Nach dem harschen Staffelauftakt geht es in der zweiten Folge wieder um eine kleine Charakter-Backstory. Im Fokus der Episode steht Frieda aka Expertin im Leichenversteck finden. Hat sie noch andere Dinge auf Lager, außer leblose Körper in sechs Teile zu zersägen? Zumindest erfahren wir in kleinen „Stücken“ einige interessante Dinge über ihre Kindheit und den apokalyptisch geprägten Vater. Survival of the fittest heißt die Devise. Als Pfadfinderin lernt sie das Überleben in der Natur und die Selbstversorgung im Fall der Fälle. Ein kleiner Wochenendausflug mit Papi in den Wald und plötzlich steht die kleine Frieda alleine da. Mit MacGyverischen Fähigkeiten baut sie sich einen Kompass, angelt sich einen Fisch und findet den Weg zurück in die Bunkerheimat. Papa ist (fast) stolz auf die Kleine.
Schlussendlich dient dieser Rückblick aber nur einer Situation in der Folge. Frieda hängt mit der rassistisch angehauchten Frauengruppe in der Küche fest. Zwei Wärter halten die Frauen in Schach. Während die White Power Girls ihren weiblichen Charme zu ihrem Vorteil nutzen wollen, bastelt Frieda aus Mehl und anderen kleinen Zutaten eine Geheimwaffe. Auch wenn das Resultat und der „Ausbruch“ aus der Küche lustig inszeniert ist, dient es dem großen Ganzen herzlich wenig. Beim ersten Charakterrückblick für die Staffel hätte ich mir ein wenig mehr nachhaltigen Inhalt gewünscht. Wahrscheinlich liegt es auch an dem Fakt, dass Frieda bisher eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat und nur für kurze Momente in die Serie geschrieben wurde.
Für mehr Unterhaltung außerhalb der Küche sorgen die Hispanics. Mit Daya und der Pistole sind sie weiterhin in der Machtposition. Noch weiß niemand, dass sie die Waffe lange nicht mehr hat. Was also tun mit ein paar Wärtern und Langeweile im Gefängnis? Richtig, ab in die Kapelle und eine kleine Stripshow eingelegt. Bis zur „analen Untersuchung“ eigentlich recht lustig anzusehen. Als dann jedoch ein fettleibiger Wärter zum Spott der Frauen rektal per Hand inspiziert wird, geht das Niveau der Folge rapide bergab. Diesen Moment hätte die Serie nicht gebraucht und er zieht den sonst gut angesetzten Humor sehr in den Dreck. Da hilft auch das lustig gestellte Gruppenfoto aller Wärter in Unterhose nicht weiter. So freut man sich als Zuschauer, als Alex angewidert die Kapelle verlässt und sich öffentlich gegen diesen Umgang mit den Wärtern ausspricht. Chapeau!
Die Rache der Frauen nimmt auch auf der Krankenstation kein Ende. Humphrey ist wieder bei Bewusstsein. Zwar noch ein wenig neben sich, lässt er wieder tief in seine sadistische Art blicken. Während sein Gesprächsthema über Folter- und Tötungsmethoden im Mittelalter mit Hilfe von Ratten scheinbar endlos brutal ist, zieht Maureen ihre Konsequenzen und ergreift eine fatale Initiative. In Humphreys Infusion lässt sie heimlich ein paar Sauerstoffblasen, die unmittelbar zu einem Schlaganfall führen. Selbst für Gefängnisinsassinnen ist das hinterhältig und wirklich düster. Kurz vor der Schwelle zum Tod wird Humphrey gerettet, aber er trägt sichtliche Folgen davon. Halbseitig gelähmt wird er wohl für immer seine Taten bereuen. So direkt makabere Konsequenzen hat es in OITNB bisher noch nicht gegeben. Die Autoren betreten damit andere Sphären und gehen vollends in den dramatischen Teil der Dramedy-Serie über.
Auch in Capoutos Büro bekommt die „Video-Gruppe“ den Ernst des Lebens außerhalb der Gefängnismauern zu spüren. Ihr Videotweet hat nicht den gewünschten Erfolg. Kein einziger ernst gemeinter Retweet verbreitet ihr Video im Social Media Kanal. Es setzt eher das Gegenteil ein. Unter dem Hashtag #BlackLattesMatter wird Cindys Hintergrundeinsatz im Video parodiert und als amüsantes GIF verbreitet. Natürlich ist Taystee niedergeschlagen. Wie kann die Außenwelt sich so verändert haben? Warum kümmert sich niemand um die Belange der Litchfield-Insassen und was müssen sie tun, um wirklich gehört zu werden? So werden sie Opfer von einem unberechenbaren Internet. Niemand weiß, was zum viralen Hit wird. Oder besser gesagt: das Internet sucht sich wohl oder übel die amüsanten Themen und macht sich seinen Spaß. Es ist und bleibt oft ein Unterhaltungsmedium.
Die harte Realität wirkt sich auch auf die Stimmung in der Episode aus. Vereinzelt blitzt der gute Humor der Serie durch, aber am Ende siegt der Frust der Frauen. Eingesperrt und allein gelassen, kommt nicht einmal eine Spezialeinheit, um den Streik aufzulösen. Niemand in der Außenwelt interessiert sich für die Verbrecherinnen der Gesellschaft. Traurig, aber wahr.
Grundsätzlich finde ich es in Ordnung, wenn die Autoren auch die ernsten Dinge in einem amerikanischen Gefängnis beleuchten. Bisher hat es OTIB immer geschafft, einen Spagat zwischen Humor und Ernst zu finden. Leider ist der Ton auch in der zweiten Folge für meinen Geschmack zu ernst und teilweise sogar ganz schön drüber. Es fehlt die Leichtigkeit mit der die Serie die Probleme bisher angepackt hat. Der Frust der Frauen hat sich über fünf Staffeln so immens aufgebaut, dass jetzt alles rausgelassen wird, was zur Verfügung steht. Ohne Rücksicht auf Verluste. Da hilft es auch nicht die Zerrissenheit von Daya und ihrem Schuss ins Bein darzustellen, wenn an anderen Orten von Litchfield weiter grauenvolle Dinge passieren. Ich hoffe, dass die Staffel einen guten Weg aus dem Aufstand findet.
Bilder: Netflix
Ich finde tatsächlich die neuen Folgen sehr gut – gerade weil sie die Ebene der Leichtigkeit verlassen und Spannung und Ernst die Lage bestimmt. Es ist ein heilloses Durcheinander und ich bin – für meinen Teil – gespannt, wie es weiter geht…
Was mich aber sehr stört, ist die lieblose, deutsche Synchronisation. Da merkt man doch sehr, dass es wieder schnell gehen musste und in manchen Sätzen fehlt einfach jede Emotion. Das finde ich sehr schade. Und überlege tatsächlich nach über vier Staffeln doch im Original-Ton weiterzuschauen, weil es die Stimmung doch sehr trübt….