Es wird spannend bei „Mr. Robot“. Nicht nur, weil die Serie denkbar kurz vor ihrem Finale steht, oder, weil es inhaltlich diese Woche auch um ein Kraftwerk geht, sondern vor allem, weil Sam Esmail die Handlung konzentriert, Aufeinandertreffen von Figuren celebriert und eine Atmosphäre schafft, die Endzeitstimmung aufkommen lässt. Die Spannung ist zum Greifen nah. Ach was, wir Zuschauer müssen gar nicht mehr nach ihr greifen, sie überträgt sich automatisch vom Bildschirm auf uns.
Zu Beginn bekommen wir den Übergang geliefert, den wir uns nach Episode 9 eigentlich gewünscht hatten. Die FBI-Razzia bei Whiterose nimmt den Ausgang, den wir durch den Nachrichten-Fetzen vergangene Woche bereits erahnt hatten: Whiterose schafft es aufgrund der Übermacht seiner Dark Army und einem gehörigen Blutbad, zu fliehen.
„You were looking for minister Zhang. He is not here. He‘s dead. There is only Whiterose.“ (Whiterose)
Anknüpfend an die Abschiedsszene mit Darlene finden wir Elliot (und Mr. Robot) auf dem Motel-Parkplatz wieder. Entgegen anders lautender Ratschläge entschließt sich Elliot dazu, das Thema ein für alle mal zu beenden und die mysteriöse Maschine Whiteroses zu zerstören.
„I‘m not shutting you out. I wanna do this one by my own.“ (Elliot)
Eine etwas quirlige Busfahrt später findet sich Elliot in Washington Township und Whiteroses Kraftwerk wieder, das recht sturzartig von diversen Fahrzeugen verlassen wird un insgesamt sehr verlassen erscheint. Schönes Detail: Als Datenträgerbezeichnung erscheint „Bad_USB“ auf dem Bildschirm, als Elliot seinen Hack initiiert. Die Polizei erscheint und kesselt Elliot ein, doch ehe wir Zuschauer und er uns Gedanken ob eines Fluchtplans machen können (nicht schon wieder…), rettet ihn quasi die Dark Army samt unserem guten alten Burger-Freund.
„Hey. You‘re in the wrong place.“ (Burger-Futterer)
Elliot wird zu Whiterose geführt, wo wir das erste von zwei größeren Highlights dieser Folge beobachten dürfen. In einem an Theater-Sets erinnernden Raum trifft er auf Whiterose. Weiße Rose und Robe gegen schwarzen Hoodie. Das allgemein sehr dichotom und aufgeräumt gestalteten Set wird bewusst mit Assoziationen zum „Schach“ oder „Go“ gespielt.
„Shall I remind you of your group‘s name?!“ (Whiterose)
Vor allem bekommen wir aber starke Dialoge und noch besseres Schauspiel zu sehen und hören. Alleine der Monolog von Elliot hatte es in sich. Allgemein wurde diese Szene mal wieder erstklassig von der bewusst gewählten Kameraarbeit unterstrichen. Vor allem die im Wechsel dargebotenen Köpfe der beiden Figuren, die stets mit der Nase zum Bildrand ausgerichtet waren, so dass sie sich engstmöglich aneinander befinden, obwohl eigentlich um eine Tischweite getrennt, hat Dynamik und Intensität beigesteuert.
Große Fragezeichen kamen auf, als Whiterose sich überraschender Weise selbst umbringt. Was ist ihr Endspiel? War das alles nur pseudo-philosophisches Gerede? Was soll denn bitte noch die letzten zwei Folgen kommen? Angeblich überlässt sie Elliot die Wahl, wie die Situation und somit gesamte Geschichte ausgehen soll. Nachdem ich zuerst aus Spaß notiert hatte, dass die Szene wie ein „Real Life Escape Room“-Spiel anmutet, spielt Elliot gar ein richtiges. Also, ein „Non Real Life“-Spiel, wie früher, als Text-Adventure. Er erspielt den erwünschten Ausgang und – dennoch scheint alles den Bach runter zu gehen. Nach einer zwar dahin genuschelten aber umso besonderen Liebeserklärung Elliots an Mr. Robot und damit quasi sich selbst, wird alles rot.
