Zwei Jahre ist es her, dass wir uns intensiv mit der Netflix-Serie „Mindhunter“ beschäftigt haben. Von Staffel 1 war ich nicht so richtig angetan (siehe mein Review zu Staffel 1) – sie sah zwar ziemlich gut aus, auch Dank der tollen Regiearbeit von David Fincher bei knapp der Hälfte der zehn Episoden, aber die Story war für meinen Geschmack etwas zu dünn und der Cast zu matt. Trotzdem habe ich mir Staffel 2 vorgenommen – und wurde nicht enttäuscht.
Zunächst einmal – auch wenn produktionstechnisch knapp 2 Jahre zwischen den beiden Staffeln liegen, so setzt die Erzählung doch nahtlos dort an, wo sie in Staffel 1 aufgehört hat. Was mich direkt gefreut hat: Storytechnisch steht nicht mehr Agent Holden Ford dominant im Vordergrund, sondern wir erfahren dieses Mal deutlich mehr über dessen Kollegen Bill Tench und die Psychologin Wendy Carr. Derweil Holden Fords Krankengeschichte nur am Anfang kurz thematisiert wird, bekommen die anderen beiden Charaktere deutlich mehr Screentime. Beide Figuren werden sehr schön entwickelt und vor allem der Kontrast zwischen der Arbeit und dem Privatleben herausgearbeitet. Bei Holden Ford bleibt das aus – vor allem auch, weil er sich vor allem auf die Arbeit fokussiert, so dass privat nicht viel übrig bleibt.
Derweil er sich also intensiv mit seiner Arbeit identifiziert, haben Bill und Wendy ganz andere Probleme. Im Laufe der neun Folgen verbinden sich zudem die privaten Themen sehr schön mit der Arbeitswirklichkeit, so dass sich ein spannendes Gesamtbild ergibt. Die eine oder andere Sache wirkt schon etwas bemüht, insgesamt funktioniert das aber sehr gut, sowohl die Verbindungen bei Bill zwischen den Theorien der frühkindlichen Prägung und den eigenen Erfahrungen bei seinem Sohn als auch Wendys Beziehung,die sie geheim halten muss und die ihre Einwürfe bei Verhören und Besprechungen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Dabei wissen vor allem bei beiden Schauspieler Holt McCallany als Bill und Anna Torv als Wendy zu überzeugen. Aber auch der Nebencast ist sehr gut besetzt, zum Beispiel mit Albert Jones als Jim Barney oder Lauren Glazier als Wendys Freundin Kay, oder auch Damon Herriman als Charles Manson (ja, er hat Manson auch in Quentin Tarantinos aktuellem Film „One upon a time… in Hollywood“ gespielt).
Was mir auch gefällt ist, dass die Autoren einen Kontrast zwischen Bill und Holden aufbauen. Hier der ruhige, sachliche Arbeiter, der jovial mit den Vorgesetzten umgehen kann und eine eigene Familie hat, dort der junge wilde Nachwuchsagent, der sich vor allem auf seine Intuition verlässt und dabei in die eine oder andere gesellschaftliche Falle tappt. Im Gegensatz zu Staffel 1 finde ich jetzt vor allem die Verhöre ziemlich fesselnd – wie sich die dominante Rolle in den Gesprächen zwischen den Agenten und den Befragten wandelt zum Beispiel. Oder wie man beobachten kann, wie sich die Gesprächspartner untereinander belauern, auf mögliche Schwächen der anderen eingehen oder versuchen, sie in bestimmten Dingen zu beeinflussen – das ist deutlich besser gemacht als in Staffel 1.
In der zweiten Hälfte der Staffel legen die Autoren dann den Schwerpunkt auf einen konkreten Fall in Atlanta – auch hier bleibt es trotz recht beschaulichem Erzähltempo spannend, weil die Handlung hier und da immer wieder einmal eine unerwartete Wendung nimmt. Da spielen die Verhältnisse der damaligen Zeit eine Rolle, aber auch wieder die unterschiedlichen Charaktere, die Rollen, die sie einnehmen, und die Erwartungen, die an sie gestellt werden. Mir hat auch der Abschluss gefallen, der den Zuschauer nicht vollständig aufgeklärt zurücklässt und so Raum zum Weiterdenken bereithält. Das nimmt man auch gerne an, einfach weil die Staffel an sich so unterhaltsam war.
Ich muss sogar sagen, dass in Verbindung mit dieser Staffel die erste Staffel noch mehr Sinn macht. Dieses unausgegorene Erzählen, die oft diffusen Verhöre, die oberflächlichen Beziehungen der Charaktere – all das macht jetzt mehr Sinn, da man weiß, dass die Staffel 2 deutlich tiefgründiger wird. Staffel 1 wirkt wie ein langer Weg dorthin – die Zeit und Muße muss man sich erst einmal nehmen, aber dann entsteht ein stimmiges Gesamtbild von „Mindhunter“.
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