Wer mit der Netflix-Miniserie „MAID“ startet, darf keinen gemütlichen Serien-Abend auf der Couch erwarten: Wir landen direkt in einem Flucht-Szenario von Alex, die mit ihrer Tochter Maddy versucht, ihrem Freund Sean zu entkommen. Er ist betrunken und offensichtlich aggressiv geworden – wir sehen aber vor allem die entsetzten, weit aufgerissenen Augen von Alex, die einen dann auch die erstmal ruhige Fahrt über eine eher leblose Straße durch die Wälder verfolgen. Der panische Blick über die Schulter, in den Spiegel, die Nervosität, die Beunruhigung – Alex Empfindungen übertragen sich direkt auf den Zuschauer. Doch dann bekommt man erstmal Zeit, alles zu sortieren.
Wie ist es, Hals über Kopf die eigene Wohnung zu verlassen, praktisch nichts bei sich zu haben bis auf die Verantwortung für die zweijährige Tochter? Was sind die nächsten Schritte? Wie kann’s weiter gehen? „MAID“ erzählt es, in aller Ausführlichkeit, in aller Ruhe, über zehn etwa jeweils einstündige Folgen hinweg. Man muss tatenlos mit ansehen, wie Alex von einem Tiefpunkt zum nächsten taumelt. Ist sie Opfer häuslicher Gewalt? Ja, aber „nur“ seelischer, die äußerlich keine Spuren hinterlässt? Kann sie sich eine Arbeit suchen? Ja, sobald sie einen Kitaplatz für Maddy hat. Den Kitaplatz gibt’s aber nur, wenn man eine Arbeit vorweisen kann. Teufelskreis schließt sich an Teufelskreis, und irgendwie gibt es kaum jemanden, der ihr wirklich weiterhelfen kann oder will.
Dann sortiert sich alles irgendwie, bis der nächste Absturz kommt. „MAID“ hat dabei einige großartig inszenierte Momente – wenn Alex und Maddy zum Beispiel auf dem Boden der Fährstation sitzen, neben sich den Staubsauger von ihrer Putzstelle. Oder wenn Alex und ihrer Mutter am Strand sitzen und sich unterhalten, oder wenn Alex ihrer Mutter beim Übernachten im Auto beobachtet.
Manchmal ist es mir dann aber auch zu viel – wenn man mit ansehen muss, wie beide krank werden, weil die Wohnung voller Schimmel sitzt. Oder wenn uns klar wird, dass auch Alex‘ Mutter misshandelt wurde, und zwar von ihrem Mann. Der wie Alex‘ Freund Alkoholiker ist und in der gleichen Therapiegruppe unterwegs ist. Oder der Unfall auf der Autobahn, oder, oder, oder… ehrlicherweise kommt da so viel zusammen, dass die Story schon überzogen wirkt (obwohl ich weiß, dass die Miniserie auf einer wahren Begebenheit beruht). Mir wird auch alles wirklich zu ausführlich erzählt. Putz-Sessions ziehen sich über Minuten hin, alles dauert so ewig lange – tatsächlich hätte man alles auch gut in einem zweistündigen Film erzählen können, oder von mur aus noch in einer vier- oder fünfteiligen Serie. So ist viel Leerlauf dabei, so dass man mit der zeit auch immer weniger berührt ist oder mit den Gedanken bei der Sache ist.
Das ändert sich im Endspurt der Serie noch einmal, wenn Alex wieder zu Sean zurückgekehrt ist. Das ist wieder stark erzählt, wenn sich Alex wie in einen Brunnen gefallen fühlt und komplett abwesend am Alltag teilnimmt. In den Momenten kann Alex-Darstellerin Margaret Qualley ihre ganze schauspielerische Klasse ausspielen – wie übrigens auch Andie MacDowell in der Rolle von Alex‘ Mutter Paula, wobei Andie MacDowell witzigerweise im echten Leben auch die echte Mutter von Margret Qualley ist. Zum Ende hin spekuliert man lange, ob die Showrunner Alex ein Happy-End spendieren oder ob es bei dem düsteren, hoffnungslosen Gesamteindruck bleibt. Sie entscheiden sich für ein Happy-End, wobei das Gegenteil vermutlich einfach besser gepasst hätte. So schreiten Alex und Maddy den Weg zum Mount Sentinel hinauf, zum „The M“, das überdimensional am Berghang über Missoula, Montana, prangt. „Das M steht für Maddy“, sagt Alex aus dem Off am Ende, und es wird recht pathetisch, womit vermutlich auch einfach viele Zuschauer zurecht kommt. Am Ende blicken sie über Missoula auf die University of Montana, die für Alex (und Maddy) einen Neuanfang bedeuten soll – und der für Alex-Darstellerin Margaret Qualley eine Rückkehr in die eigene Kindheit bedeutet – denn hier ist sie selbst aufgewachsen.
„MAID“ macht sicher viel richtig, vermittelt die Botschaften eindrücklich, überzeugt mit solidem Storytelling und ausgezeichneter Besetzung – mich stören aber wie gesagt die vielen Längen und die recht häufige Überzeichnung. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Hatte überlegt reinzusehen, aber ehrlich gesagt klingt mir das alles etwas zu düster und (wie zu erwarten) wenig nach guter Laune… Grad keine Lust drauf.
Also danke für den Artikel :-D
Wobei ich sagen muss, dass der Hinweis „Mini-Spoiler“ doch etwas lasch gewählt ist angesichts der kompletten inhaltlichen Darstellung der Serie mitsamt Ende. Für mich wars jetzt passend, sogar ideal, aber fiel mir doch auf.
Joa, ich hab‘ im Prinzip noch relativ viel Inhalt weggelassen, aber stimmt schon, die grundsätzliche Handlung kann man so natürlich schon nachvollziehen – ich ändere den Status mal. :-)
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