Das Marvel Universum zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass Superhelden und -heldinnen durchaus menschlich dargestellt werden. Ob nun die Avengers beim Schawarma essen oder derzeit das Paar Wanda und Vision, die in ihrer eigenen Serie versuchen ein bodenständiges Familienleben im vorörtlichen Eigenheim zu führen. In der dritten Folge von „WandaVision“ bereitet sich das Power-Paar im Schnelldurchlauf auf die bevorstehende Elternschaft vor, denn der Nachwuchs kündigt sich früher an als gedacht.
Die Serie bleibt im bislang gewohnten Sitcom-Format und dem 4:3 Seitenverhältnis. Allerdings ist man zeitlich etwas vorgerückt. Wanda und Vision sind in den 1960ern angekommen, jenem Jahrzehnt, indem das Farbbild Einzug in die Wohnzimmer hielt. So sehen wir das Duo nicht nur in grellen Farben, auch der Vorspann erinnert mit seinen Kacheln an die Serie „The Brady Bunch“, die hierzulande unter dem Titel „Drei Mädchen und drei Jungen“ Anfang der 1970er im ZDF ausgestrahlt wurde. Selbst die Innenausstattung und die Kleider wirken, als hätte man sie direkt vom Set der Bradys entnommen. In den ersten Minuten zeigt das Schauspielduo Olsen und Bettany ihr komödiantisches Talent, das in den großen Blockbusterfilmen bislang zu kurz kam. Eine Slapstickeinlage folgt auf die andere und bevor man sich in der falschen Serie wähnt, deutet sich wieder etwas Mysteriöses an. Vision scheint allmählich zu begreifen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie zu sein scheinen.
„Die Wahrheit ist: Wir segeln in unerforschten Gewässern.“ – Vision
Es sind genau diese Augenblicke, die die erste MCU Serie auf Disney+ von einer reinen Hommage an die Fernsehgeschichte abheben lässt. Als Zuschauer stellen wir Theorien auf und suchen überall nach Hinweisen, ob sich unsere Annahmen bestätigen lassen. Hat sich die trauernde Wanda all das mittels ihrer magischen Kräfte selbst kreiert oder hat doch eine externe Organisation eine künstliche Welt geschaffen, die den beiden etwas vormacht? Jedenfalls kann Wanda die Geschehnisse beeinflussen. Das haben wir vergangene Woche gesehen als sie am Ende der zweiten Folge eine geheimnisvolle Person im Imkeranzug sieht und jetzt nochmal als sie Visions allmähliche Bedenken wieder Rückgängig macht oder einen aufgemalten Storch zum Leben erweckt. Die Szenerie wird wieder mit einem nostalgischen Werbespot unterbrochen, der nicht zufällig ein Badeprodukt von „Hydra“ bewirbt. Denn zur Erinnerung: Wanda und ihr verstorbener Zwillingsbruder Pietro erhielten ihre Superkräfte durch ein Hydra-Experiment in Struckers Burg.
Als die Wehen einsetzen sucht Vision den Hausarzt auf, derweil Wandas Freundin Geraldine aufschlägt. Und während Wanda anfangs noch durch ein paar lustige Tricksereien ihren über Nacht gewachsenen Babybauch versucht zu kaschieren, kommt es zur Hausgeburt. Die beiden Kinder Billy und Tommy wachsen übrigens in der Comicvorlage zu den Young Avengers Helden Wiccan und Speed heran. Bei der Schöpfung der Zwillinge im Jahr 1986 in der Miniserie „The Vision and the Scarlet Witch“ hatte Mephisto seine Finger im Spiel, der dafür sorgte, dass sich Wanda lange Zeit nicht mehr an die Kinder erinnert. Erst im Jahr 2005 konnte Scarlet Witch ihre Erinnerung zurückgewinnen und die Seelen der beiden in neue Körper setzen. Auffällig ist auch, dass Geraldine nicht nur eine Kette mit dem Symbol von S.W.O.R.D. um den Hals trägt, sondern sich auch an Pietro und die Auseinandersetzung mit Ultron erinnert. Die Situation veranlasst Wanda dazu sie aus dem Haus und auch aus der artifiziellen Welt beziehungsweise Simulation zu werfen. Geraldine landet am Ende der Episode auf einer grünen Wiese, während Soldaten anrücken. Die letzten Bilder außerhalb Wandas Welt zeigen sich dann auch in 16:9.
Die von Teyonah Parris gespielte Geraldine wird übrigens in den Credits als Monica Rambeau aufgeführt. Jenes junge Mädchen, dass bereits in dem in den 1990ern angesiedelten „Captain Marvel“-Solostreifen ihren Auftritt hatte. Das bedeutet, dass wir uns trotz 60s-Setting in der heutigen Zeit befinden. Es bleibt also spannend zu sehen, ob sich die Fantheorien, die sich um die Comics „House of M“ mit einer psychisch labilen Scarlet Witch oder auch die künstliche Welt aus „Avengers: Standoff“ kreisen bewahrheiten oder ob uns Serienschöpferin Jac Schaeffer mit etwas ganz anderem überrascht. Die vorab gezeigten Bilder aus den Trailern deuten zumindest daraufhin, dass es kommende Woche mit einer Anspielung an „Familienbande“ aus den 1980ern weitergeht. Und so wie sich die Geschichte bisher entfaltet, ist sie einer Comicerzählung nicht ganz unähnlich. Gerade heutige Marvel Comics erzählen oft in vier bis sechs Heften mit einem Umfang von 20 Seiten eine abgeschlossene Handlung. Wer die reiche Historie der Superhelden kennt, hat in der Regel mehr Freude daran. Ähnlich verhält es sich jetzt mit „WandaVision“ – Fans der 23 vorangegangenen Filme dürften doppelt soviel Spaß.
Die dritte Folge von „WandaVision“ versetzt den Zuschauer in die 60er- und 70er-Jahre zurück und liefert weitere Andeutungen zum großen Ganzen.
Bilder: Disney
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