Vor zwei Jahren hat sich David Letterman mit seiner Late-Night-Show verabschiedet. Er wurde gefeuert, wie er immer wieder betont – auch in der neuen Show, mit der er jetzt bei Netflix zurückkehrt. Gleich zu Beginn scheint er noch ganz der Alte, doch schnell merkt man – wir bekommen hier einen milden Letterman zurück, was der Sendung aber nicht schadet.
Immerhin ist Lettermans Rückkehr so bemerkenswert, dass wir hier auch einmal ein Offtopic-Review einstreuen. Denn über 30 Jahre hat er die Fernsehlandschaft geprägt, nicht nur in den USA, sondern mit seiner Art, eine Late-Night-Show zu gestalten, auch in Deutschland. Zurück zur neuen Show: Pro Sendung lädt sich Letterman einen Gast ein, der jeweils so prominent ist, dass er keiner Vorstellung bedarf – deswegen auch der etwas sperrige Sendungstitel. Gelandet ist Letterman mit der Show bei Netflix, was ihn im Intro gleich zu ein paar Späßen reizt. „Kennen Sie Netflix?“, fragt er sein Publikum, um gleich darauf hinzuweisen, dass er sich sicher sei, dass man von Netflix vor dem Fernseher radioaktiv verstrahlt werde.
Schön ist auch die vorgeschaltete Homestory von David Letterman, die ihn in seinem Home Office zeigt, wo er versucht, sich seinen ersten prominenten Gast zu angeln. Er glaubt schließlich, dass er ein Nein bekommen wird, doch wenige Momente später sehen wir Letterman auf einer Bühne in New York stehen, wie er das Publikum auf seinen – noch geheimen – Gast vorbereitet. Einer darf raten und mit Clinton scheitern, der andere ist Mitarbeiter der Sendung und darf nichts fragen. Dann löst Letterman das Rätsel auf und einen Begeisterungssturm beim Publikum aus: Es ist Barack Obama.
In der Folge entwickelt sich ein launiges Gespräch zwischen den beiden. Man merkt, dass sich beide schätzen, und keiner ist sich zu schade, dem anderen einen Spruch zu stecken oder eine verdeckte Anspielung zu machen. Trump wird übrigens kein einziges Mal während des Gesprächs erwähnt – doch auch hier nutzen beide diverse Anspielungen, um dem Amtsnachfolger Obamas einen mitzugeben. Dazwischen wird’s sehr privat auf beiden Seiten, uns es macht einfach Spaß, beiden zuzuhören. Zwischendurch drehen sich auch die Rollen: Auf einmal wird Obama Interviewer, bis ihn Letterman darauf hinweist, dass er eigentlich derjenige sei, der hier die Fragen stellt. Das Entertainment-Potenzial bei Obama ist ja nicht neu (man denke nur an seine Auftritte bei Seinfeld oder Jimmy Fallon), aber man stellt sich dann irgendwann die Frage: Warum gibt kein Sender diesem Mann eine Show? Lasst ihn einfach reden, mit Menschen sprechen – wunderbar. Auch hier: Es ist ein gutes Gespräch – Letterman gibt sich interessiert und fast ehrfürchtig, Obama gewohnt jovial und weltoffen. Das Gespräch der beiden, die in zwei Sesseln auf einer sonst leeren Bühne platziert sind, entwickelt sich zu einer Art Hommage an das gute alte Amerika. Man wird als Zuschauer fast selbst melancholisch, wenn man sieht, welche Größen sich da begegnen, und wie sehr sie der Welt eigentlich fehlen.
Zur Auflockerung gibt es zwischendurch einen Einspielfilm zur Edmund Pettus Bridge in Selma. Letterman hat vor Ort mit John Lewis gesprochen, und beide sind sich einig darüber, dass Obama wohl doch ein ziemlich guter Präsident gewesen ist – um es einmal zurückhaltend auszudrücken. Ganz offen spricht es Letterman zum Abschied noch einmal aus, und dann schreiten die beiden großen Männer wieder von der Bühne. Witzig wird’s dann nochmal hinter der Bühne, wenn der alte Letterman aus diesem 70-Jährigen mit dem langen grauweißen Bart herausbricht und er gleich die Kameramänner anfaucht. Aber Obama, ganz Staatsmann, nimmt Letterman zurück, sie wiederholen den Abgang nochmal, und alles ist gut in Amerika. Zumindest für diese eine Stunde.
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