei Teaser und Trailer zur neuen HBO (Max)-Serie „Made For Love“ kommt unweigerlich der Gedanke auf, es handele sich um ein typisches „Black Mirror“-Setting, was nochmal dadurch bestärkt wird, dass Cristin Milioti zu sehen ist, die in der Folge „USS Callister“ (S004E01) mitgewirkt hatte. Und ja, der ausschlaggebende Antreiber der Geschichte, ein im Kopf implantierter Überwachungschip, passt da gewaltig ins Sci-Fi-Konzept, aber darüber hinaus versucht sich die Serie durchaus, menschliches Drama mit originellen Charakteren zu schaffen, das eher an „Fargo“ erinnert. Nur leider nicht die erste Staffel davon, sondern eher eine der jüngeren. „Made For Love“ ist nicht zum Direktverlieben da, aber bietet einige schätzenswerte Aspekte – hier mein spoilerarmer Eindruck der Staffel.
Roman-Adaption
Yep, auch diese Geschichte ist nicht neu-neu. Autorin Alissa Nutting hat mit „Made For Love“ (Partnerlink) die Romanvorlage zur Serie geschaffen. Die Handlung soll aber wohl recht identisch sein: Hazel Green ist mit einem absoluten Tech-Mogul, Byron Gogol, liiert, der soziopathisch-zurückgezogen im sogenannten „Hub“ lebt. Mit ihr, ohne wirkliches Essen oder Düfte. Klingt komisch, ist aber so. Dafür lebt ein Delphin im Swimming Pool und man kann per Virtual Reality hinreisen, wohin man möchte. Nur wirklich rausgehen, also, aus dem Hub ins physische, echte Draußen, möchte Byron nicht mehr. Entsprechend fühlt sich Hazel wie eine Geisel, die 24 Stunden am Tag überwacht und kontrolliert wird. Das Ganze gipfelt darin, dass Byron ihr heimlich einen revolutionären Gehirnchip implantiert, der ihm nicht nur Zugriff auf biologische Werte gibt, sondern auch sehen lässt, was sie sieht. Creepy!
Soweit die Basis der Geschichte. Hazel will dieser ultimativen Umklammerung entfliehen, was direkt in Folge Eins zu einer Thriller-artigen Verfolgung führt. Mir hat ganz gut gefallen, wie „Made For Love“ die Handlung nach und nach mit Zeitsprüngen und Entschachtelungen offenlegt. So geht es direkt zur Sache und beim Publikum wird ein gewisses Mysterium aufgebaut. Dabei gibt es auch immer wieder nette Sci-Fi-Erfindungen (oder eher Spielereien) zu sehen, die manchmal auch den Schritt ins Banale wagen. Das ist allgemein ein gehöriger Unterschied zu „Black Mirror“: In „Made For Love“ geht es zwischenzeitlich beinahe Slapstick-artig zu. Das nimmt der Geschichte leider auch etwas Wirkung, gehen so doch Realismus und Immersion flöten. Ganz gelingt die Balance zwischen auflockernden und bedrohlich ernsten Elementen leider nicht immer, so dass es sich zeitweise anfühlt, als könne „Made For Love“ sich nicht ganz entscheiden, welche Art von Serie es denn jetzt sein möchte. Hinten heraus kristallisieren sich Geschichte und Charakter der Erzählung aber immer mehr heraus und man kann die unterschiedlichen Elemente sehr viel besser wertschätzen.
Gut gespielte Gesellschaftskritik
Dass Kollege Gogol ein Tech-Imperium mit Smartphones, Tablets und allem drum und dran führt, das vom Namen her an eine große Suchmaschine erinnert, kommt nicht von ungefähr. Auch das Logo erinnert in seiner Art an das alte, geschwungene „g“. Diese offenkundig anspielende und bisweilen detailverliebte Inszenierung habe ich sehr genossen. Das „g“ als Doppelfinger-Ehering, der klischeehafte schwarze Rollkragen-Pullover-Look, das ganze Gehabe als total wichtiger und der realen Welt entglittener CEO – das kommt schon alles sehr direkt rüber. Auch dank Billy Magnussen, der Ekel Byron auf sehr überzeugende Art und Weise spielt. So gut, dass man sich zwischenzeitlich wirklich nicht sicher ist, ob er nun ein berechnender Arsch oder lediglich ein unbeholfenes Kind im Umgang mit Menschen ist. Aber auch Cristin Milioti spielt hervorragend, die Nebenfiguren grundsätzlich auch, wobei hier Ray Romano hervorzuheben ist, der einen etwas lethargischen Vater spielt, der den Großteil seiner Aufmerksamkeit seiner Sexpuppe Diane widmet.
