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Kriege ich meine Zeit zurück, bitte?!

Review: Matrjoschka – Staffel 2

11. Mai 2022, 10:54 Uhr
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Die erste Staffel von „Matrjoschka“ (Originaltitel: „Russian Doll“) war super und hat nicht nur Fans von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ verzücken können. Ja, nicht alles war perfekt, aber das Zeitschleifen-Konzept war herrlich durchgeknallt, mysteriös, bot diverse Twists und konnte vor allem mit der grandiosen Darbietung von Natasha Lyonne als Nadia Vulvokov aufwarten. Wie so oft bei solchen Konzeptserien mit eigentlich gut abschließbarer erster Staffel fragt man sich, ob es da überhaupt eine Fortsetzung benötigt? Netflix empfand, dass „Ja“ die richtige Antwort auf diese Frage sei, und hat am 20. April die zweite Staffel (Trailer) des Originals veröffentlicht. Nachdem ich mir die sieben neuen Folgen angeschaut habe, möchte ich gerne in eine Bahn einsteigen, die mich die dreieinhalb Stunden wieder zurück bringt…

Zeitreise statt Zeitschleife

Haben wir in Staffel Eins noch den Großteil unserer Zeit in Badezimmern und vor allem an ein und demselben Tag verbracht, vergrößert Staffel Zwei den Zeitreise-Radius enorm. Statt rücksetzender Todesfälle wurde auch eine angenehme Form der wortwörtlichen Zeitreise gefunden: Bahnfahren. Die Linie 6622 der New Yorker U-Bahn führt Nadia nicht wirklich zum gewünschten Ziel, sondern in die Vergangenheit. Der Effekt dieser ersten Szene ist sehr gelungen und lässt auf eine Staffel voll wirrer Zeitreisen hoffen. Doch leider verstrickt sich die Geschichte in einer halbgaren Geschichte, die zu wenig Substanz für komplexes Storytelling und zu viel Substanz für überdrehte Durchgeknalltheit bietet.

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Selten habe ich zudem bei einer derart offenkundig fiktiven Serie so etwas wie „Schon klar, Zeitreisen und so, aber DAS macht nun wirklich keinen Sinn!“ gedacht. Die Konsequenz hat mir da gefehlt. Teilweise funktionieren bestimmte Dinge auf Zuruf, mit perfektem Timing und komplett berechenbar, andere eigentlich stringend logisch erscheinende Dinge, dann wiederum nicht. Vor allem aber weiß mich die grundlegende Geschichte nicht wirklich zu packen. Nadia und Alan reisen mit dem Zug immer wieder in die Vergangenheit und zurück in die Gegenwart, um Familiengeschichte zu erleben und zu optimieren zu versuchen. Dabei ist die Motivation zumindest fragwürdig. Das persönliche Interesse kann man hier noch hochhalten, das Verhalten von Personen besser nachvollziehen zu können, die eigene Herkunft besser zu verstehen, okay. Aber sie müssen nichts „reparieren“, um aus dem Dilemma zu kommen. Es reicht, einfach diese Bahnlinie nicht mehr zu nehmen…

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Wie viele Vergangenheits-Reisen hat auch „Matrjoschka“ einige interessante Aspekte vorzuweisen. Neben der allgemeinen Nostalgie-Gefühle gibt es einige amüsante Zeitvergleichs-Gags zu sehen. Mir hat zum Beispiel gefallen, wie im Jahr 1982 eine Bibliothekarin als Google-Ersatz fungiert hat, der einen Stunden nach dem erfolgten Suchauftrag mit dem Recherche-Ergebnis zurückruft.

Auch möchte ich das gute Casting hervorheben, das vor allem bei den Figuren, die in mehreren Zeitebenen vorkommen, gute Arbeit geleistet hat. Vor allem Annie Murphy als junge Ruth hat mir sehr gut gefallen!

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Zu Beginn hat mir auch noch Nadias bekannte Schlagkräftigkeit gefallen. Neben ihrem coolen und souveränen Auftreten war sie vor allem nie um einen kessen Spruch verlegen. Naja, bis zum letzten Drittel der Staffel, wo auch dieser Pluspunkt plötzlich deutlich kleiner wurde. Das kann man mit der Unsicherheit und emotionalen Belastung ihrer Figur erklären, ja, aber leider geht so deutlich Charisma verloren, was vor allem notwendig wäre, um die verwaschene Geschichte aufzufangen. Denn nach Folge Vier hat man das Gefühl, noch immer nicht zu wissen, wo die Staffel hin will. Als wäre man noch immer in der diffusen Einleitung gefangen, dabei folgen nur noch drei weitere Episoden.

Die erste Folge hat noch etwas Mystery und Reiz, danach verflacht die Motivation, weiter schauen zu wollen, enorm. Es geht um Nazi-Züge, Gold-Dubletten und Zigaretten, so richtig hat man aber nie das Gefühl, dass irgendwas elementar wichtig ist. Und dann wäre da noch Alans Side-Story, die im Ostberlin der 60er Jahre spielt! Immerhin einen wirklich deutsch sprechenden Darsteller hat man irgendwo ausgraben können, ansonsten fragt man sich am Ende, was diese komplette Geschichte eigentlich sollte?! Und, ob seit den 60ern die gleichen Gleisansagen am Bahnhof zu hören sind?

