Fühlbare Spannung, gelungene Cinematics und emotionale Momente – auch diese Woche weiß „Mr. Robot“ wieder den gewohnt qualitativ hochwertigen Mix für uns bereit zu halten. Und doch ist irgendwie alles anders. Nicht unbedingt (viel) schlechter, aber diese Woche fand ein kleiner Seitenwechsel statt. Denn vor allem zu Beginn erhalten wir Einblicke in die Historie von Whiterose. Damals, als er noch gar nicht so hieß. 1982 war der junge Mr. Zhang bei IBM zu Gast. Der Einstieg ist dank perfekter Übersetzung schon einmal sehr kurzweilig ausgefallen und die 80er Version von Whiterose-Darsteller BD Wong wurde meiner Meinung nach mit Ross Kurt Le auch ganz gut besetzt.
„I look forward to steeling all your intellectual property.“ (Junger Mr. Zhang)
Spätestens in der ersten Szene mit seinem Geliebten Chen wird klar, dass hinter der zunächst als harmlose Karriere-Beginne erscheinenden Geschichte mehr steckt. Das Piepen der nervigen Uhr, die Zhang noch gar nicht selbst trägt, lässt die Verbundenheit erahnen. Eigentlich wollen die beiden China und dem dortigen Homosexualitäts-Verbot entfliehen, sie selbst sein in den USA. Erstmals zeigt sich Zhang als eine Art Whiterose, im weißen Kleid seiner Mutter, das auch in der Jetzt-Zeit für die anstehenden Feierlichkeiten vorbereitet wird. Das ist ihm geblieben. Und die Uhr seiner großen Liebe. Die hat die damals ausweglos erscheinende Sackgasse nicht geduldig aussitzen können und sich selbst bei der eigenen Hochzeit das Leben genommen, so dass die als Scherz gelieferten Beerdigungs-Blumen doch noch ihren Zweck erfüllen konnten. Beachtlich in diesem Moment fand ich, dass man trotz der kurzen Phase in der Erzählung emotional berührt ist, als Chen zum Messer greift. Eine sehr intensive Szene und eine stimmig erzählte Hintergrundgeschichte, die ein bisschen mehr erklärt, wieso Zhang nach außen als Whiterose sehr gefühlslos und berechnend wirkt.
Im Hier und Jetzt ist seine Assistentin dem Komplett durch Elliot auf der Spur. Wellick soll neuer CEO von E Corp werden, jedoch bereits am nächsten Tag, an Weihnachten, um den Zeitplan möglicher Tiraden durcheinander zu bringen.
„With you it‘s always one step forward and then four fucking leaps back!“ (Darlene)
Elliot ist alleine schon durcheinander als er auf der Straße auf seine ehemalige Psychiaterin Krista trifft. Ich finde immer wieder bemerkenswert, dass selbst derart kleine Begegnungen mit einer solchen Intensität abgehandelt werden. Der mich zunächst etwas irritierende Mann am Ende der Szene bringt die Information über das Treffen (nicht sonderlich Detail-orientiert) zu einem exotischen Drogenlieferdienst, der von Vera geleitet wird. Mit den blonden Haaren könnte er auch Eminems stämmigerer Bruder sein…
In der Szene mit Darlene wird uns klar gemacht, dass Elliot mittlerweile deutlich rauer ist. Er tut ihr wissentlich weh, woraufhin sie fragt, ob „er“ (also Mr. Robot) es gerade sei. Aber nein, es ist Elliot selbst, was seine Entwicklung als Charakter demonstriert, der aktuell empathisch abschaltet und nur noch sein Ziel vor Augen hat, wie ein programmierter Roboter (pun intended). Großartig fand ich den Moment, in dem wir Elliots Small Talk inklusive charmant dargebotener Heroin-Beichte beiwohnen durften. Herrlich!
„Are you crazy or something?“ – „I guess so.“ (Olivia & Elliot)
Bei der wahrhaften Leidenschafts-Explosion war ich dann aber doch überrascht. Hat Olivia ihn wirklich derart berührt und er in ihr so etwas wie eine Leidens-Vertraute entdeckt, oder konnte er diesen ungewöhnlichen Impuls auch vorspielen, im Wissen, dass es scheinbar keinen anderen Weg gibt? Sicher ist, dass die Kameraführung in der Wohnung von Olivia sehr originell gestaltet war. Und mit dem Badezimmer-Dialog der beiden haben wir ein erneutes tolles Beispiel für einen emotional intensiven Moment erhalten.
Intensiv und spannend war auch das Ende der Folge. Statt der Dark Army oder sonstigen Grausamkeiten wartet Tyrell in Elliots Wohnung. Unwissend bezüglich der installierten Abhör-Anlagen verplappert er sich etwas, was die Vorahnungen von Whiterose‘ Assistentin bestätigt haben dürfte.
Das war zwar etwas schwächer als der großartige Auftakt, aber nichtsdestotrotz eine Dreiviertelstunde gutes Fernsehen. Leider wurde mal so überhaupt nichts zur vergangene Woche platzen gelassenen Bombe mit der dritten Persönlichkeit gesagt. Man lässt uns erbarmungslos zappeln, was ich sehr schade finde. Gefallen hat mir dagegen sehr, dass wir eine genauere Charakter-Zeichnung von Whiterose erhalten haben. Gerade diese Vermenschlichung von Gegenspielern, die es in der Neuzeit der Serienerzählungen vermehrt zu beobachten gibt, finde ich super. Das lässt die Motive hinter dem Handeln deutlicher werden, teils sympathisiert man sogar mit ihnen und wähnt sich zwischen den Stühlen. So weit würde ich hier noch lange nicht gehen, aber die aktuelle Situation ist schon sehr spannend.
Kommende Woche setzt es dann die Folge mit dem Titel „404 Not Found“. Mal schauen, ob darin dann auch verspielt auf den vielzitierten 404-Fehler Bezug genommen wird.
Bilder: usa
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