Wer denkt, dass es sich bei „Outer Banks“ um eine weitere schnulzige Teenie-Serie im Strandparadies handelt, den möchte ich gern vom Gegenteil überzeugen. Wie Maik hier nämlich ebenfalls schon feststellen konnte, steckt hinter der Netflix-Original-Produktion mehr, als man zunächst erwartet. Aber ehrlich gesagt kann ich es auch keinem verdenken, wenn man bei diesem Serienplakat falsche Assoziationen bekommt.
Worum geht´s?
Wenn „Outer Banks“ kein schnulziges Surfer-Teenie-Drama ist, worum geht es denn dann in der Serie überhaupt? Eins sei gesagt: Ja es geht um Teenager, ja sie surfen auch und ja, es gibt ein Drama. Aber das macht die Serie keinesfalls aus. Einer der Schwerpunkte, den „Outer Banks“ setzt, ist die Klassengesellschaft. Die Unterschiede zwischen arm und reich, oder wie sie in „Outer Banks“ heißen: die Gruppen der Pogues und Kooks. Die Serie handelt davon, dass ein großer Sturm im Sommer über die Insel Outer Banks fegt und sie deswegen vom Stromnetz abgeschnitten werden. Während der ärmere Teil der Bevölkerung versucht, alles wieder irgendwie zum Laufen zu bringen, feiern die Reichen einfach weiter und sind durch ihre Notstromaggregate gut versorgt. Ein weiterer Aspekt des Klassenunterschieds ist, wie Ward, der „Bösewicht“, durch seine Macht und sein Geld Einfluss auf die komplette Insel ausübt. So korrumpiert er schließlich die ganze Polizei und schafft es, mit einem Mord davon zukommen und einen weiteren Mord, begangen durch seinen Sohn, John B. anzulasten. Auch wenn der Klassenunterschied nicht immer vordergründig behandelt wird, so schwebt das Thema doch über der ganzen Serie und stimmt einen nachdenklich. Nur weil ein Teenager aus nicht so wohlhabenden Verhältnissen kommt und ein hartes Jahr hatte, weil sein Vater verschwunden ist und er gerade keine volljährige Aufsichtsperson hat, ist John B. der perfekte Sündenbock und einfach prädestiniert dafür, jemanden zu ermorden? Und der reiche gewalttätige drogenabhängige Junge wird gar nicht erst verdächtigt, selbst nachdem zwei Leute versuchen, der Polizei etwas anderes mitzuteilen. Geld öffnet Türen. Leider zeigt sich das sehr schmerzlich in „Outer Banks“.
„Es tut mir leid, dass ich uns in den Abgrund gestürzt habe durch die Schatzsuche.“ – John B.
„Hey John B., wir hätten uns so oder so irgendwann in den Abgrund gestürzt. Wir haben es zusammen durchgezogen. Wir sind Pogues.“ – JJ
Die zwischenmenschlichen Beziehungen
Na klar, was wäre eine Teenie-Serie schon ohne eine Liebesbeziehung bzw. noch besser ein Liebesdreieck? Der egoistische Ex drängt sie zum Sex und dann kommt der mysteriöse Surfertyp vorbei und ist ihre Rebellion. Hört sich sehr nach Klischee an, ist es erstaunlicherweise aber nicht. Einem Kerl die Freundin ausspannen ist zwar nun wirklich nicht sehr Gentleman-like, aber man merkt auch, wie Sarah einfach nicht mehr glücklich ist mit Topper. Sie sieht ihre ganze Zukunft vorausgeplant und stellt jetzt erstmals infrage, ob sie das überhaupt will. Jedoch zeigt sich gegen Ende der Staffel eine wirklich gute Charakterentwicklung von Topper. Um Sarah zu beweisen, wie sehr er sie tatsächlich liebt, hilft er ihr und John B., zu entkommen. John B. jedoch gibt Sarah einfach einen neuen Blickwinkel, holt sie aus ihrer Blase heraus, lässt sie tatsächlich einen Tag lang jemand komplett anderes sein. Und im Gegensatz zu Sarahs Ex-Freund Topper versteht John B. sie auch, ist einfühlsamer und drängt Sarah nicht zum Sex.