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Allgemein fehlt es der Staffel schlicht an Substanz und Stringenz. Da prallen viele nette Ideen aufeinander, die aber durch einen hanebüchenen roten Faden halbgar zusammengehalten werden. Alleine dieser inner-familiäre Diebstahl der Goldmünzen, nachdem die Großmutter aber doch irgendwie in der Nähe bleibt und… Ach, ich weiß doch auch nicht!

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Einen kurzen Hoffnungsschimmer gibt es dann kurz vor Schluss. Eine Hälfte von Folge Sechs ist wirklich unterhaltsam und bringt diesen wirren Charme zurück, der Staffel Eins ausgemacht hat. Darin ist auch die beste Szene zu sehen, die im guten alten Kiosk spielt, zudem gibt es einige Rückbezüge zur ersten Staffel.

Doch kaum erhofft man sich die alles beantwortende und schließende Klammer, wird man mit einem Ende zurückgelassen, das wenig zufriedenstellend ist. Und es stellt sich vor allem eine Frage: Wieso? Wieso haben die Figuren das alles gemacht? Wieso ist das alles so gelaufen? Wieso habe ich mir das bis zum Ende angeschaut? Und wieso gibt es diese zweite Staffel überhaupt?

Um mal etwas konkreter zu werden (und entsprechend zu spoilern): Man kann die Folgen durchaus als vor allem psychische Verarbeitung der eigenen familiären Vergangenheit auffassen, vor allem für Nadia. Dass sie mittendrin merkt, dass die Vergangenheit nicht veränderbar ist, bzw. ihr Handeln nur zum Ergebnis führt, das sie bereits kannte, hat da auch noch als Lehre und zum allgemeinen Zeitempfinden gepasst. Gut hätte ich sogar gefunden, wenn sich am Ende rausstellt, dass alle Erfahrungen lediglich imaginärer Natur waren. Zum Beispiel, dass sie wirklich im Zug eingepennt ist, das alles nur geträumt hat, und nun ein besseres Verhältnis zu sich, ihrer Vergangenheit und vor allem Familie besitzt. Quasi als erträumte Eigentherapie, wenn man so will. Dass etliche mitgeführte Gegenstände im Zug verschwinden, aber sie sich selbst als Baby (WTF?!) mitführen kann, wirkt auch unlogisch. Und dann gibt es da die kleinen „So ist es gedacht“-Fetzen in diesem „Void“ am Ende? Puh, ne…

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Langweilige Elemente, überflüssige Geschichten, wenig Nadia-Charme und eine fehlende Aufklärung – ne, das war nichts. An den smarten Charme und vor allem die Dynamik von Staffel Eins kommt die „Matrjoschka“-Fortsetzung lediglich in wenigen Szenen annähernd heran. Ansonsten fühlt sich die Staffel deutlich schwerfälliger und vor allem schlechter nachvollziehbar an. Nicht im Sinne von Mystery, das ist immer gut, sondern im Sinne der Sinnhaftigkeit. Das hätte man auch in der halben Zeit besprechen können, wenn überhaupt. Es bleibt ein bisschen Nadia-Charme, allgemein hochwertige Inszenierungen (vor allem alter Zeitebenen) sowie ein paar nette surreale Momente, insgesamt ist das aber weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben.

Alles in allem muss man leider festhalten, dass hier das „Schwere zweite Staffel einer originellen Serie“-Syndrom zugeschlagen hat. Im Nachhinein hätte man es lieber mit einer abgeschlossenen Staffel im Miniserien-Stil belassen sollen. So verwässert man die Gesamtbewertung von „Matrjoschka“ leider unnötig. Ich würde mal behaupten, viele Leute werden bei einer möglichen dritten Staffel gar nicht mehr einschalten oder haben gar bereits mitten in der aktuellen Staffel abgebrochen.

3. Staffel „Matrjoschka“?

Noch ist nicht klar, ob es eine Fortsetzung geben wird. Natasha Lyonne hat angegeben, dass die Story auf drei Staffeln ausgelegt ist. Fraglich bleibt jetzt, ob Netflix die Kritiken und Abrufzahlen genügen, um eine abschließende Staffel zu finanzieren.

Bilder: Netflix

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Beitrag von:
Mittwoch, 11. Mai 2022, 10:54 Uhr
MatrjoschkaReview
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3 Kommentare

  • İlayda

    Hallo ich wollte dir mal etwas Erleuchtung geben .
    Die Geschichte in den Film ist echt passiert ein Zug mit Nummer 66 in Belgrad . Die nazis haben den juden versprochen ihnen das Gold auszuhändigen . Was nie passiert ist . Es wurde Standesämter von den nazis geplündert . Es tauchen heute noch schätze auf davon . Sie erzählt Geschichte die viele von uns sogar betroffen hat . Die juden und Narzis und Ungarn alles stimmt . Deswegen ist es sehr interessant . Ich hoffe in Staffel 3 wird es darum gehen wer ihr Vater war 🤔

    • Der reale Hintergrund ist mir bewusst und natürlich auch wichtig. Das macht die verworrene Erzählung aber leider nicht wirklich besser, höchstens den persönlichen Bezug an einigen Stellen für Leute, die traurigerweise davon betroffen waren und sind. :(

      Und ja, die Vaterseite wird mit Sicherheit dran kommen, gute Idee!

  • Gullipprosa

    Ich fand sie Hammer gut! Der Schock, dass sie ihre Mutter ist und sie alles erlebt, was die mutter in ihrer schlimmsten Zeit erlebt hat, fand ich sehr verstörend und eine interessante Variante ihre Herkunft zu erleuchten und was die Charaktere in ihrer Vergangenheit durchgemacht haben. Starke 4/5 für mich

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