Es gibt genug Warnhinweise, diese neue Netflix-Serie nicht zu schauen – Lemony Snicket selbst, Autor von „Eine Reihe betrüblicher Ereignisse“, taucht leibhaftig in der Serie auf und warnt uns Zuschauer zu Beginn der Serie davor, weiterzuschauen. Zu traurig ist die Geschichte der Baudelaire-Kinder, die Lemony Snicket (in der Serie gespielt von Patrick Warburton) erzählen will, erzählen muss. Wer sich dennoch an den Warnungen vorbei wagt und sich in das Umfeld der Baudelaire-Kinder begibt, bekommt zwar eine tatsächlich betrübliche, aber auch unheimlich charmant erzählte und mitunter witzige Geschichte serviert. Der Auftakt macht auf jeden Fall schon einmal richtig Spaß – die anderen 7 Folgen können kommen.
2004 gab es den ersten Versuch, Lemony Snickets Geschichte von Violet, Klaus und Sunny Baudelaire in Bewegtbild umzusetzen. Die Kinderbuch-Reihe ist in den USA ein Klassiker, und die teilweise aberwitzige, detailreiche und verdrehte Geschichte bietet sich wie kaum ein anderer Kinderbuch-Stoff an, verfilmt zu werden. Jim Carrey mimte seinerzeit Graf Olaf, den großen Bösewicht der Geschichte, auf seine unnachahmliche Art. Nun ist es ja so, dass man entweder total auf die Jim Carrey-Sachen steht oder ihn gar nicht ertragen kann. Da ich zu ersterer Kategorie gehöre, hatte ich auch an dem Gesamtfilm meinen Spaß, weil Carrey hier wirklich groß aufdreht, ohne zu überdrehen. Was unter den Tisch fiel, waren die vielen kleinen Details und Geschichtchen abseits des Hauptplots – was wohl der Kürze der Spielfilmlänge geschuldet war.
Nichts lag also näher, als den Stoff noch einmal aufzugreifen und ihn als Serie zu bringen – gerade heutzutage, wo Serien Filmen immer mehr den Rang ablaufen und den Mittelpunkt der filmisch erzählten Welt bilden. Netflix hat sich den Stoff vorgenommen und sich mit Neil Patrick Harris zusammengetan. Der produziert den Achtteiler nicht nur, sondern übernimmt auch die Hauptrolle – eben Graf Olaf.
Zu Beginn der Serie taucht er allerdings noch nicht auf – da nimmt sich Lemony Snicket Zeit, und Zuschauer in die Geschichte einzuführen. Die vierte Wand fällt direkt, und wir sind mittendrin im Geschehen. Sofort fällt eine ungeheure Detailverliebtheit auf, Geschichte, Optik, Musik und Figuren passen perfekt zusammen. Alles ist liebevoll inszeniert, man muss seine Augen wirklich überall haben, um jedes Detail an der Straßenbahn, an und in den Häusern oder bei den Personen zu entdecken. Regisseur Barry Sonnenfeld (war Produzent des 2004er Spielfilms), der die ersten beiden Folgen inszeniert, platziert uns direkt in die Handlung, rückt uns Zuschauer ganz dicht an das Setting und die Personen. Er spielt gekonnt mit Farben und Kontrasten, Perspektiven und Einstellungen. Mal befinden wir uns aus einer Frontalansicht auf das Setting blickend, das ganz in Grau gehalten ist, und nur einzelne Farbtupfer enthält, auf gleich unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. Dann stehen wir den Personen fast schon Nase an Nase gegenüber, blicken in Graf Olafs graues und grauenhaftes Gesicht. Oder uns wird durch den Grau-/Pastell-Farben-Kontrast – zum Beispiel bei Graf Olafs Haus in Nachbarschaft zu Richterin Strauss – schnell signalisiert, wo Gut und Böse wohnen – macht Spaß, da zuzuschauen. Man fühlt sich bei allen den Bonbon-Farben und kleinen Details ein bisschen an die Serie „Pushing Daisies“ erinnert, die auch großartig aussah, inhaltlich aber leider, leider recht fad daher kam.
Besetzungstechnisch passt auch alles: Neil Patrick Harris spielt groß auf und überrascht mich tatsächlich; ich hatte dem „Nachfolger“ von Jim Carrey wenig Chancen eingeräumt, aber Harris überzeugt. Dann K. Todd Freeman als Arthur Poe – passt auch, ebenso die Besetzung der Baudelaire-Kinder, wobei mir Malina Weissman als Violet noch besser gefällt als Louis Hynes als Klaus.
Gut gefällt mir, dass sich die Serie viel Zeit nimmt, auch Kleinigkeiten der Handlung zu erzählen und Details solide in die Gesamthandlung zu integrieren. Das verschlingt zwar Zeit, bläht die Serie aber trotzdem nicht auf. Es wird nicht langweilig, Längen kennt die Pilotfolge definitiv nicht. Und auch wenn Lemony Snicket uns warnt, die Serie zu schauen – sie muss gesehen werden, wirklich.
Fand den Auftakt auch ganz gut, wenn auch eher so auf 3,5-4 Kronen-Niveau. Fand es optisch oftmals schön gelöst (etwas á la Wes Anderson), dazu auch das Spiel der Kids (bin da bei ihr, bei ihr noch mehr). Bei NPH bin ich noch etwas hin und hergerissen. Oft passt es, dann merkt man wieder sehr stark, dass da jemand arg verkleidet ist oder wird an One-Liner von Barney Stinson erinnert. Aber freue mich dennoch auf die weiteren Folgen.
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