Der Strom ist wieder da und endlich ist auch OITNB wieder gut in Fahrt. Die Staffel schliff bisher ein wenig vor sich hin, doch jetzt kommt frischer Wind ins Spiel und vor allem auch viel gut verpackte Kritik.
In dieser Folge wird die Flashback Geschichte von Watson gut mit der aktuellen Handlung kombiniert und in einen sinnvollen Kontext gesetzt. Die anderen Folgen der fünften Staffel waren in dem Punkt etwas belanglos und in der Hintergrundgeschichte etwas überflüssig, zumindest was den Bezug zur aktuellen Handlung betrifft. Wir lernen also Watson als engagierte Schülerin kennen. Wissbegierig und in regem Austausch mit ihrer Lehrerin nimmt sie an einem Ausflug zu einer privaten Schule teil. Gespickt mit weißen Schülern fühlt sich Watson sichtlich unwohl. All die tollen Dinge, die ihr hier präsentiert werden, für sie unerreichbar. Zugespitzt in einer wunderbar emotionalen Szene. Bei einer Theaterprobe inszenieren die weißen Schülerinnen einen Song aus dem Musical „Dreamgirls“. Mit gebrochener Stimme und einer Afro-Perücke mehr als peinlich. Watson kommen die Tränen, jedoch nicht aus Freude, wie ihre Tagesbegleitung denken mag, sondern aus Scham. Ohne weitere Worte erreicht diese Szene hier alles. Die Ungerechtigkeit zwischen zwei Klassen. Arm und reich, oder schwarz und weiß. Amerikanische Realität. Wer hat, der kann, oder wer ist, der darf. Selbst Watson’s Lehrerin beschönigt nichts und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die ehemals engagierte Schülerin später auf die schiefe Bahn gerät. Sozialkritik at it’s best.
Daran angeknüpft übertragen die Autoren diese Kritik direkt auf die Situation in Litchfield. Die Videoaufnahmen der „gekreuzigten“ und von vermummten Gestalten malträtierten Judy King laufen auf allen Kanälen. Statt als White Power Aktivistinnen wirken die Rassistinnen durch ihr Outfit allerdings als muslimisch angehauchte Terroristen. Im nervösen USA brennt sofort die Ausnahmesituation durch. Selbst der Gouverneur ist endlich auf Zack und schickt eine Sondereinheit gen Litchfield. Endlich. Die White-Power Insassen haben allmählich genug von Judy und wollen noch letzten Profit aus ihrer „Gefangenen“ schlagen. Scheinbar ist in deren Köpfen allerdings nicht mehr allzu viel Hirnmasse und so kauft sich Black Cindy mit einem Stickeralbum (Kunst als Wertanlage) Judy King. Nicht frei, sondern als private Sklavin. Die Symbolik hier ist wunderbar. Für Cindy taugt Judy allerdings nur zur Nagelpflege. Ergo ziehen Taystee, Alison, Watson und Janae Konsequenz, greifen sich Judy und den MCC PR Mitarbeiter und bereiten eine Pressekonferenz vor. Die Aufmerksamkeit von MCC sollte ihnen mittlerweile gewiss sein. Die vorbereitete Rede für Judy King sitzt in den Gemütern von Taystee und Watson alles andere als genehm. Es drückt und keine fühlt sich dadurch repräsentiert. Hier kommt nun die Vorbereitung durch Watson’s Flashback sehr gut zum Tragen. Taystee unterbricht Judy und macht auf die Ungerechtigkeit der Behandlung aufmerksam. Judy hatte alles: eine Einzelzelle, besser Behandlung, frühe Entlassung … und Warum? Weil sie weiß und reich ist. Die Rede von Taystee geht nahe und sitzt tief. Dieser Grat zwischen Emotion, Kritik und Humor gelingt OITNB in dieser Folge immens gut und ist der Funke der in dieser Staffel bisher gefehlt hat. Hut ab für diese Meisterleistung der Autoren.
Ein wenig abstrus wirkt der Schnitt zu Aleida. Im ersten Moment war ich doch etwas verwirrt und dachte, es gibt in dieser Folge gleich zwei Rückblicke. Der Sprung kam unvorbereitet. Aleida hat ihre Schwierigkeiten in der freien Welt zurecht zu kommen. Schlechte Bezahlung und Ablehnung, so hat sie sich die Freiheit nicht vorgestellt. Das eigene Nagelbusiness muss sicherlich noch eine Weile warten. Wobei mir mit ihr so wirklich kein Mitgefühl aufkommen mag. Sie hat sich gegenüber Daya nicht immer als gute Mutter bewiesen und oft nur an sich selbst gedacht. In der Hinsicht kommt der Gedanke „geschieht dir recht, bitch“ ein wenig hoch. Rührend ist der Anruf von Gloria. Ohne Erwähnung des Aufstands gibt es einen kleinen gelogenen Smalltalk. Gloria gibt vor, dass in Lichtfield alles beim Alten ist. Läuft! Aleida gibt vor, dass in der neuen freien Welt alles gut ist und ihr die Leute die Bude einrennen wegen des guten Nageldesigns. Läuft auch! Als Gloria stockt und kurz davor ist, von der Pistole und Daya zu berichten, kann sie nicht über ihren Schatten springen. Die Beziehung zwischen Gloria und Daya finde ich weiter spannend. Gloria ist für sie die wahre Mutter und sorgt sich. Vielleicht realisiert sie im Telefonat, dass Aleida von außen nicht helfen kann und wer weiß, ob sie es überhaupt tun würde.
Alex und Piper spielen, wie in den vorhergehenden Folgen weiterhin nur noch unwichtige und eigentlich sogar recht nervige Nebenrollen. Die beiden sind in sinnlosen Belangen verstrickt und unterbrechen die Handlung mit gähnender Langeweile. Ich hoffe, dass die Autoren in den kommenden Folgen entweder interessante Handlungsbögen mit den beiden entwickeln, oder die On-Air Zeit komplett oder noch mehr einstreichen. Diese Episode kann auf eigenen Beinen stehen und braucht keine Stützen mehr in Form von Alex und Piper aka Ex-Hauptcharaktere.
Für mich definitiv die beste Folge der noch jungen fünften Staffel. Der Humor ist zurück, die Handlung nimmt gut Fahrt auf und die kritischen Stimmen werden lauter. OITNB schafft es nicht zu sehr mit erhobenen Zeigefinger Kritik zu üben. In dieser Folge bekommen wir ein reichlich gefülltes Paket mit allem gesellschaftlich relevanten Themen. Nazis, Muslime, Medien, reich, arm, schwarz und weiß. Wunderbar verziert mit guten Monologen, amüsanten Momenten und vielen Emotionen. So kann es sehr gerne weiter gehen. Bravo!
Bilder: Netflix
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