Die Inszenierung von „Made For Love“ ist zudem auch absolute State-of-the-Art. Cinematography, Set-Design, Visuals – das wirkt alles hochwertig und stimmig. Auch der Schnitt schafft es, stets in Bewegung zu sein, ohne zu wirr zu werden oder Längen zu schaffen. Die Balance im Pacing ist soweit auch in Ordnung, nur inhaltlich passt es leider nicht immer.
Kleine Bugs im Code
Vor allem hinten heraus, wenn sich alle Puzzle-Teile langsam aber sicher zu erkennen geben, wird klar, welchen Zweck einige Entwicklungen besitzen. Das läuft nicht immer linear und nachvollziehbar ab. Vor allem am Ende wird ein kleiner Twist aufgezogen, nur des kleinen Twists wegen, nicht, weil es der sinnvollste Zug der Figuren gewesen wäre. Allgemein darf man auch die dargebotene Technik nicht vollends hinterfragen, sonst ist man die Folgen über damit beschäftigt, sich zu fragen, wie die da 10 Jahre so gelebt haben, ob man in einem 4×4 Meter großen VR-„Cube“ nicht irgendwann gegen eine Wand läuft und ob Möbel darin nun simuliert oder reingeschleppt werden müssen… Auch die Motivation mancher Figuren wirkt nicht immer schlüssig. Zehn Jahre in einer Beziehung mit jemandem sein, der offenkundig nicht dazu in der Lage ist, wirkt zumindest mal anzweifelbar. Letztlich darf man vermutlich einfach nicht alles zu sehr auf die Goldwaage legen, was in „Made For Love“ passiert und es eher als ambitionierte Unterhaltung über Mittelmaß sehen.
„Made For Love“ hat viele tolle Ansätze. Vor allem die Technik-Visionen, die bildliche Inszenierung, das Schauspiel und die überdrehten Figuren machen jede Menge Spaß und bieten allerlei Reiz. Leider wirken einige Elemente mehr als Mittel zum Zweck denn authentische Bausteine. Vieles wirkt zurechtgebogen, um andere Schritte der Geschichte in Gang setzen zu können, ob das nun inhaltlich nachvollziehbar ist, oder nicht. Auch die Technik selbst geht meist nicht über den initialen „Wow, das wäre cool!“-Moment hinaus (aber ansonsten wären es vermutlich auch keine Visionen, sondern bereits umgesetzte Technologien…).
Insgesamt hat „Made For Love“ mich aber dennoch ganz gut unterhalten können. Die acht jeweils knapp unter einer halben Stunde langen Folgen sind wunderbar an einem Wochenende (oder vielleicht gar Abend) anzuschauen. Zwischenzeitliche kleine Hänger gibt es hier und da, aber insgesamt weiß die Serie bislang durchaus konstant zu unterhalten.
„Made For Love“ in Deutschland schauen…
Leider ist das noch immer nicht so leicht… Ich nahm ja ursprünglich an, die Serie würde ob der HBO-Verbundenheit hierzulande über Sky laufen, aber einige Wochen nach Ende der Staffel ist noch immer nichts dergleichen in Sicht. Nicht mal digital kaufen lässt sich „Made For Love“ aktuell, entsprechend kann man sich lediglich über einen VPN helfen.
„Made For Love“ Staffel 2?
Ebenso ist auch noch unklar, ob es zu einer zweiten Staffel von „Made For Love“ kommen wird. Das Ende könnte an sich so abgeschlossen funktionieren, hat aber doch noch ein paar lose Enden in der Geschichte parat und zumindest ist die Serie nicht als Miniserie angelegt gewesen und die Produzierenden hoffen auf eine Verlängerung. Vielleicht hängt das auch mit weiteren internationalen Lizensierungen zusammen. Ich würde mich jedenfalls über eine Fortsetzung freuen.
Bilder: HBO Max
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