Um die Szene besser einordnen zu können, beginnt am besten, hier zu schauen und seht euch noch den nächsten Teil an, denn diese Szene ist meines Erachtens einfach wunderbar. Wer kann schon behaupten, dass das erste Mal so traumhaft war, wie es in Serien immer aussieht? Und auch Jungs können sich nach dem ersten Mal beschissen fühlen, es ist nicht alles perfekt. Diese Verletzlichkeit und das Verständnis, das John B. gegenüber Sarah zeigt, sind wirklich erfrischend und brechen mit alten Geschlechterstereotypen. Auch wenn die Beziehung zwischen Sarah und John B. vielleicht an einigen Stellen kitschig wirkt, für mich wandelt sie schon fast auf dem schmalen Grad einer großen Liebestragödie. Ich sehe in manchen Zügen schon fast etwas wie Bonnie und Clyde, Romeo und Julia. Ich muss auch gestehen, ich bin eine große Romantikerin, aber dieses Paar reißt mich einfach mit.
„Was würdest du tun, wenn ich nicht hier wäre?“ – Sarah
„Ich würde lieber sterben, als in den Knast zu gehen.“ – John B.
„Ich würde lieber sterben, als ohne dich zu sein.“ – Sarah
Aber nicht nur Liebe spielt in „Outer Banks“ eine große Rolle. Denn Freundschaft ist das A und O, Freundschaft bestimmt das Leben der Pogues, ohne sie wären John B., JJ, Kiara und Pope nichts. Sie halten zusammen wie eine Familie und gehen durch dick und dünn, egal wie brenzlig die Lage ist, sie ziehen einfach alles zusammen durch und können immer auf den anderen zählen, wenn sie niemand anderen haben. John B. kann auf seine Freunde bei der Suche nach seinem Vater vertrauen und JJ, auch wenn er wie der Draufgänger wirkt und immer ein Spaßvogel ist, so kann er doch in den Augenblicken, wo es darauf ankommt, auf seine Freunde zählen. Denn dass das Leben in „Outer Banks“ auch seine Schattenseiten hat, weiß kein Charakter besser als JJ. Sein alkoholsüchtiger Vater verprügelt ihn ständig und seine Mutter gibt es nicht mehr. Eine der besten Szenen der Serie ist die unten folgende und was für mich die Szene noch umso stärker macht, sie ist komplett vom Schauspieler improvisiert worden. Es gab zwar ein ungefähres Drehbuch, doch Schauspieler Rudy Pankow improvisierte und schaffte meines Erachtens somit eine wesentlich emotionalere Szene, als man sie je hätte schreiben können. Seht es euch selbst an:
Fazit zur Serie
Alles in Allem war ich wirklich wahnsinnig überrascht, wie gut die Serie tatsächlich war. Denn auch ich muss ehrlich gestehen, dass das Promobild bei Netflix mich zunächst tatsächlich auch abgeschreckt hat. Ich hatte keine Lust auf noch eine weitere schnulzige Teenserie. Aber „Outer Banks“ bietet so viel mehr: Schatzsuche, die Suche nach einem verschwundenen Vater, der Klassenkampf, die Freundschaft, die Liebe, übermächtige Feinde und vor allem wahnsinnig gute Charaktere. Nebenrollen werden gut ausgearbeitet und scheinen nicht flach. Die Schauspieler sind erfrischend und gehen in ihren Rollen auf und die Story ist nicht zu übertrieben. „Outer Banks“ will zwar viel, aber nicht zu viel auf einmal.
Deshalb gibt es von mir annähernd die Höchstbewertung, den Abzug aber auch nur, damit ich gegebenenfalls noch Luft nach oben habe für die weiteren Staffeln. Mein Tipp an euch: Lasst euch bei „Outer Banks“ definitiv nicht vom ersten Eindruck abschrecken, mich hat die Serie wirklich positiv überrascht und hat es tatsächlich glatt in meine neue Favoritenliste geschafft.
Bilder: Netflix
Ich finde die Serie ebenfalls sehr interessant, dennoch sind mir manchmal zu viele und zu heftige Gewaltszenen in den Folgen vorhanden.
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