In meinem fehlenden Zeitgefühl für die Folge erwarte ich bereits den Abspann. Aber nein, ein Telefon surrt und es gibt einen Wake-up-Call. Für Elliot. Der „noch“ lebt. Mit neuem Mobiliar. Es stellt sich heraus, dass wir einer Art paralleler Dimension beiwohnen. Einer Dimension, in der Elliot emotional gefasster ist und Liebe empfindet. Nicht nur für sich selbst oder Mr. Robot, sondern auch für andere. Zum Beispiel seinen noch lebenden (und kein misshandelndes Arschloch seienden) Vater oder Angela, seine Verlobte. Die komplette Parallel-Welt scheint positiver, wird durch Musik belebt, wir bekommen mehr Tageslicht zu sehen und irgendwie scheint es auch für alle Personen deutlich besser zu laufen. Zumindest die, die wir sehen, Darlene zum Beispiel existiert zumindest nicht in gewohnter Form in Elliots Leben, der ein Einzelkind-Leben führt.
Doch neben intensiver Kopfschmerzen machen sich andere Seltsamkeiten im eigentlich recht reibungslos wirkenden Leben breit. Immer wieder blitzen Alt-Fetzen aus „unserer“ Wirklichkeit auf, so zum Beispiel das zum Meeting erscheinende „F-Corp“-Logo, das kurz „E-Corp“ zeigt und von Neu-Elliot auch so betitelt worden war. Und ein bisschen weiß man zunächst nicht recht, was man mit dieser Situation anfangen soll. Hat Elliot alles geträumt? Ist das Leben von ihm als „Allsafe“-CEO in Partnerschaft mit „F-Corp“-CEO Tyrell das eigentlich echte? Trinkt Elliot eigentlich Bier aus Humpen und trägt kaputzenlose Pullover?
Doch in der letzten Szene wird das Fragezeichen von Neu-Elliot mindestens so groß wie das, was wir über unseren Köpfen tragen. Denn er trifft auf Alt-Elliot…
„Who are you?!“ (Elliot)
Das war deutlich besser als der Exkurs vergangene Woche, ohne die sehr originelle Abschluss-Viertelstunde wäre ich aber vermutlich „nur“ auf eine 4,5-Kronen-Wertung gegangen. Das Ende ändert wirklich alles. Oder auch nicht. Gerade in diesem Stadium des Nicht-Wissens und der vielseitigen Herumdeuterei bin ich immer wieder glücklich darum, dass solch große Serien noch im Wochen-Rhythmus ausgestrahlt werden. So haben wir alle eine Woche Zeit, uns Gedanken zu machen und uns auszutauschen. Wie geht es wohl weiter? Und was haben wir hier gesehen?
Ist das wirklich die neue Realität, in die uns Whiterose mit ihrer Maschine geführt hat? Eine „neue Welt“, in der alle von ihren Problemen erlöst worden sind? Was könnte das dann sein? Sind alle Figuren einfach nur im persönlichen Paradies und eigentlich tot? Wurden alle durch die mysteriöse Maschine in einen anderen Gedankenzustand gebracht? Oder gar wirklich in eine alternative Dimension? Handelt es sich um eine Simulation? Oder ist es andersrum. War die „neue Welt“ eigentlich schon immer die echte? Hat Elliot nur alles geträumt? Davon gehe ich nicht aus. Viel eher glaube ich, dass der Liebe empfindende Elliot die dritte Persönlichkeit „unseres“ Elliots ist. Der Charakter, den er so lange vor sich selbst geheimgehalten hat. Wieso, weiß ich noch nicht so ganz. Vielleicht, weil er zu naiv und gutgläubig für die dreckige Welt ist.
In welche Richtung es auch gehen mag, die Bühne für das Doppelfolgen-Finale in einer Woche ist aber mal sowas von gesetzt! Es kann in alle Richtungen gehen. Vermutlich macht es gar keinen Sinn, groß Theorien aufzustellen, weil Esmail sie einfach mit irgendeinem weiteren wirren Twist vom Tisch fegen wird. Oder auch nicht, was auch irgendwo eine Überraschung wäre. Ich bleibe jedoch bei meiner von Beginn der Staffel aufgestellten Meinung, die bislang von Woche zu Woche bestärkt wurde: „Mr. Robot“ könnte das beste Serienfinale aller Zeiten hinlegen. Ja, die Erwartungen sind hoch.
Zum Abschluss noch der zu hörende Track „Turn Up The Radio“ von OK Go:
Bilder: usa Network
Schöner Artikel. Man sieht, dsss du die Serie liebst… wie ich auch. :)
Danke! Ist ja auch eine der besten momentan. :)
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