Hui. Damit hätte ich nicht gerechnet. OITNB nimmt extrem dunkle Wege auf dem Pfad gen Ende des Aufstands. Während die neunte Folge die Horrorecken erkundet hat, zeigt die zehnte Folge wahres Folterpotential und es geht direkt zur Sache. Wir steigen ein, wo wir aufgehört haben: Red wurde von Piscatella überrumpelt und sitzt nun mit den anderen Insassen in den Klauen des ehemals vollbärtigen Wärters. Der scheint sich in seiner neuen Rolle als „Geiselnehmer“ sehr wohl zu fühlen. Es war schon klar, dass Piscatella ein wenig Dreck am stecken hat, aber die Seite ist wirklich dunkel und grenzwertig.
Er und Red stehen auf keinem guten Fuß und als er ihr die Haare vom Kopf schneidet und halb „skalpiert“, ist klar: das Kriegsbeil wurde vollständig ausgegraben. Für meinen Geschmack gehen die Szenen mit Piscatella und Red ein wenig zu weit. Die Fehde zwischen den beiden hat sich zwar über viele Folgen aufgebaut, aber die Mittel rechtfertigen hier in keiner Weise den Zweck und Piscatella kann sich nicht so sicher fühlen und denken, er würde hier ohne Folgen davon kommen. Seine Handlung in dieser Folge war teilweise so extrem, dass ich in dem Moment, wo er zum Tuch und einer Wasserflasche greift, dachte, er würde jetzt auch noch zur Waterboarding Methode greifen. Sicherlich ist es gut, gewisse radikale Aspekte in der Serie zu beleuchten und auch die Wärter sind nicht immer das Gelbe vom Ei, aber hier geht es vor allem in Sachen Psyche ein wenig zu weit. Auch der Rückblick erklärt in meinen Augen nicht, warum Piscatella so zur Sache geht.
Im Rückblick erfahren wir ein wenig mehr zum düsteren Hintergrund vom Vollbartwärter. Seine Zeit als Wärter im Männerknast lief natürlich auf eine Beziehung zu einem Insassen hinaus. Für meinen Geschmack ein wenig zu plump, aber der Zweck heiligt die Mittel. Kurz und knackig bekommen wir also mit, dass Piscatella seine Liebe zu Wes geheim halten muss. Natürlich, Wärter und Insasse dürfen nun mal nicht zusammen sein. Ein wenig Schmusereien hier und ein „DP“ Tattoo da (die Ausrede mit der Double Penetration war recht amüsant und passend für einen Männerknast) und es kommt, wie es kommen muss: sein Liebling wird von den anderen Knastis missbraucht. Piscatella ist sauer. Richtig sauer. Rosado, der Hauptverursacher, muss dran glauben. Als Strafe scheint es dort üblich, die bösen Jungs angekettet unter die heiße Dusche zu stellen. Für ein paar Sekunden, bis sie schreien. Pech für Rosada: Piscatella hört ihn nicht schreien und so muss er das heiße Wasser länger als körperlich erträglich über sich fließen lassen. Ob es der tote Insasse ist, der während Piscatella’s Schicht drauf ging, wird in diesem Rückblick allerdings nicht klar, zumindest nicht eindeutig. Insgesamt schon recht dürftig und plakativ erklärt, warum jetzt seine Wut auf Insassen so groß ist. Ich hätte mir hier etwas tiefer gehendes gewünscht. So ist es doch leider nur gefühlt schnell geschrieben und daher gedichtet.
Die Methheads streunen durch die Hallen von Litchfield und finden durch Zufall ein Stück von Leanne’s Finger. Klar, kann man bestimmt wieder annähen. Leider erfahren sie vom Krankenpfleger auf der Station, dass der Finger so nichts mehr nutzt. Neue Idee: sie suchen einfach einen „Spender“. Der Wärter Stratman ist für die beiden das gefundene und wehrlose Opfer. Seine Idee, den Finger doch erst mal auf eine Probefahrt zu schicken, ist nett gemacht und passt gut zum Humor der Serie. Die Methheads waren immer etwas drüber, aber hier trifft die Szene gut die Stimmung und sorgt für ein paar Lacher.
Übel ist der „Toilettenfund“ von Suzanne. Zusammengekauert und halb gestorben findet sie Maureen. Ihre Wunden sind mittlerweile eitrig infiziert und sie ist kurz vorm Ende. Wirklich realistisch gestaltet fand ich ihr „blaues Auge“ in der Staffel nicht. Was die Maske allerdings jetzt gezaubert hat, verdient großen Respekt. Es unterstützt sehr gut die Dramatik die hier langsam walten sollte. Maureen ist in einer ernsten Lage und kurzzeitig scheint Suzanne den Moment fassen zu können. Sie bringt sie auf die leider unbesetzte Krankenstation, nur um den nächsten Ernstfall zu finden: Humphrey hat sich aus Litchfield verabschiedet. Sein Herz schlägt nicht mehr. Böse, böse, böse. Der Schlaganfall war schon eine üble Nummer, für die Maureen schlussendlich verantwortlich ist. Sein Tod wird die Insassinnen (vor allem Daya) in ernstere Lagen bringen und vor allem auch schlechtere Verhandlungen.
Die Verhandlungen mit Fig und Caputo scheinen auch kein Ende zu nehmen. Die beiden belegen sich mit Vorwürfen und teilen gut gegeneinander aus. Sehr zum Frust von Taystee, andererseits zur guten Erheiterung für die Zuschauenden. Hier kommt für beide die Vergangenheit zurück. Jeder hat in seiner Position als Gefängnisleiter Fehler gemacht. Das System ist von Grund auf korrupt und wohl in der Form nicht zu retten. Falsch gedacht. Taystee hat alles im Blick und trumpft mit reichlich Detailwissen und guter Recherche. Go Girl!
Das Finale der Folge und damit auch der anbrausende Untergang von Piscatella sind noch eine kleine Würdigung für Fridas recht unbefriedigenden Rückblick. Ihre Rückziehergruppe bekommt Wind von der Geiselnahme und lockt Piscatella in einen kleinen Hinterhalt. Ein paar geschickt gestellte Fallen und der Brocken liegt am Boden. Verdient!
Alles in allem eigentlich eine solide Folge, die aber durch extrem dunkle Seiten so einige Zweifel aufwirft. Muss der „böse schwule Wärter“ eine plakative Hintergrundgeschichte bekommen, damit jeder (unaufmerksame) Zuschauer versteht oder nachvollziehen kann, warum Red diese Folter über sich ergehen lassen muss? Das überschattet leider die wenigen guten Momente in der Folge und lässt mich eingeschüchtert zurück. Die Folge war grundlegend besser, als das Horrordebakel aus der neunten Folge, aber für das Grande Finale müssen sich die Serienmacher doch noch Einiges einfallen lassen. Bitte wieder zurück zur gewohnt guten Qualität.
Bilder: netflix
Kommentiere